Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Karstadt-Gebäude in Neukölln: Kampf um den Hermannplatz
> Der geplante Neubau des Karstadt-Warenhauses am Hermannplatz erhitzte die
> Gemüter. Ein Masterplan soll die Details des Vorhabens festlegen.
Bild: Wenn es nach Immobilienhai Signa geht, soll das Berliner Warenhaus im neu…
Berlin taz | René Benko, milliardenschwerer Gründer des Immobilien- und
Handelsunternehmens Signa, ist dafür bekannt, seine Großprojekte auch gegen
beachtliche politische und gesellschaftliche Widerstände durchzusetzen.
Dem Ziel, die Karstadt-Filiale am Hermannplatz abzureißen und durch einen
Neubau nach historischen Vorbild der 20er Jahre zu ersetzen, dürfte Benko
nach einem umstrittenem Deal mit dem Senat im August einige Schritte
nähergekommen sein. Aber auch auf Bezirksebene und in den sozialen Medien
versucht Signa weiterhin, Unterstützung für die Neubaupläne zu
mobilisieren.
Während die [1][Umsetzung des umstrittenen Signa-Deals] noch auf sich
warten lässt, erhöhte zuletzt die Neuköllner SPD den Druck auf den
Nachbarbezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Ende November beschloss sie
gemeinsam mit der CDU-Fraktion im Stadtentwicklungsausschuss der
Bezirksverordnetenversammlung (BVV) einen Antrag, in dem das Bezirksamt
dazu aufgefordert wurde, die Planungshoheit an den Senat zu übergeben.
Entgegen gängiger Praxis wurde der Antrag nicht im Vorfeld öffentlich
gemacht.
Das sei zwar legal, aber „behindert die breite öffentliche
Auseinandersetzung mit konträren Positionen,“ kritisiert Marlis Fuhrmann,
stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion Neukölln, das
Vorgehen der Sozialdemokraten.
## Die SPD fordert einen Umschlagplatz für Lastenräder
Die SPD bringe immer wieder Anträge ein, in denen Signa bei der zukünftigen
Gestaltung des Hermannplatzes ausdrücklich mit eingebunden wird.
Beispielsweise fordert ein anderer SPD-Antrag in derselben Sitzung, dass in
dem neu gebauten Karstadtgebäude „Micro-Hubs“ genannte Umschlageplätze f�…
Lastenräder entstehen sollen.
Der Lockdown im März hatte das ohnehin schon kriselnde Warenhausunternehmen
Galeria Karstadt Kaufhof hart getroffen. Im April leitete der Mutterkonzern
Signa ein Schutzschirmverfahren ein, das Anfang Juli schließlich zu einem
vollwertigen Insolvenzverfahren ausgeweitet wurde. Im Zuge der Sanierung
sollten auch sechs der elf Filialen in Berlin geschlossen werden.
In harten Verhandlungen konnte der Senat Signa Garantien für vier der
Standorte abringen. Im Gegenzug sollte der Senat dem Konzern bei der
Umsetzung einiger bislang umstrittener Bauprojekte entgegenkommen, unter
anderem beim Neubau am Hermannplatz.
In der im August vorgestellten Absichtserklärung („Letter of Intent“) hieß
es, der Senat solle das Bebauungsplanverfahren an sich ziehen – somit
könnte die Absage übergangen werden, welche Friedrichshain-Kreuzbergs
Baustadtrat [2][Florian Schmidt] (Grüne) dem Projekt bereits 2019 erteilt
hat. Schmidt begründete die Absage unter anderem mit der Befürchtung, mit
dem Neubau würde lediglich eine Shoppingmall mit historischer Fassade
entstehen, die den umliegenden Einzelhandel kannibalisieren würde.
Um die begründeten Sorgen des Bezirks nicht einfach in den Wind zu
schlagen, soll gemäß der Absichtserklärung ein Masterplan unter
Einbeziehung der betroffenen Bezirke und der Zivilgesellschaft erstellt
werden. In dem Plan soll genauer festgelegt werden, wie der Hermannplatz
und seine Umgebung in Zukunft weiter entwickelt werden sollen.
Der Deal wurde auch innerhalb der Koalition scharf kritisiert, es war von
„Erpressung“ die Rede. Tatsächlich stand die Schließung der als umsatzsta…
geltenden Filiale am Hermannplatz nie ernsthaft zur Debatte.
## Vielleicht gibt es keinen Abriss
Knapp fünf Monate nach Abschluss des Deals ist noch nicht allzu viel
passiert. Auf Anfrage der taz teilt Katrin Dietl, Pressesprecherin der
Senatsentwicklung für Stadtentwicklung und Wohnen, mit: „Derzeit wird in
einer Vorphase diskutiert, wie das Masterplanverfahren ausgestaltet werden
kann.“ Das eigentliche Verfahren solle im nächsten Jahr beginnen.
Unklar sei auch, in welcher Form die Zivilgesellschaft beteiligt wird. Dass
es ein „breit angelegtes Partizipationsverfahren“ geben werde, stehe aber
außer Frage, so Dietl. Auch solle das Verfahren „definitiv ergebnisoffen“
sein, das heißt, ein Abriss und Neubau des Gebäudes würden nicht von
vornherein feststehen.
Die Aktivist*innen der Initiative Hermannplatz haben daran angesichts des
bisherigen Ausmaßes politischer Einflussnahme durch Signa ihre Zweifel:
„Eine solche Machtungleichheit lässt keine echte Beteiligung zu“,
kritisiert Sprecherin Helena Rafalsky. Intern habe man viel darüber
diskutiert, ob man sich als Initiative an dem offiziellen Verfahren
beteiligen wolle: „So ein Verfahren ist nicht wirklich dazu da, Beteiligung
zu ermöglichen, sondern Konflikte einzuebnen“, meint Rafalsky.
Signas Ankündigung vor fast zwei Jahren, das eher schmucklose Warenhaus am
Hermannplatz durch eine Rekonstruktion des monumentalen Art-déco-Baus von
1929 zu ersetzen, sorgte für zwiespältige Reaktionen.
## Kritiker*innen fürchten steigende Mieten im Umfeld
Befürworter*innen, wie etwa Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel
(SPD), sehen das Projekt als Chance, den bislang als schmuddelig geltenden
Hermannplatz aufzuwerten. Zu einem „Wohlfühlort für alle“ solle der Platz
werden, formulierte es Hikel zuletzt bei einer Podiumsdiskussion im
September.
Kritiker*innen wie die Initiative Hermannplatz, die sich als Reaktion auf
Signas Pläne gründete, fürchten hingegen, ein prestigeträchtiger Neubau
würde die Mieten in die Höhe treiben und zur weiteren Verdrängung des
umliegenden Kleingewerbes führen.
Besonders in den sozialen Medien versucht Signa daher, die öffentliche
Meinung mit der dialogorientierten [3][Kampagne „Nicht ohne euch“] zu ihren
Gunsten zu drehen. Der Konzern scheint dabei nichts unversucht zu lassen,
um die Argumente seiner Kritiker*innen zu entkräften. So präsentiert sich
das Unternehmen als besonders nachhaltig und verspricht, Beton zu recyceln
und altes Baumaterial wiederzuverwenden.
Für die Aktivist*innen offenbart die Kampagne, dass es bei dem Projekt
nicht nur um ein neues Gebäude geht: „Sie wollen Einfluss auf den gesamten
Kiez und seine Umgebung“, schätzt Rafalsky die Gebaren des
Immobilienkonzerns ein. „Signa ist Investor, kein Stadtplaner“, kritisiert
auch Marlis Fuhrmann die Ambitionen des Unternehmens. „Aber sie fühlen sich
scheinbar zuständig.“
28 Dec 2020
## LINKS
[1] /Karstadt-und-der-Hermannplatz/!5709346
[2] /Ermittlungen-gegen-Stadtrat-eingestellt/!5734711
[3] https://www.signa.at/de/news/nicht-ohne-euch-signa-praesentiert-ueberarbeit…
## AUTOREN
Jonas Wahmkow
## TAGS
Karstadt
Hermannplatz
Luxussanierung
Karstadt
Stadtentwicklung
Hermannplatz
Online-Shopping
Hermannplatz
Gentrifizierung
DDR
Lesestück Recherche und Reportage
Karstadt
Karstadt
## ARTIKEL ZUM THEMA
Geplanter Karstadt-Umbau: Disney am Hermannplatz
Der Senat schafft Fakten zu Signas Plänen am Hermannplatz. Im
Stadtentwicklungsausschuss gibt es viel Kritik.
Umstrittener Umbau von Karstadt: Signa mauert am Hermannplatz
Der Karstadt-Neubau in Berlin-Neukölln soll größer werden als angekündigt.
Die Flächen fürs Gemeinwohl fallen hingegen kleiner aus.
Kaufhausumbau am Hermannplatz: Ohne Beteiligung geplant
Der neue Stadtentwicklungssenator will Tempo machen bei der Umgestaltung am
Hermannplatz. Damit ebnet er dem Unternehmer René Benko den Weg.
Krise bei Galeria Kaufhof Karstadt: Auf ein Neues
Mit neuem Konzept will der Warenhauskonzern aus der Krise. Filialen sollen
umgebaut werden – und Karstadt und Kaufhof als Marken verschwinden.
Berliner Hilfe für Obdachlose: Die guten Dealer von Neukölln
Viermal in der Woche kommt Stephan May zum Berliner Hermannplatz. Rund 150
Menschen werden mit einer warmen Mahlzeit versorgt. Das kommt gut an.
Brauereigelände vergammelt seit Jahren: Erst mal nur gut eingepackt
Eine alte Brauerei in Friedrichshain steht seit neun Jahren völlig leer.
Baumaßnahmen vielleicht ab Sommer. Künstlerkollektiv hofft auf
Wiedereinzug.
Ehemalige FDJ-Schule verfällt immer mehr: Am See mit Geschichtsblick
Ein geschichtsträchtiger Ort: Am Bogensee gibt es unterschiedliche
Interessen, was mit Hinterlassenschaften aus Nazi- und DDR-Zeiten passieren
soll.
Streit um Wiederaufbau von Karstadt: Der alte Glanz vom Hermannplatz​
In Berlin soll zwischen Kreuzberg und Neukölln das alte Karstadt-Gebäude
rekonstruiert werden. Anwohner protestieren: Sie fürchten soziale Folgen.
Karstadt am Neuköllner Hermannplatz: Neuer Luxus am Hermannplatz
Anstelle des jetzigen Karstadt soll der alte Prunkbau wieder auferstehen.
Die Politik fordert Bürgerbeteiligung, der erste Protest formiert sich
schon.
Zusammenlegung von Warenhäusern: Karstadt will Kaufhof übernehmen
Karstadt-Eigner Signa hat eine milliardenschwere Offerte für Kaufhof
vorgelegt. Doch der Kaufhof-Mutterkonzern Hudson's Bay sagt, er habe keine
Verkaufsabsichten.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.