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# taz.de -- Kolumne Nullen und Einsen: Rollstuhl statt Mensch
> Immer wieder gibt ein Konsortium neue Emojis für die digitale
> Kommunikation heraus. Nur Menschen mit Behinderung kriegt es nicht hin.
Bild: Jedes Jahr kommen Zeichen heraus, 2018 gibt es 66 neue Emojis
Sprechen wir heute über [1][Toilettentüren, Parkplatzsymbole und
Aufzugschilder]. Dort hängt nämlich das Piktogramm für Barrierefreiheit.
Abgebildet ist ein Strichmännchen, das kerzengerade im Rollstuhl sitzt, die
Arme von sich gestreckt.
Die Kritik daran: Es wirkt zu passiv und mechanisch, es stehe die
Behinderung im Vordergrund und nicht der Mensch. Warum ist diese
Darstellung, die in den 60er Jahren entwickelt wurde, trotzdem auf
Flughäfen auf der ganzen Welt zu finden?
Weil die Internationale Organisation für Normung es so festgelegt hat in
der ISO 7001. [2][Einen Vorschlag zur Erneuerung], der den Menschen auf dem
Piktogramm dynamischer und selbstbestimmter dargestellt, hat die
Organisation 2015 abgelehnt. Zwar setzten es die US-Staaten New York und
Connecticut das neue Symbol inzwischen offiziell ein, doch die Mühlen der
internationalen Normierung drehen sich nur langsam.
Schneller setzt das Unicode-Konsortium Reformen durch, noch so eine
Standardisierungsbehörde. Die Organisation für Normierung hat die
Weiterentwicklung der ISO für „Scripted Codes“ an sie delegiert. Und so
entscheidet das Konsortium aus großen IT-Unternehmen wie Apple, Microsoft,
Google und IBM nun auch über die Standards für Emojis.
## Forderungen der Nutzer
Jedes Jahr kommen neue Zeichen heraus, dieses Mal waren es 66 neue Emojis.
Dabei werden auch gesellschaftliche Entwicklungen bedacht. Der Ablauf: Das
Unicode-Konsortium schreibt die Rezepte für die Emojis, umgesetzt und
herausgegeben werden sie durch Techfirmen und Webdienste selbst, sodass
jedes Emoji je nach Gerät und Softwareversion variiert, auch die, die Sie
in diesem Text sehen.
Vergangenes Jahr [3][konnten Sie an dieser Stelle lesen], wie das
Burger-Emoji von Google – im Gegensatz zu allen anderen – den Käse unterm
Fleisch serviert. Und über das Bier-Emoji, dessen Humpen nur halb voll ist.
Ein paar Tage Aufregung im Internet, schon haben die Unternehmen die Emojis
an die Forderung der Nutzer:innen angepasst. So schnell geht das. 🍔 🍺
Auch auf die Amokläufe in den USA in den vergangenen Monaten haben die
Unternehmen schnell reagiert. So haben inzwischen alle großen
Emoji-Herausgeber ihr Pistolen-Emojis 🔫 in eine Wasserpistole umgewandelt –
und das sogar gegen die Unicode-Norm, die das Symbol klar als „Handwaffe“
oder „Revolver“ bestimmt. Schwerter werden immer bunter und geschwungener,
sodass sie an Märchen und nicht an islamistischen Terror erinnern.
Minderheiten werden bedacht, die Haarvielfalt wird erweitert: Neben den
[4][bereits umgesetzten Hijab] und diversen Hautfarben werden Sie bis zum
Ende des Jahres Emojis mit roten, grauen, lockigen Haarvarianten und Glatze
auf ihren Smartphones, Facebook und Twitter finden. Es wird alles bedacht.
Selbst [5][Googles Salat] 🥗 kommt demnächst ohne Ei daher, sodass er auch
für Veganer geeignet ist.
## Selbstbestimmte Menschen
Wird wirklich alles bedacht? Apple, Microsoft, Whatsapp und Twitter setzen
das neue selbstbestimmtere Symbol für Barrierefreiheit als Emoji um. Doch:
dieses Emoji zeigt keinen Menschen, sondern nur ein Piktogramm ♿, weiß auf
blau und befindet sich in der Emoji-Listenfolge zwischen dem Parkplatz- 🅿️
und dem WC-Zeichen 🚾. Überhaupt ist es im Jahr 2018 noch immer das einzige
von über 2.500 Emojis, was überhaupt einen Teil von Menschen mit
Behinderung irgendwie sichtbar macht. Von Repräsentieren kann keine Rede
sein.
Zwar hat Apple im März einen Antrag auf 13 Symbole zum Thema beim
Unicode-Konsortium eingereicht, [6][als vorläufige Kandidaten in die
Auswahl geschafft haben] es jedoch nur ein Assistenzhund, eine Arm- und
eine Beinprothese und ein Ohr mit Hörgerät – also allesamt Hilfsmittel.
Selbst aus Apples vier Emojis für selbstbestimmte Menschen im Rollstuhl
[7][im Antrag (PDF)] wurden zwei leere Rollstühle, einer mit manuellem, der
andere mit elektrischem Antrieb. So werden wohl auch im Jahr 2019 noch
immer Menschen mit Behinderung nicht als Menschen dargestellt, sondern mit
ihren Hilfsmitteln gleichgesetzt werden.
26 Jun 2018
## LINKS
[1] https://www.berlin.de/ba-tempelhof-schoeneberg/ueber-den-bezirk/artikel.410…
[2] http://accessibleicon.org
[3] /Kolumne-Nullen-und-Einsen/!5457924
[4] /Schuelerin-ueber-Kopftuch-Emoji/!5341130
[5] https://emojipedia.org/green-salad/
[6] https://unicode.org/emoji/future/emoji-candidates.html
[7] https://www.unicode.org/L2/L2018/18080-accessibility-emoji.pdf
## AUTOREN
Svenja Bednarczyk
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