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# taz.de -- 2. Bikini- und Badehose Bicycle Ride: Ungeschützter Verkehr
> So nackt wie möglich demonstrieren Fahrradfahrer*innen in Berlin. Sie
> wollen zeigen, wie verletzlich sie und Fußgänger*innen sind.
Bild: Beim ersten Bikini- und Badehose Bicycle Ride im letzten Jahr
Auch das ist ein Gefühl von Sommer: wenn die Sonnenstrahlen nicht nur die
Nasenspitze kitzeln, sondern auch den Bauchnabel, wenn eine leichte Brise
nicht nur die Haare zerzaust, sondern auch die Oberschenkel und Schultern
umschmeichelt. Etwas von diesem Sommergefühl wollen die Veranstalter*innen
des zweiten [1][Berlin Bikini- und Badehose Bicycle Ride] aus vom Badesee
in die Stadt holen. Und dabei außerdem für mehr Sicherheit im Stadtverkehr
und gegen Bodyshaming und die Vorherrschaft des Autos in der Stadt
protestieren. Sie laden daher für Sonntag dazu ein, möglichst leicht
bekleidet an ihrer Radtour durch Friedrichshain und Kreuzberg sowie Mitte
teilzunehmen.
Die Fahrraddemo ist angelehnt an den World Naked Bike Ride, mit dem
Aktivist*innen unter dem Motto „As bare as you dare – so nackt, wie du dich
traust“ seit 2003 in Städten unter anderem in den USA, Kanada, Brasilien,
Mexiko und Spanien für mehr Sicherheit im Straßenverkehr und ein positives
Körpergefühl demonstrieren.
Ganz nackig machen dürfen sich die Radler*innen in Berlin allerdings nicht,
zum leichten Bedauern von Initiatorin Katja Täubert vom Verkehrsclub
Deutschland. Denn anders als in anderen Städten erlauben es die hiesigen
Versammlungsbehörden nicht, den Protest tatsächlich komplett nackt
durchzuführen. Dies gilt in Deutschland als Belästigung der Allgemeinheit.
Frauen dürfen bei der Demo etwa keine nackten Brüste zeigen.
„Ich hätte es schon begrüßt, wenn die Behörden im Sinne des Protests eine
Ausnahme gemacht und es uns erlaubt hätten, ganz nackt zu fahren“, sagt
Täubert. „Ich werde nun alle Männer bitten, aus Solidarität ein
Bikini-Oberteil zu tragen. Oder sich zumindest eins aufzumalen. Dann ist es
zumindest halbwegs gleichberechtigt.“ Trotzdem verfehlt die Demo auch mit
Bikini und Badehose Täuberts Ansicht nach nicht ihr Ziel. „Wir wollen
darauf aufmerksam machen, wie verletzlich Fahrradfahrer*innen im
Straßenverkehr sind“, so Täubert.
## „Brauchen geschützte, sichere Infrastruktur“
„Mit Helm und gelber Weste wirken Radfahrer*innen gut gewappnet“, sagt auch
Ragnhild Sørensen vom Verein Changing Cities, dies sei im Alltag auf den
Straßen aber ein Trugschluss. Der Verein ist aus dem Netzwerk
hervorgegangen, das den Volksentscheid Fahrrad 2017 organisiert und das
Mobilitätsgesetz mitverhandelt hatte und beteiligt sich ebenfalls an der
Demo. „Als Radfahrer*innen und auch Fußgänger*innen fahren und laufen wir
nur mit unserer Haut als äußerem Schutz herum. Deshalb brauchen wir eine
geschützte, sichere – und komfortable – Infrastruktur.“
Mit dem Mobilitätsgesetz, das der Senat vor gut einem Jahr auf den Weg
gebracht hatte, sei zwar der Rahmen gesetzt. „Aber es geht langsamer und
ist viel mühsamer, als wir anfangs dachten“, sagt Sørensen. „Das Gesetz
liegt vor, das Geld ist auch da. Nun müssen wir die Verkehrsplanung
komplett neu denken.“ Sie wünsche sich ein klareres Bekenntnis vom Senat –
und mehr Tempo. „Die Politik muss die Bürger*innen auf ihre Seite bringen.
Einige glauben noch immer, dass sie ein Recht auf einen Parkplatz vor ihrer
Tür haben“, sagt Sørensen.
Für Carolina Mazza vom [2][Purple Ride] ist noch ein anderer Aspekt bei der
Fahrraddemo wichtig. „Als Frau überlege ich mir gut, ob ich eine kurze Hose
oder einen kurzen Rock zum Radfahren anziehe. Selbst wenn ich das
vielleicht viel bequemer oder angenehmer finde, laufe ich damit eventuell
Gefahr, belästigt zu werden“, sagt sie.
Der Purple Ride versteht sich als feministische Critical Mass, die sich in
erster Linie an Frauen, Lesben, Trans-, Non-Binary- und Inter-Personen
richtet. Die Gruppe war zum ersten Mal zum Frauentag am 8. März mit nach
eigenen Angaben rund 500 Teilnehmer*innen größer in Erscheinung getreten.
Inzwischen fahren sie einmal im Monat vom Mariannenplatz aus mit 30 bis 50
Teilnehmer*innen durch Berlin.
„Es ist nicht egal, ob ich als Frau oder als Mann im Straßenverkehr
unterwegs bin“, sagt Mazza. „Ich merke, dass ich andere, frauenfeindliche
Schimpfwörter abbekomme, und habe auch schon erlebt, dass ich als
Verkehrsteilnehmerin gar nicht richtig ernst genommen werde, zum Beispiel
als sich der Autofahrer in einem Konflikt an meine männlichen Begleiter
gewendet hat und über mich gesprochen hat, als sei ich gar nicht da oder
nicht erfahren genug“, sagt sie. Daher wendet sich der Protest von Purple
Ride auch ausdrücklich gegen Sexismus, gegen Machokultur und Mansplaining
im Straßenverkehr.
14 Jul 2019
## LINKS
[1] https://www.vcd.org/service/presse/pressemitteilungen/erster-berlin-bikini-…
[2] https://www.facebook.com/events/1125878330954245/
## AUTOREN
Uta Schleiermacher
## TAGS
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