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# taz.de -- Gendern lernen für JournalistInnen: Mehr als nur Sternchen
> Gendergerechte Sprache in Wort, Bild und Video? Der Journalistinnenbund
> will mit dem Angebot genderleicht.de dafür sensibilisieren.
Bild: Kleines *, große Wirkung
„Kopftuchverbot für Arbeitnehmer“, titelte Tagesschau im Januar 2019. Dabei
ging es weder um Wintermode für Männer noch um Palitücher, sondern um eine
junge Muslima, die nach ihrer Elternzeit mit neuer Kopfbedeckung bei ihrem
langjährigen Arbeitgeber erschienen war. Die Filialleiterin der
Drogeriemarktkette verbot ihr, weiter an der Kasse zu arbeiten, der Fall
landete vor dem Bundesarbeitsgericht. [1][Die Journalistin Teresa Bücker
twitterte einen Screenshot] der Tagesschaumeldung und schrieb: „Warum
Nachrichten-Medien geschlechtergerechte Sprache verwenden sollten. Und zwar
sofort.“
Um Fälle wie diesen zu vermeiden und JournalistInnen, aber auch anderen
Menschen, die mit Text und Bild arbeiten, Werkzeuge für gendersensible und
zeitgemäße Berichterstattung an die Hand zu geben, geht nun die neue
Plattform genderleicht.de des Journalistinnenbunds am 28. Juni um 17.30 Uhr
online. Sie füllt eine Lücke: Zwar gibt es Studien, Broschüren und
Handlungsleitfäden von Universitäten oder Landesregierungen, die zum Teil
auch online zu finden sind. Doch die Seite ist das erste Portal im
deutschsprachigen Raum, das sich umfassend mit Zugängen zu
geschlechtersensibler Sprache auseinandersetzt.
[2][Genderleicht.de] versteht sich als Serviceangebot: Anhand des aktuellen
Debattenstands stellt die Seite Ansätze einzelner Medien vor, verlinkt auf
Texte übers Gendern und trägt vor allem Tipps für gendersensibles Sprechen
und Schreiben zur freien Auswahl zusammen. „Wir wollen ganz praktisch
sagen: Wenn du Journalist*in bist, findest du hier einen Weg, um
geschlechtersensibel zu arbeiten – egal ob für lokale Medien, Mainstream
oder YouTube“, sagt Projektleiterin Christine Olderdissen vom
Journalistinnenbund, die selbst als freie Fernsehjournalistin arbeitet.
Der Journalistinnenbund setzt sich für Qualitätsjournalismus und
Frauenrechte ein und fordert unter anderem eine 50-Prozent-Quote in den
ChefInnenetagen von Medienunternehmen. Gefördert wird das Projekt für zwei
Jahre vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
## „Gendern geht viel weiter“
„Sprechen“, „Schreiben“, „In den Medien“ oder „Tipps und Tools“…
Menüpunkte auf der Website, ein Blog wird auf aktuelle Ereignisse
reagieren. Per Audiodatei liest eine Sprecherin vor, wie Sprechen mit Lücke
geht: die Lücke in JournalistIn wird gesprochen wie die Lücke in Theater
zwischen e und a. Geschlechtsneutrale Anreden wie „Liebe Mitarbeitende“
oder Schreibtipps wie „Arbeiten Sie mit Partizipien“ werden vorgestellt,
also zum Beispiel „herausgegeben von“ statt „Herausgeber“. „Es reicht
nicht, überall ein Sternchen dranzuklatschen“, sagt Olderdissen. „Gendern
geht viel weiter.“
Für Menschen, die sich schon mal mit Sprache und gendern beschäftigt haben,
gibt die Seite wenig Neues her, aber den Anspruch hat sie auch nicht. Viel
eher will sie diejenigen informieren, die das bisher noch nicht getan haben
– und wird damit ein weiterer Schritt auf dem Weg zur
Selbstverständlichkeit des Genderns sein. Dass gendern sinnvoll ist, haben
Studien längst gezeigt: Menschen stellen sich männliche Ärzte und Apotheker
vor, wenn nur das generische Maskulinum benutzt wird. Mädchen trauen sich
eher zu, Ingenieurin zu werden, wenn auch die weibliche Form genutzt wird
und nicht nur behauptet wird, der Rest der Welt sei eben „mitgemeint“.
Und trotzdem werden in- und außerhalb von Redaktionen noch immer
Glaubenskriege ums Gendern ausgefochten. Zwar gendern mittlerweile zum
Beispiel das Missy-Magazin und Edition F mit Sternchen, wie genderleicht
beschreibt, die Emma mit Binnen-I, Zeit Online, Bento und die taz eher
kreativ und individuell. Und der NDR versucht sich in der Methode
„geschlechtsneutral“. Durchgesetzt allerdings hat sich das Gendern längst
nicht. Auch auf Vorwürfe wie „Das ist doch alles Ideologie!“ hat die Seite
eine Antworte parat: „Das Grundgesetz und hier Artikel 3 bezeichnen wir
nicht als Ideologie“, heißt es etwa unter Bezugnahme auf den allgemeinen
Gleichbehandlungsgrundsatz. „Wir diskutieren die Vorwürfe letztlich nicht,
aber wir zeigen Haltung“, sagt Olderdissen.
28 Jun 2019
## LINKS
[1] https://twitter.com/fraeulein_tessa/status/1090636299252482050
[2] http://genderleicht.de/
## AUTOREN
Patricia Hecht
## TAGS
Gendergerechte Sprache
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Hamburg
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Kampfbegriffe
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