| # taz.de -- Fußball schauen, aber wo?: Besser Späti als nie | |
| > Die Vorschriften zur legalen Nutzung von Straßenraum vor Spätis sind | |
| > kompliziert. Das tut der Stimmung auf vielen Nebenstraßen keinen Abbruch. | |
| Bild: Berlin zu Meisterschaftszeiten | |
| Was bleibt von der Fußball-WM nach dem deutschen Vorrundenaus? Zum einen | |
| die schwarz-rot-gelben Stofffetzen, die noch immer in Übergröße von | |
| Balkonen hängen und trotzig an Pkws pappen. Zum anderen gibt’s weiterhin | |
| viel zu sehen, selbst für wenig von Ballsport und Nationalsymbolik | |
| Begeisterte: Wer braucht schon eine Fanmeile, wenn man vor dem Späti des | |
| Vertrauens das Turnier verfolgen kann? | |
| Das eher undeutsch anmutende Zusammenkommen mit Freund*innen und Fremden | |
| auf unbequemen Klappstühlen, noch unbequemeren Getränkekisten und sogar | |
| Hartschalenrollkoffern mitten auf dem Gehweg wirkt auf den ersten Blick wie | |
| wunderbarer Wildwuchs. Aber ganz regelfrei ist die Sache mit den Fernsehern | |
| auf den Bürgersteigen nicht. Etwa 1.000 Spätverkaufsstellen – sprich Spätis | |
| – soll es in Berlin geben. Was sie beim Public Viewing dürfen und was | |
| nicht, ist Bezirkssache. Je nach Ort gibt es unterschiedliche Regularien | |
| und Genehmigungsverfahren. | |
| „Ein Spätkauf ist in der Regel ein Einzelhandelsbetrieb“, sagt Andy Hehmke | |
| (SPD), Ordnungsstadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg. Wer zum gemeinsamen | |
| Fußballgucken den Bürgersteig nutzen und beispielsweise Stühle und Tische | |
| aufstellen will, muss dafür eine Sondergenehmigung beantragen. Die kostet | |
| je nach Lage monatlich zwischen 12 und 17 Euro pro Quadratmeter. | |
| Weitere Gebühren fallen für das Public Viewing nicht an – es sei denn, der | |
| Späti nimmt Eintrittsgelder. Manche Spätverkaufsstellen haben aber auch | |
| eine Anmeldung als Gaststätte, sagt der Stadtrat. „Dadurch erhalten sie | |
| eine Schankvorgartengenehmigung, mit der sie die direkte Fläche vor dem | |
| Geschäft nutzen dürfen, um zum Beispiel einen Fernseher aufzustellen.“ | |
| Wer auf der Straße Lärm verursacht, zumal abends und mit Tongeräten, | |
| braucht normalerweise auch dafür eine Ausnahmezulassung. | |
| Friedrichshain-Kreuzberg sieht davon während dieser WM aber ab, sagt | |
| Hehmke. Zumindest dann, wenn die Späti-Betreiber Rücksicht nehmen: Die | |
| Lautstärke der Fernseher sollte gering gehalten, auf zusätzliche | |
| Lautsprecher verzichtet werden. Ähnlich wie bei einer Party im | |
| Mehrfamilienhaus müsse eine verantwortliche Person anwesend sein, die | |
| Beschwerden annehmen und auf diese eingehen kann. Bereits im Februar hatte | |
| das Bundeskabinett Bestimmungen zum Lärmschutz für die Zeit der WM | |
| gelockert: So können Kommunen Public Viewing auch für Spiele zulassen, die | |
| erst um 20 Uhr abends beginnen. | |
| Diese Regelung gilt auch für Neukölln. Auch hier braucht es eine | |
| Sondergenehmigung für das Aufstellen von Stühlen und einem Fernseher auf | |
| der Straße, die Preise dafür seien aber „besonders im Vergleich zu Mitte | |
| verhältnismäßig gering“, sagt Nicole Gebell, Leiterin des dortigen | |
| Ordnungsamts. Kontrollieren würde man die Spätis „anlassbezogen“, also | |
| dann, wenn sich Anwohner*innen beschweren. | |
| ## „Endlich seid ihr entspannt“ | |
| Der Betreiber eines Spätkaufs in einer Nordneuköllner Seitenstraße hat für | |
| das Mini-Public-Viewing vor seinem Laden keine spezielle Genehmigung | |
| eingeholt, erzählt er. Kontrolliert wurde er noch nie. „Ist doch nur ein | |
| kleiner Fernseher, viel lauter als der Straßenverkehr ist das nicht.“ Die | |
| Stimmung zur Fußball-Weltmeisterschaft findet er schön, egal ob mit oder | |
| ohne Deutschland. „Endlich sitzt ihr hier auch mal auf der Straße und seid | |
| ein bisschen laut, fast ausgelassen. Ein bisschen wie am Mittelmeer.“ | |
| Ein Spätkauf-Inhaber ein paar Kilometer weiter auf der belebten Sonnenallee | |
| ist vorsichtiger. Der Flachbildschirm steht drinnen, hinter der | |
| Fensterscheibe des Geschäfts. Die Leute auf den Bierbänken davor lassen | |
| sich davon nicht stören. Auch hier scheint das Vorrundenaus der deutschen | |
| Mannschaft nebensächlich, nur ein paar Wimpel in Schwarz-Rot-Gelb hängen | |
| noch über dem Snackregal. „Deutschland hat nicht gut gespielt. Aber wir | |
| hören doch deswegen nicht auf Fußball zu gucken“, meint der Späti-Besitzer. | |
| Ob er eine Genehmigung für die Bierbänke vor seinem Fenster bräuchte und | |
| was genau das für eine sein müsste, weiß er nicht. Vor dem Ordnungsamt habe | |
| er jedenfalls keine Angst: Die Mitarbeiter hätten anderes zu tun, als sich | |
| bei ihm wegen eines Fernsehers zu beschweren. „Aber der Bildschirm war | |
| teuer, den stelle ich lieber nicht einfach auf die Straße.“ | |
| 6 Jul 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Lin Hierse | |
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