# taz.de -- Streit ums Tempelhofer Feld in Berlin: Die Freiheit endet an der St… | |
> Berlins Kulturkämpfe werden immer bizarrer. Da wird ein Kinder-Zirkus zum | |
> Vorboten böser Flächenbebauung, Späti-Schließzeiten bedrohen die | |
> Freiheit. | |
Bild: Freiheit ist immer die Freiheit des Schwächeren, im Zweifel die des Wohn… | |
BERLIN taz | Diskussionen um zwei Berliner Kulturgüter treiben gerade vor | |
allem jene Menschen um, die immer noch überzeugt in den beständig sich | |
selbst als links musealisierenden Teilen Kreuzbergs und Neuköllns leben, in | |
Stadtteilen also, die zu Recht als „legendäre linke Szene-Stadtteile“ | |
gebrandmarkt werden. | |
Da hier auch auswärtiges Publikum mitliest ein paar Worte zu diesen | |
Kulturgütern: Einmal geht es um die riesige Brache des Tempelhofer | |
Fughafens am Rande der beiden Bezirke, zum anderen um so genannte „Spätis“, | |
Läden, die auch außerhalb der üblichen Geschäftszeiten alles führen, was | |
man so braucht (oder auch nicht, wenn man nur etwas besser organisiert | |
ist). | |
Beide Einrichtungen sind bedroht, das empört ihre Fans: Wehe, das | |
Tempelhofer Feld bleibt nicht [1][vollständig unbebaut], wie es die | |
Bürgerini – so sagen sie gerne, als wäre jede Ini eine gute Freundin – �… | |
% Tempelhofer Feld“ mittels Volksentscheid erreicht hat. Und: Wehe, | |
[2][mein „Späti“ darf sonntags nicht öffnen], wie es das Berliner | |
Verwaltungsgericht jetzt entschieden hat, weil sich auch diese Läden ans | |
Ladenschlussgesetz halten müssen. | |
Die Aufwallung um Feld und Späti markiert die große Engstirnigkeit, die | |
diese Leute zwar überdeutlich auszeichnet, die sie aber weit von sich | |
weisen, weil es ihnen ja um nichts weniger als ihre „Freiheit“ geht, die | |
sie bedroht sehen. Sie geben sich alle megalässig, sind aber darin | |
schrecklich konservativ geworden und wollen nur eins: ihre Egoismen | |
verteidigen. | |
## Hundertprozentig. Ernsthaft! | |
Begeben wir uns zunächst aufs Feld: Da steht am Rande neben einem für die | |
Beherbung von Flüchtlingen errichteten Containerdorf ein gelb-rot | |
gestreiftes Zirkuszelt, betrieben vom Kinderzirkus Cabuwazi. Der Name | |
bildet sich aus der Abkürzung des Langnamens „Chaotisch bunter | |
Wanderzirkus“, was auf die Herkunft aus einem Kreuzberger Hinterhof | |
schließen lässt. Als sozialpädagogisches Projekt sollte er zum natürlichen | |
Freund der sich ebenfalls kreuzbergisch-links gebenden 100 %-Ini zählen, | |
doch die wendet sich gerade gegen ihn. Sie warnt, dass das Zelt, wenn es | |
noch länger dort steht, der weiteren Bebauung des Feldes Vorschub leiste. | |
Dass im Cabuwazi Kinder und Jugendliche aus allerhand Schichten und | |
Herkünften Spaß haben, seiltanzen und jonglieren, das ist den 100%-lern | |
egal. Sie sind ja Hundertprozentige. Und das sehr ernsthaft. | |
Sie betrachten das Areal – groß wie 450 Ikea-Parkplätze, wo sie gerne | |
heimlich einkaufen – als ihren Garten. Und wehe, da will jemand Spaß haben | |
und etwas Sinnvolles tun. Und nicht, wie sie, einfach nur etwas bewahren, | |
weil sich die Frage „Wem gehört die Stadt“ so revoluzzerhaft anhört. | |
## Nicht mehr so oft zur Demo gegen hohe Mieten | |
Nun zu den Spätis. Von denen gibt es sehr viele in den oben benannten | |
Gegenden Berlins. Als Versorgungsstellen sind sie überflüssig, denn ihre | |
sehr wütenden Verteidiger („Das ist nicht mehr Berlin!“) könnten natürli… | |
auch auf Vorrat einkaufen. Kühlschränke und Platz für Instantsuppentüten | |
dürften sie haben. Aber auch hier wollen sie etwas bewahren, weil das nun | |
mal ihr liebevoll gepflegter Berlin Way of Life ist. Als hinge ihr | |
Lebensglück von der Möglichkeit ab, auch mal abends oder sonntags etwas | |
einzukaufen. In ihrem Bemühen, nicht spießig zu sein, sind sie verspießt. | |
Wie gut, dass die Deckungsleichheit der Empörten groß ist: Ihnen wird das | |
in ihren Kreisen beliebte „Späti-Bier“ näher sein als das Tempelhofer Fel… | |
Denn das brauchen sie ja, um es dann dort zu trinken. Und während sie für | |
jeden Späti eine Mein-Späti-muss-bleiben-Ini gründen, wird das Zirkuszelt | |
in Ruhe noch eine Weile stehen bleiben können. Am besten, das Feld wird in | |
der Zeit auch großflächig bebaut. Das wäre die einzig sinnvolle Nutzung. | |
Und der schöne Nebeneffekt: Die Späti- und Feld-Freunde müssten dann nicht | |
mehr so oft zu Demos gegen zu hohe Mieten. Ein Wohnviertel auf dem Feld | |
würde den Markt entlasten. | |
3 Jul 2019 | |
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## AUTOREN | |
Felix Zimmermann | |
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