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# taz.de -- Karstadt am Neuköllner Hermannplatz: Neuer Luxus am Hermannplatz
> Anstelle des jetzigen Karstadt soll der alte Prunkbau wieder auferstehen.
> Die Politik fordert Bürgerbeteiligung, der erste Protest formiert sich
> schon.
Bild: So wie es war, soll es wieder sein: Karstadt-Gebäude am Herrmannplatz
Berlin taz | Schaut man nicht vom Hermannplatz auf das Karstadtgebäude,
sondern geht ums Eck in die Hasenheide, sieht man noch, wie es einmal war:
ein wuchtiger Turm in Gestalt des 1920er Jahre Art déco. Es ist das einzig
verbliebene Zeugnis des einst modernsten und größten Warenhauses Europas,
das zum Ende des Zweiten Weltkrieges von den Nazis zerstört wurde.
Die alten Überreste sind aber auch eine Folie dafür, wie es wieder werden
könnte. Denn geht es nach der Eigentümergesellschaft Signa Holding wird der
jetzt bestehende Nachkriegsbau abgerissen – an seine Stelle soll ein
monumentales Gebäude treten, das die alte Architektur aufnimmt und neu
interpretiert. Der Entwurf stammt vom britischen Architekten David
Chipperfield, der in Berlin etwa das Neue Museum wiederhergestellt hat.
Die Idee sieht einen siebengeschossigen Bau vor, aus dem beidseitig zwei
Türme emporsteigen sollen – bis zu einer Gesamthöhe von 71 Metern, dazu
zwei Türme mit Lichtsäulen. Nach altem Vorbild soll es eine öffentliche,
4.000 Quadratmeter große Dachterrasse geben. Anders als früher soll die
Fassade nicht aus Muschelkalk, sondern aus Betonelementen bestehen.
Und [1][Karstadt] wäre nur noch ein Mieter unter vielen, untergebracht auf
drei bis vier Etagen in einer Gebäudehälfte – ein Drittel seiner
derzeitigen Verkaufsfläche würde das Warenhaus abgeben. Viel Platz, ganze
80.000 Quadratmeter, blieben übrig für Büros, ein Hotel und Gastronomie.
Die Rede ist von Gesamtkosten von 450 Millionen Euro, eine Eröffnung wäre
frühestens 2024 denkbar.
Bei der Vorstellung im Bauausschuss im Mai im ehemaligen Kreuzberger
Rathaus an der Yorckstraße war zudem die Rede von einer „Halle als Forum
der Kieze“. Hier könnten Angebote für die Nachbarschaft ihren Platz finden,
denkbar wären auch Räume für eine Bibliothek oder einen Kindergarten.
## „Ansnprechender Entwurf“
Neuköllns Bürgermeister Martin Hikel (SPD) sagt auf Anfrage der taz, er
finde den Entwurf „architektonisch sehr ansprechend“. Der Investor habe
seine Pläne auch schon im Bezirksamt vorgestellt, dabei gehört nur die
Umgebung zu Neukölln – das Gebäude selbst steht auf Kreuzberger Grund. Der
Bau sei „eine Chance für den Bezirk“, so Hikel, „allerdings kommt es dar…
an, welche Nutzung er enthält“.
Von Kreuzberger Seite, vor allem von Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne),
gab es unmittelbar nach der erstmaligen Ankündigung der Pläne im März die
kalte Schulter. Auf Twitter schrieb er, „dass ohne Einbindung
nachbarschaftlicher Interessen, Bürgerbeteiligung, Kompensation,
Aufwertung, Wohnumfeld und Auswirkungen auf Gewerbe und Ökologie hier gar
nichts geht“. Auf Nachfrage stellt Schmidt klar: das Vorhaben bräuchte
einen Bebauungsplan. Ob dieser überhaupt kommt, sei nicht entschieden,
aktuell werde das Projekt im Bezirksamt bewertet.
Hikel, der sich öffentlich bislang eher wohlwollend zum Projekt äußerte,
schließt sich an: „Einfach abreißen und neu bauen geht bei so einem
komplexen Umbau nicht.“ Wichtig sei, was die Anwohner möchten. Mit Blick
auf das Kleingewerbe insbesondere in der Karl-Marx-Straße lehnt Hikel ein
Einkaufszentrum ab: „Eine klassische Mall stünde in direkter Konkurrenz zum
Kleingewerbe und würde die Straße kaputt machen.“ Dies müsste der Investor
bedenken, andernfalls „kann es in den Bezirken keine Zustimmung geben“.
Laut Hikel habe der Investor seine Bereitschaft angekündigt, ein
Beteiligungsprozess zu initiieren.
## Proteste angekündigt
Ein Spaziergang wird das für Signa sicher nicht werden, denn die Kritiker
formieren sich schon. Die selbst organisierte Neuköllner Kiezversammlung 44
hat die „Initiative gegen den Abriss von Karstadt“ ins Leben gerufen, deren
Aufruf bereits mehr als 20 stadtpolitische Gruppen unterschrieben haben.
Darin heißt es: „Es muss unbedingt verhindert werden, dass die Signa
Holding in Kreuzberg/Neukölln ein solches Großprojekt realisiert.“
Wolfgang Weber, einer der Initiatoren, sagt zur taz: „Wir sind gegen eine
weitere Aufwertung des Bezirks. Diese führt letztlich dazu, dass sich
Menschen ihre Wohnungen nicht mehr leisten können und auch die
Gewerbemieten weiter steigen.“ Weber spricht von einem „Konsumtempel“ und
„Prunkbau“ und befürchtet, dass durch den Bezirk eine „Luxusschneise
geschlagen“ werde.
Ebenso wie Hikel sorgen sich die Kritiker um das Schicksal der etwa 100
Karstadt-Beschäftigten. Wie es für diese während eines Umbaus weitergehen
würde, ist nicht klar. Für Samstag hat die Initiative ihr zweites
Planungstreffen angekündigt, auf dem sie ihre nächsten Protestschritte
besprechen will.
Ein Problem für die Umbaupläne der Signa Gruppe, die zu den größten
Handelsunternehmen Europas zählt, könnten die angeblichen politischen
Vorlieben des Firmengründers René Benko werden. Heinz-Christian Strache,
damaliger Vizekanzler und Vorsitzender der rechten FPÖ, hatte in einem
heimlich aufgenommenen Video [2][behauptet, dass Benko über einen
Tarnverein an die FPÖ spenden würde]. Beide hatten im Nachhinein
dementiert, inzwischen ermittelt aber die österreichische Wirtschafts- und
Korruptionsanwaltschaft.
Neuköllns Bürgermister Hikel sagt dazu: „Jetzt muss durch die
österreichische Staatsanwaltschaft geklärt werden, ob da was dran ist“, und
fügt hinzu: „Wenn das stimmt, dann passt das nicht in den Kiez.“
12 Jul 2019
## LINKS
[1] /Sanierungskonzept-von-Karstadt/!5014094&s=Benko/
[2] /Regierungskrise-in-Oesterreich/!5596341&s=Benko/
## AUTOREN
Erik Peter
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