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# taz.de -- ZDF-Sendung über Clans in Neukölln: So in echt jetzt, als Doku
> „Frontal 21“ verfällt in Neukölln-Stereotype. Kriminelle Araber hier,
> Weiße in Wohnungsnot da. Als hätte „4 Blocks“ für die Sendung Pate
> gestanden.
Bild: … und zwischen allem ein müde aussehender Bürgermeister: Martin Hikel
Man wird das Gefühl nicht los, dass beim ZDF die senderübergreifende
Marketingmaschinerie läuft wie geschmiert. Als ob man sich gesagt hat: Die
zweite Staffel der preisgekrönten Dramaserie „4 Blocks“ über kriminelle
arabische Clans in Neukölln startet Ende August bei ZDFneo – lass mal was
über kriminelle Clans in Neukölln machen, aber so in echt jetzt, als Doku.
Der Trailer für die neue Staffel beginnt denn auch mit dem Satz des
Clanchefs: „Berlin gehört jetzt uns, keiner kommt an uns vorbei.“
Und hier der Titel der „Frontal 21“-Reportage, die heute Abend im
Hauptprogramm läuft: „Mein Haus, mein Kiez, mein Clan – Wem gehört
Neukölln?“ Mag Zufall sein, ja. Aber der Appeal des „4 Blocks“-Erfolgs
färbt die ganzen 45 Minuten ein. Von der ersten Minute an.
[1][Martin Hikel], 33, seit ziemlich genau einem Jahr Bezirksbürgermeister
in Neukölln, sitzt im Fond seiner Dienstlimousine, lässt sich zum Rathaus
fahren – und über die Anlage wummern die US-HipHopper CunninLynguists und
rappen passenderweise „Everybody Running Wild / What the fuck is going on“.
Was the fuck los ist, sagt Hikel: Clan-Kriminalität sei „eine
Herausforderung“, klar – Schnitt – und das „Thema Mieten“ sei auch �…
Herausforderung“. Neukölln, das suggeriert denn auch der erste Teil, steht
fürs Dunkle, mit nächtlichen Razzien in Spielhallen und Schischabars, Hikel
mit schutzsicherer Weste dabei. Die Botschaft: [2][Hier ist es vor allem
gefährlich, überall kriminelle Araber.]
## Schwarz-Weiß-Fernsehen
So schwarz-weiß wie die zackigen Grafiken, die den Film durchziehen, ist er
auch gebaut. Nuancen in der Berichterstattung, ach was. Vom Format her
kommt er als Hikel-Porträt zum Einjährigen daher – dabei zeigt der Beitrag
vor allem, was Neukölln aus Sicht der Autor*innen Christian Esser und Anne
Herzlieb ausmacht: das Gegeneinander von „kriminellen Clans“ und
„Mieterverdrängung“. Als gäbe es einen Kausalzusammenhang. Dass Hikel
später betont, das Problem sei hausgemacht, weil Berlin so viele
landeseigene Wohnungen nach der Finanzkrise verscherbelt hat, bekommt kaum
Raum als Gegenargument.
Klar, es gebe zwar in Neukölln 20 Clans mit rund 1.000 Mitgliedern, rechnet
das Autorenteam vor, und nur ein Teil davon – in der Grafik färbt sich ein
Figürchen in einer Gruppe rot ein – sei kriminell. Das implizite „Aber“
lassen sie dann aber für den ganzen Film in der Luft hängen.
Hikel muss es später, da ist der Film zur Hälfte rum, sogar extra
ausbuchstabieren: „Ich würde die Frage der Clankriminalität [vom Thema
Verdrängung] ein Stück weit trennen“, sagt er: „Es ist Konsens, dass die
Stadt nicht den Clans gehört. Das ist eine soziale Frage.“
Der Film tut so, als wäre Verdrängungsdruck etwas, das nur Weiße verspüren,
Studentinnen wie Heilerzieher, die sich im Häuserkampf zusammenschließen,
auf dass der Bezirk die Gebäude selbst kauft. Die Nichtweißen im
vielfältigsten Raum der ganzen Bundesrepublik gibt es in diesen 45 Minuten
nur als Verdächtige, als Kriminelle – und, gut, als einen Boxtrainer, der
Jugendliche vor der Kriminalität bewahren will. Das macht dann doch etwas
sprachlos.
## Statements am Rande
Die Akteure auf der anderen Seite der Wohnmisere sind eine Randnotiz: eine
Podiumsdiskussion mit weißen Männern in Anzügen, Vertreter der
Immobilienwirtschaft und Hikel. Einer sagt etwas von Wohnungen für 6,79
Euro pro Quadratmeter kalt, die Mittelschicht könne sich das wirklich
leisten, das Wort Milieuschutz wirkt wie die Apokalypse, und auf die Frage,
ob die Politik sie bei der Arbeit störe, sagt einer: „Berlin funktioniert
trotz der Politik.“ Dass sich die Investigativreporter von „Frontal 21“
hier mit Statements am Rande eines Panels abspeisen lassen, ist dann doch
absurd.
Bisschen seltsam auch: Der Name von Hikels Vorgängerin, Franziska Giffey,
fällt kein einziges Mal. Sie, die sich mit ihrem beherzt-freundlichen „Law
and Order“-Ansatz so viel Respekt eingehandelt hat, dass sie direkt
Bundesfamilienministerin wurde. Hikel, zuvor zwei Jahre
SPD-Fraktionsvorsitzender in Neukölln, sieht nach einem Jahr im Amt vor
allem müde aus. Dass er sich bemüht, überall präsent zu sein, kauft man ihm
ab. „Politik kann ’ne ganze Menge gestalten, definitiv“, sagt er. Es
klingt, als ob er weiß, dass man auch das Banale heute deutlich aussprechen
muss.
16 Jul 2019
## LINKS
[1] /Bekaempfung-Clankriminalitaet-Berlin/!5534726
[2] /Grossrazzien-in-Berlin-Neukoelln/!5587218
## AUTOREN
Anne Haeming
## TAGS
Neukölln
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