| # taz.de -- Ladenöffnung am Sonntag?: Spätis spalten Berlin | |
| > Bei einer Kundgebung fordern Späti-Betreiber, auch sonntags öffnen zu | |
| > dürfen. Rot-Rot-Grün ist bei der Frage uneinig. | |
| Bild: Späti-Betreiber Baba (Mitte) mit der Grünen Anja Kofbinger am Sonntag a… | |
| „Spätis gehören zu Berlin so wie die BVG, der Checkpoint Charlie und der | |
| Mauerpark“, ruft Alper Baba, Neuköllner Späti-Betreiber, am Sonntagmittag | |
| ins Mikrofon. Er steht auf der Ladefläche eines Kleinlasters auf dem | |
| Hermannplatz, hinter ihm eine Europa-Flagge. 200 Leute hören ihm zu. Baba | |
| will seinen Laden auch sonntags öffnen dürfen. Vor zwei Jahren hat er den | |
| Verein Berliner Späti e. V. gegründet, an diesem Sonntag gehen die | |
| Mitglieder zum ersten Mal auf die Straße. | |
| Die Späti-Debatte ist nicht neu, sie nimmt aber gerade wieder an Fahrt auf. | |
| Immer noch stellt sich die Frage: Sollen Spätis ausgenommen werden aus dem | |
| Berliner Ladenöffnungsgesetz, also sonntags ganz legal öffnen dürfen? | |
| Ja, sagt Baba. Vor der Kundgebung spricht er hinter dem Kleinlaster mit den | |
| zahlreich erschienenen Journalisten. Im Hintergrund laufen kurdische und | |
| türkische Lieder. Auf 2.000 schätzt der Verein die Zahl der Spätis in | |
| Berlin, 150 Läden sind im Verein organisiert. Weil der Dialog nichts | |
| gebracht habe, gehe der Späti e. V. an die Öffentlichkeit. Baba sagt: | |
| „Meine Familie und ich wollen selbst entscheiden, wann wir arbeiten.“ | |
| In den vergangenen Monaten sei es zu verstärkten Kontrollen in manchen | |
| Bezirken gekommen, heißt es in dem Aufruf zur Kundgebung. Dabei sei der | |
| Sonntag für „inhabergeführte Familienbetriebe“ der umsatzstärkste Tag. B… | |
| sagt, er könnte dichtmachen, wenn er sonntags nicht mehr öffnen würde. | |
| Späti e. V. fordert deshalb eine „Modernisierung“ des | |
| Ladenöffnungsgesetzes. Seit Kurzem läuft eine Onlinepetition, 1.300 haben | |
| bisher unterschrieben. | |
| Das Berliner Ladenöffnungsgesetz kennt Sonntagausnahmen, aber keine für | |
| Spätkaufe. „Verkaufsstellen, die für den Bedarf von Touristen“ aufkommen, | |
| dürfen von 13 Uhr bis Mitternacht öffnen. Geschäfte, die Blumen, Zeitungen, | |
| Backwaren und Milcherzeugnisse anbieten, dürfen das auch, von 7 Uhr bis 16 | |
| Uhr. Für Spätis gibt es bisher keine Ausnahmen. | |
| Lässt sich der Wunsch der Späti-Betreiber verwirklichen? Während Grüne das | |
| wollen und es laut Baba auch viele Unterstützer aus SPD, FDP und CDU gebe, | |
| stellt sich die Linke quer, vor allem in Person der Arbeitssenatorin Elke | |
| Breitenbach. Die argumentierte im März mit dem Schutz vor Selbstausbeutung | |
| und ganz prinzipiell: Eine Ausnahme für Spätkaufe könne dazu führen, dass | |
| auch andere Geschäfte Ausnahmen fordern und das Ladenöffnungsgesetz | |
| grundsätzlich infrage gestellt werden könnte. | |
| Anders als Breitenbach bekennt sich Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) | |
| gegenüber der taz zu den Läden: „Spätis gehören zur Berliner Kiezkultur.�… | |
| 2016, vor ihrer Zeit als Senatorin, äußerte sie sich auf Twitter noch | |
| eindeutiger: „Für uns gehört auch die Späti-Kultur zur Offenheit und | |
| Vielfalt Berlins. Und zwar auch sonntags. #ILoveMySpäti“. | |
| Die Grüne Anja Kofbinger, Neuköllner Mitglied des Abgeordnetenhauses, hält | |
| bei der Kundgebung auf dem Hermannplatz auch eine Rede. Sie berichtet, dass | |
| Breitenbach und Pop sich halbjährlich über den Konflikt unterhielten – | |
| bisher ergebnislos. Kofbinger unterstützt die Späti-Betreiber wegen des | |
| „wachsenden ökonomischen Drucks“, wie sie sagt. Bei familienbetriebenen | |
| Spätis sieht sie keine Gefahr der Selbstausbeutung: „Als Politikerin habe | |
| ich mich nicht in die Lebensgestaltung selbstständig arbeitender Menschen | |
| einzumischen.“ | |
| Während die Landespolitiker das Gesetz ändern könnten, müssen es die | |
| Bezirke umsetzen. Ein Bezirksbürgermeister, der sich in der Debatte gegen | |
| seine Partei positioniert hat, ist Stephan von Dassel, grüner | |
| Bezirksbürgermeister von Mitte. Auf Nachfrage begründet er seine Haltung | |
| mit fast täglichen Beschwerden. Er berichtet von Hauseingängen, in die | |
| uriniert würde, und zugemüllten Gehwegen. Das aktuelle Gesetz findet er | |
| gut. Um es besser umsetzen zu können, werde er das Ordnungsamt personell | |
| verstärken, so von Dassel. | |
| ## „Rechtslage von der Verfassung gedeckt“ | |
| Martin Hikel (SPD), Bürgermeister von Neukölln, fordert dagegen eine | |
| „Lösung für inhabergeführte Spätis“, das heißt eine Ausnahme für solc… | |
| Geschäfte. Hikel findet, dass sich die Debatte im Kreis dreht, er wünscht | |
| sich eine Initiative des Abgeordnetenhauses. In seinem Bezirk wurden im | |
| vergangenen Jahr 88 Ordnungswidrigkeiten registriert, im laufenden sind es | |
| bisher 16. | |
| Manche finden das Ganze aber auch indiskutabel. Gewerkschafterin Erika | |
| Ritter, bei Verdi zuständig für den Bereich Handel, sagt: „Eine Gruppe von | |
| Händlern kann sich nicht aus Eigeninteresse über eine bestehende | |
| Rechtslage, die von unserer Verfassung abgedeckt ist, hinwegsetzen.“ | |
| Späti-Betreiber Alper Baba hat ein dynamischeres Verständnis der | |
| Rechtslage: „Gesetze sind menschengemacht und können auch von Menschen | |
| geändert werden“, sagt er. Das Gesetz von 2006 entspreche der Gegenwart | |
| nicht mehr: „Menschen ändern sich, die Welt ändert sich, auch Berlin muss | |
| sich ändern.“ | |
| 16 Jun 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Volkan Ağar | |
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