# taz.de -- Regierungskrise in Österreich: Kick den Kickl | |
> Nach Strache muss nun wohl auch Innenminister Kickl wegen der | |
> FPÖ-Korruptionsaffäre gehen. Kanzler Kurz forderte seine Entlassung. | |
Bild: Soll gehen: Noch-Innenminister Herbert Kickl, FPÖ. Kanzler Kurz will ihn… | |
WIEN taz | Die Regierung in Wien ist am Ende. Nach dem Rücktritt von | |
Vizekanzler Heinz-Christian Strache am Samstag ist das Ausscheiden | |
sämtlicher FPÖ-Kabinettsmitglieder nur eine Frage der Zeit. Strache selbst | |
zeigt aber kaum Einsicht. Am Wochenende postete er ein trotziges „Jetzt | |
erst recht!“ und streute Gerüchte, er werde als Parteichef in Wien ein | |
politisches Comeback versuchen. | |
Nach Strache und Fraktionschef Johann Gudenus, der die Begegnung in Ibiza | |
eingefädelt und gedolmetscht hatte, gibt es ein drittes politisches Opfer | |
des Ibiza-Videos: Herbert Kickl, von Heinz-Christian Strache als „bester | |
Innenminister der Geschichte Österreichs“ gepriesen, Schöpfer einer | |
berittenen Polizei und menschgewordenes Bollwerk gegen Flüchtlinge und | |
Asylsuchende. | |
Sein Verbleib in der interimistischen Regierung war für die ÖVP von | |
Bundeskanzler Sebastian Kurz nicht tragbar. Nicht wegen seiner Nähe zu | |
rechtsextremen Kreisen oder seiner als unmenschlich kritisierten | |
Flüchtlingspolitik, sondern wegen Befangenheit. Er habe Präsident Alexander | |
van der Bellen Kickls Entlassung „vorgeschlagen“, sagte Kurz am | |
Montagabend. | |
Als Generalsekretär der FPÖ zur Zeit des Skandalvideos wäre er direkt in | |
die Schwarzgeldkonstruktion involviert, die Strache einer vermeintlichen | |
lettisch-russischen Gönnerin für verdeckte Parteispenden empfahl. Da geht | |
es um strafrechtlich relevante Vorwürfe. Kickl könne also nicht gegen sich | |
selbst ermitteln, sagte Kanzleramtsminister und Kurz-Intimus Gernot Blümel | |
Sonntag Nacht in der Diskussionssendung Im Zentrum im ORF. | |
## Das milde und das böse Gesicht der FPÖ | |
Die FPÖ war dem Bundeskanzler mit einem bizarren Auftritt zuvorgekommen. | |
Norbert Hofer, seit Sonntag interimistischer Parteichef, und Herbert Kickl, | |
Noch-Innenminister, gaben eine Art Doppelkonferenz. Hofer spielte die | |
Rolle, die er schon im Bundespräsidentenwahlkampf 2016 geprobt hatte: das | |
milde Gesicht der FPÖ. | |
Als erster Parteifunktionär bat er die Bevölkerung unverklausuliert um | |
Verzeihung für den Auftritt seiner Parteifreunde und bedankte sich | |
ausdrücklich bei der ÖVP für die konstruktive Zusammenarbeit. Er ging sogar | |
so weit die Wochenzeitung Falter, den liebsten Feind seiner Partei in der | |
Presselandschaft, für dessen faire Berichterstattung zu loben. Er versprach | |
einen Wahlkampf ohne Schmutzkübel und versuchte seine Partei als | |
verlässlichen Partner darzustellen. | |
Ganz anders Herbert Kickl, der die ÖVP frontal attackierte und ihr vorwarf, | |
seine liebsten Projekte immer wieder blockiert zu haben. Gerade die | |
umstrittensten Entscheidungen der Koalition, wie die Verweigerung der | |
Zustimmung zum UN-Migrationspakt und die Abschiebung von Lehrlingen mit | |
negativem Asylbescheid reklamierte er als Früchte seiner Beharrlichkeit. | |
## Flossen illegale Parteispenden? | |
Verhandlungen über ein gemeinsames Weiterregieren seien daran gescheitert, | |
dass die ÖVP Kickls Absetzung verlangt und das Innenministerium für sich | |
reklamiert habe. Dieses sei „über Jahre hinweg der Motor einer knallharten | |
Machtpolitik der ÖVP“ gewesen. | |
Ihm habe man als Ersatz jedes beliebige Ministerium angeboten. Das komme | |
für ihn nicht in Frage. Enttäuscht zeigte er sich auch von Bundespräsident | |
Alexander van der Bellen, der die Wahrheit, die sich hinter einem „jungen | |
und freundlichen Gesicht“ verberge, – gemeint ist natürlich Sebastian Kurz | |
und dessen Machtgier – nicht erkannt habe. | |
Für Sebastian Kurz steht die Aufklärung der teilweise strafrechtlich | |
relevanten, teilweise moralisch verwerflichen Äußerungen von Strache aus | |
dem Ibiza-Video im Vordergrund. Der hatte ja einen gemeinnützigen Verein | |
ins Spiel gebracht, über den illegale Parteispenden „am Rechnungshof | |
vorbei“ kanalisiert werden können. | |
Seit Veröffentlichung des Videos rätselt man, ob dieser Verein existiert. | |
Das Wochenmagazin profil stieß bei seinen Recherchen auf den Verein Austria | |
in Motion mit Sitz in Wien. Kickl sei im Frühling 2017 an einen „bekannten | |
österreichischen Geschäftsmann“ herangetreten, er möge an diesen Verein | |
spenden. | |
## FPÖ auf Landesebene | |
Zu dieser Spende soll es aber nie gekommen sein. Der Vereinskassier | |
versicherte den Medien, dass kein Geld geflossen sei. Man habe lediglich | |
Kleinspenden „für Universitätsstudien“ eingesammelt. | |
Die SPÖ ist indessen bemüht, sich von der Belastung durch regionale und | |
kommunale Allianzen mit der FPÖ freizuspielen. Klaus Luger, Bürgermeister | |
von Linz hat Montag Vormittag das Arbeitsübereinkommen mit den Blauen | |
aufgekündigt. Luger muss sich künftig andere Mehrheiten im Gemeinderat | |
suchen. | |
Hans-Peter Doskozil im Burgenland, der noch vor wenigen Tagen die | |
harmonische Zusammenarbeit gelobt hatte, steuert eine schaumgebremste | |
Scheidung von seinem Koalitionspartner an. Die Wahlen werden von Ende Mai | |
auf 26. Januar 2020 vorverlegt. | |
Ganz anders ÖVP-Landeshauptmann Thomas Stelzer in Oberösterreich. Seine | |
Koalition mit der FPÖ im Jahr 2015 war ja eine Art Probegalopp für die | |
gleiche Paarung im Bund. Stelzer steht hinter der Neuwahlentscheidung | |
seines Kanzlers: „Hätten wir in Oberösterreich so einen Fall wie im | |
vorliegenden Video, ist völlig klar, dass wir gleich entscheiden würden“. | |
Auf Landesebene laufe aber alles bestens. Stelzer ging sogar so weit, eine | |
Neuauflage der ÖVP-FPÖ-Koalition auf Bundesebene als Option offen zu | |
halten. | |
20 May 2019 | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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