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# taz.de -- Kolumne Nullen und Einsen: Die Pinguine helfen auch nicht weiter
> Ein neuer Fernseher soll her, doch die Kaufentscheidung soll nicht zur
> Wissenschaft ausarten. Klingt ganz easy? Ist es aber nicht.
Bild: Willkommen im Kapitalismus!
Mein Freund P. hat sich neulich einen Fernseher gekauft. „Ganz easy“ war
das, sagt er. „Ich schaute in den Kalender, es war ein Donnerstag. Ich
sagte, hey, ich nehme mir jetzt eine Dreiviertelstunde Zeit. 25 Minuten
später war ich im Media Markt, da musste ich mich beeilen.“
Ich will mir auch einen neuen Fernseher kaufen. Wegen WM und so, und weil
mein alter, ein wunderschöner, tonnenschwerer grauer Klotz Baujahr 1981,
nicht mehr richtig geht. Aber ich nehme mir fest vor: der Kauf soll keine
Wissenschaft werden! Der Neue soll günstig sein und nicht explizit scheiße.
Mehr nicht. Ich mache also Folgendes:
1. Ich gehe in einen Laden und bin sofort komplett überfordert von über 70
Bildschirmen und 7.000 Optionen (die hochauflösenden Demofilmchen mit
Pinguinen und Spielen von Real Madrid helfen mir auch nicht weiter).
2. Ich taste mich im Internet vorsichtig an ein Gefühl für Preise und
Funktionen heran.
3. Ich falte Rechtecke aus einem Zollstock, um zu testen, welche
Bildschirmdiagonale gut zu meinem Wohnzimmer passt.
4. Ich gebe auf der Media-Markt-Seite UHD und 43 Zoll ein und schaue mir
die billigsten und die „Topseller“-Modelle an.
5. Ich google ein paar davon – nur Fehlervermeidung, keine große Sache.
Anderthalb Stunden später habe ich 15 neue Tabs offen und lese
Amazon-Ein-Sterne-Rezensionen. Denn nur die verraten mir, ob es für meine
Bedürfnisse nicht vielleicht doch einen Haken gibt. Leider finde ich dabei
ganz viele neue Bedürfnisse. Brauche ich nicht doch eine
Timeshift-Funktion? Oder einen optischen Kopfhörerausgang? Und wenn nicht
jetzt, vielleicht in fünf Jahren?
## Schlecht für Gamer
Es ist egal, welches technische Gerät man kauft: Blitzschnell taucht man in
den Irrsinn ein, den eine hochentwickelte kapitalistische Warengesellschaft
mit sich bringt. Alle Fernseher ab 400 Euro können eigentlich alles, aber
manche können eben noch mehr. Dazu ertönt ein Klagechor aus
Superspezialistennerds, die Probleme bemängeln, die niemandem sonst
auffallen würden. Auf einmal weiß ich, was Clouding ist, der
„Taschenlampeneffekt“.
Ich versuche alles wieder zu vergessen, doch lese versehentlich noch, dass
mein favorisiertes Modell nur eine Bildwiederholungsrate von 50 Hertz hat.
Das ist schlecht für Gamer – und bei Fußball! Angeblich erscheint der Ball
dreifach, wenn er sich schnell bewegt.
Würde ich das auch sehen? Oder nur Sven aus dem UHDTV-Forum? Ich verbringe
weitere Stunden mit dieser Frage. Ich frage auch P., wie viel Hertz sein
Fernseher hat. Er weiß es nicht einmal! „Du liest schon wieder zu viel,
Junge“, sagt er. „Am Ende vermiest du mir mit deiner Expertise noch meine
Kaufentscheidung.“
Schließlich gehe ich zum inzwischen dritten Mal in den Laden. Wenn mir das
mit dem Ball vorher nie aufgefallen wäre, sagt der Verkäufer, wird es das
jetzt auch nicht tun. Ich kaufe also einen Fernseher. Es ist der, den mir
die Media-Markt-Seite als allererstes vorgeschlagen hatte. Ganz easy
eigentlich.
7 Jun 2018
## AUTOREN
Michael Brake
## TAGS
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