# taz.de -- Debatte über das Gendern: Ästhetisch einwandfrei | |
> Ein Gesetzentwurf probte das generische Femininum. Doch die Männer aus | |
> dem Innenministerium fühlen sich nicht mitgemeint. | |
Bild: Formuliert generisch feminin und manche wollen es nicht verstehen: Justiz… | |
Deutsche Sprache ist männliche Sprache. Wenn in einem Chor von 100 Personen | |
99 Frauen singen und ein Mann, ist es grammatikalisch korrekt, von Sängern | |
zu sprechen. Mit diesem irren Beispiel formulierte die Linguistin Luise | |
Pusch schon vor Jahrzehnten eine feministische Sprachkritik und brachte als | |
Gegenoffensive das durchgängige Benutzen der weiblichen Form ins Spiel – | |
das „umfassende Femininum“. | |
Jetzt gähnen manche, weil diese Debatte doch wirklich ein alter Hut ist. | |
Ein Hut aber, der nun eine überraschende Trägerin gefunden hat: Das | |
[1][generische Femininum] tauchte jüngst in einem Gesetzentwurf zum | |
Sanierungs- und Insolvenzrecht aus dem Hause der Justizministerin Christine | |
Lambrecht (SPD) auf. Es war darin also etwa durchgängig von | |
Geschäftsführerinnen und Verbraucherinnen die Rede. Es folgte natürlich | |
Aufregung über den „Genderwahn“. Quelle: Twitter. | |
[2][Gendern] ist eine Form des Mitmeinens. Zuerst kam in den Achtzigern das | |
Binnen-I. Mittlerweile gibt es auch Gendersternchen oder Doppelpunkt – | |
also: Sänger*innen oder Sänger:innen. Diese Formen inkludieren Personen, | |
die sich weder als Frau noch als Mann definieren. Gesprochen wird das in | |
immer mehr Radiostationen mit einem „Knacklaut“. Die Hauptkritik daran: Das | |
Gendern störe das Lesen und Hören. | |
Diese ästhetische Kritik prallt am generischen Femininum ab. Trotzdem hat | |
das Bundesinnenministerium den Gesetzentwurf abgelehnt – er meine ja nur | |
Frauen und sei damit „höchstwahrscheinlich verfassungswidrig“. In den | |
„Allgemeinen Empfehlungen für das Formulieren von Rechtsvorschriften“ wird | |
zwar gesagt, Frauen sollten bei Gesetzestexten mitgemeint werden – aber | |
wenn es um juristische Personen geht, bitte im [3][generischen Maskulinum]. | |
Doch das funktioniert so nicht. | |
## Auswirkung auf die Berufswahl | |
Denn es gibt sie ja, die Forschung, die belegt, dass Leser*innen selten bei | |
„Polizisten“ und „Wissenschaftlern“ sofort auch an Frauen denken. Das w… | |
sich auch auf die Berufswahl von Kindern aus, wie eine belgische Studie von | |
2015 zeigt. Und es gibt eine Studie von 2007 von Friederike Braun und | |
anderen, die widerlegt, [4][geschlechtergerechte Sprache] mache Texte | |
unverständlich. | |
Liebe Männer, ihr seid herzlich eingeladen, euch beim generischen Femininum | |
mitgemeint zu fühlen. Oder ihr erarbeitet gleich einen progressiven | |
Sprachvorschlag mit nichtbinären Menschen, der alle Geschlechter anspricht | |
und ästhetisch einwandfrei ist. Dann würde diese Sprachdebatte ein gutes | |
Ende finden und keine*r müsste mehr gähnen. | |
13 Oct 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Gesetzesentwurf-im-generischen-Femininum/!5717489 | |
[2] /Geschlechtergerechte-Sprache-an-Unis/!5635403 | |
[3] http://hdr.bmj.de/page_b.1.html#an_110 | |
[4] /Gendern-lernen-fuer-JournalistInnen/!5603664 | |
## AUTOREN | |
Katrin Gottschalk | |
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