# taz.de -- Bekämpfung Clankriminalität Berlin: Neukölln geht voran | |
> Innenausschuss diskutiert nach dem Fall Nidal R. über Clankriminalität: | |
> Neuköllns Bürgermeister preist die Null-Toleranz-Linie in seinem Bezirk. | |
Bild: Das Wandbild für den ermordeten Nidal R., bevor es übermalt wurde | |
Zwei Wochen ist es her, dass der 36-jährige Intensivtäter Nidal R. am | |
Tempelhofer Feld mit mehreren Schüssen getötet wurde. Am Montag befasste | |
sich der Innenausschuss des Abgeordnetenhauses in einer Anhörung mit dem | |
Thema Organisierte Kriminalität (OK) und Clankriminalität. Zu den geladenen | |
Experten gehörte der Bürgermeister von Neukölln, Martin Hikel (SPD). Die | |
Tat am helllichten Tag auf offener Straße sei eine neue Qualität, so Hikel. | |
„Das sollte uns aufrütteln.“ | |
In Neukölln gibt es laut Hikel „circa acht kriminelle Clans“ mit rund 1.000 | |
Familienangehörigen. Damit wolle er nicht sagen, dass alle diese Menschen | |
kriminell seien, „sondern dass Menschen, die aus diesen Familien kommen, | |
kriminell geworden sind“. Nidal R. sei mit keiner dieser Großfamilien | |
verwandt gewesen, habe aber für eine der Familien als „Dienstleister“ | |
fungiert. Polizei und Landeskriminalamt verwenden den Begriff | |
Clankriminalität nicht. Dort spricht man von einer Kriminalität durch | |
arabischstämmige Strukturen beziehungsweise arabischstämmigen | |
Tatverdächtigen. „Wir müssen in der Sprache klar sein und brauchen ein | |
entschlossenes Handeln“, warb Hikel am Montag dafür, sich auf den Begriff | |
Clankriminalität zu verständigen. | |
Mit einem eigenen Staatsanwalt vor Ort, der ausschließlich für | |
arabischstämmige Tatverdächtige zuständig ist, sowie gemeinsamen | |
Schwerpunkteinsätzen von Polizei, Ordnungsamt und Jugendamt geht Neukölln | |
seit Jahren einen Sonderweg bei der Bekämpfung krimineller Strukturen. „Es | |
geht um Null-Toleranz“, so Hikel. Er verdeutlichte das am Beispiel von | |
Razzien in Shishabars und Wettbüros. Von einigen dieser Einrichtungen – | |
„nicht von allen“ – gingen kriminelle Aktivitäten aus. Für viele | |
Jugendliche, aber auch für viele kriminelle Clanangehörige seien diese Bars | |
eine Art Wohnzimmer. Straftaten würden dort geplant, Jugendliche drohten | |
dort ins Milieu abzudriften. „Wir ahnden alles“, pries Hikel die Neuköllner | |
Politik ständiger Nadelstiche. Das reiche von der Überprüfung und dem | |
Einzug der Schankerlaubnis bis zu Durchsuchungen wegen Drogen und Waffen. | |
Oberstaatsanwältin Petra Leister leitet bei der Staatsanwaltschaft Berlin | |
eine der insgesamt vier OK-Abteilungen. Einbrüche bei Sparkassen und | |
Juwelieren hätten in den letzten Jahren stark zugenommen, sagte Leister bei | |
der Anhörung. Vertrauliche Informationen und DNA-Spuren hätten oftmals auf | |
eine Tatbeteiligung von Angehörigen arabischer Clans hingewiesen, aber für | |
einen Tatnachweis reiche das nicht aus. Dazu komme, dass die | |
Tatverdächtigen immer jünger würden und somit vor Jugendgerichte kämen. | |
Heranwachsende werden in der Regel milder bestraft. | |
Das Konzept, nach dem die Strafverfolgungsbehörden inzwischen arbeiten, sei | |
da erfolgversprechender, so Leister. Man ermittle jetzt deutlich länger | |
gegen einzelne Tatverdächtige und sammele Verfahren, bevor es zur Festnahme | |
und Anklage komme. Auch das Gesetz, das eine Vermögensabschöpfung | |
ermögliche, werde verstärkt angewendet. Autos, teure Uhren würden genauso | |
beschlagnahmt wie Konten und Bargeld: „Irgendwelches Geld findet man immer, | |
ohne dass eine Person einer geregelten Arbeit nachgeht.“ Im Sommer hat die | |
Staatsanwaltschaft 77 Immobilien beschlagnahmt, die Clanmitglieder mit | |
Geldern aus Straftaten erworben haben sollen. | |
Polizeipräsidentin Barbara Slowik bezeichnete das Neuköllner Modell am Ende | |
der Anhörung als beispielhaft: „Das werden wir vertiefen.“ Priorität für | |
die Polizei habe aber weiterhin die Bekämpfung islamistischer Gewalttaten. | |
24 Sep 2018 | |
## AUTOREN | |
Plutonia Plarre | |
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