# taz.de -- Kommentar EU-Gipfel: Neustart? Schon vergessen | |
> Europas Bürger haben für mehr Demokratie und Nachhaltigkeit gestimmt. Das | |
> scheint die EU-Staatschefs bei ihrem Postengeschacher nicht zu kümmern. | |
Bild: Merkel will schnell eine neue Koalition. Tusk soll dafür sorgen, dass es… | |
Die Botschaft der Europawahl war eindeutig: Die Mehrheit der Wähler steht | |
zur Europäischen Union – aber sie will eine andere Politik. Grüner, | |
sozialer und bürgernäher soll die EU werden, ein „Weiter so“ darf es nicht | |
geben. | |
Doch beim EU-Gipfel am Dienstagabend in Brüssel war das schon wieder | |
vergessen. Die Staats- und Regierungschefs feierten die hohe | |
Wahlbeteiligung bei der Europawahl als „Erfolg für Europa“ – das war’s. | |
Dass die ehemaligen Volksparteien ihre absolute Mehrheit im Europaparlament | |
verloren haben, schien kaum jemanden zu kümmern. Nur [1][Frankreichs | |
Staatschef Emmanuel Macron] und die [2][Liberalen] betonten die Krise der | |
(alten) Mitte. | |
Kanzlerin Angela Merkel hingegen stand fest zur Europäischen Volkspartei, | |
in der CDU und CSU den Ton angeben – und zu „ihrem“ Spitzenkandidaten | |
Manfred Weber. Dabei hat Weber nicht einmal in Deutschland überzeugt. Eine | |
Mehrheit der Bundesbürger hält nichts davon, den blassen Niederbayern zum | |
Nachfolger von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker zu machen, ergab eine | |
Umfrage. Fast 60 Prozent sind gegen ihn, nur 32 Prozent dafür. | |
Weber hat weniger Stimmen eingefahren als Juncker vor fünf Jahren. | |
Gemeinsam mit der [3][offenbar überforderten CDU-Chefin Annegret | |
Kramp-Karrenbauer] bescherte er der Union das schlechteste Ergebnis aller | |
Zeiten bei einer EU-Wahl. Doch Merkel ging darüber hinweg. Sie selbst habe | |
ja auch mal klein angefangen, sagte sie. Auch ihre politische Agenda hat | |
sie nicht geändert. Ganz oben stünden nun „Innovation und Wachstum“, so d… | |
Kanzlerin in Brüssel, „Nachhaltigkeit und Klima“ kommen erst danach. | |
## Noch über nichts und niemanden einig | |
Klimawahl? Nicht für Merkel. Neustart der EU? Schon vergessen. Das zeigt | |
auch die Art und Weise, mit der die Staats- und Regierungschefs nun | |
vorgehen wollen. Sie beauftragten Ratspräsident Donald Tusk, bis zum | |
nächsten EU-Gipfel Ende Juni eine Vorschlagsliste auszuarbeiten. Auf dieser | |
„Short list“ soll aber nicht nur der neue Kommissionschef stehen, sondern | |
auch Namen für den ständigen Ratspräsidenten, die Europäische Zentralbank | |
und den bzw. die Außenvertreter/in. Das Wahlergebnis wird so mit einem | |
großen Personalgeschacher vermischt. | |
Schlimmer noch: Die EU-Chefs ließen offen, wie man überhaupt auf die | |
Tusk-Liste kommt. Sie konnten sich weder darauf einigen, nur gewählte | |
Spitzenkandidaten zu nominieren, noch legten sie ihre Karten etwa für die | |
Nachfolge von Notenbankchef Mario Draghi auf den Tisch. Der Grund liegt auf | |
der Hand: Die 28 sind sich über nichts und niemanden einig. Vor allem | |
Merkel und Macron liegen über Kreuz. Damit die deutsch-französische | |
Führungskrise nicht gleich nach der Europawahl offen zutage tritt, soll | |
Tusk nun möglichst geräuschlos sondieren. | |
Doch bei diesem Verfahren bleiben Demokratie und Transparenz auf der | |
Strecke. Das Wahlergebnis landet in einer „Black Box“, die Beratungen | |
finden wie immer im Hinterzimmer statt. Man müsse Handlungsfähigkeit | |
beweisen, begründete Merkel dieses merkwürdige Verfahren. | |
Abgeschaut wurde es übrigens in Deutschland. EU-Ratspräsident Tusk soll | |
ähnlich wie der Bundespräsident nach der Bundestagswahl 2017 dafür sorgen, | |
dass möglichst schnell eine neue Brüsseler Koalition zusammen kommt. In | |
Berlin hat das ja auch ganz toll geklappt, nicht wahr? | |
29 May 2019 | |
## LINKS | |
[1] /EU-Wahlnachwehen-in-Frankreich/!5598709 | |
[2] /Nachfolge-des-EU-Kommissionschefs/!5595515 | |
[3] /Meinungsmache-Debatte-in-der-Union/!5598776 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Emmanuel Macron | |
Schwerpunkt Europawahl | |
AKK | |
Europa | |
Schwerpunkt Angela Merkel | |
Europäische Union | |
Emmanuel Macron | |
Donald Tusk | |
EU | |
Margrethe Vestager | |
Schwerpunkt Europawahl | |
Schwerpunkt Europawahl | |
Schwerpunkt Europawahl | |
Schwerpunkt Emmanuel Macron | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Postengeschacher in der EU: Spitzenkandidaten in der Sackgasse | |
Vier Wochen nach der Wahl zum EU-Parlament ist die Nachfolge für | |
Kommissionschef Juncker noch unklar. Bringt ein Gipfel am Donnerstag den | |
Durchbruch? | |
Jobbörse in der Europäischen Union: Postengeschacher im Hinterzimmer | |
Noch ist unklar, wer die Topposten ergattert. Nun sollen sechs | |
Regierungschefs den Weg weisen und eine Arbeitsgruppe im Parlament. | |
Folgen der Europawahl: Was passiert als Nächstes? | |
Wer wird Kommissionschef? Und wie wichtig wird Klimaschutz? Die wichtigsten | |
Fragen und Antworten nach der EU-Wahl. | |
Nach der Europa-Wahl: EU-Parlament durcheinandergewirbelt | |
Weder Konservative noch Sozialdemokraten haben eine Mehrheit – wer wird die | |
Kommission leiten? Unterdessen gewinnen Liberale, Grüne und Rechte. | |
EVP-Spitzenkandidat für die Europawahl: Der viel Versprechende | |
Manfred Weber könnte Juncker beerben. Er ist kein Polterer – doch Taten | |
folgen seinen wohlklingenden Reden selten. | |
EU-Gipfel in Rumänien: Die Bremserin von Sibiu | |
Beim EU-Gipfel lehnt Kanzlerin Merkel eine Klima-Initiative ab. Danach | |
spielt sie wieder die verständnisvolle „Klimakanzlerin“. |