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# taz.de -- Regierungskrise in Österreich: Die SPÖ taktiert
> Ein Mißtrauensvotum könnte Österreichs Kanzler Sebastian Kurz sein Amt
> kosten. Wie die Sozialdemokraten abstimmen werden, ist noch unklar.
Bild: „Wir kriegen das schon hin“, sagt Bundespräsident Alexander Van Der …
Wien taz | Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) befindet sich – bestärkt
durch anhaltend gute Umfragewerte – seit Jahren auf einem Ego-Trip. Das
könnte sich jetzt rächen. Nachdem ihm sein Koalitionspartner abhanden
gekommen ist, bedarf er der Duldung der SPÖ, die er bisher konsequent als
inhaltlich inkompatibel übergangen hat.
Auch vor der Nominierung von vier Fachleuten, die die durch den Rücktritt
der FPÖ-Minister vakanten Posten besetzen sollen, hat er die größte
Oppositionspartei nicht eingebunden. In der Zentrale der Sozialdemokraten
in der Wiener Löwelstraße ist man daher verstimmt.
Doris Bures, Zweite Präsidentin des Nationalrats, will sich zwar noch nicht
festlegen, wie ihre Abgeordneten am Montag votieren werden. Doch eine
Unterstützung des Misstrauensantrags, den die Liste „Jetzt“ gegen das
gesamte Kabinett einbringen will, ist wahrscheinlich. Kurz habe die
Grundfesten, die unsere Republik ausmachen“, „Zusammenarbeit,
Konsensdemokratie und Gespräche mit allen über alle Parteigrenzen hinweg“,
verlassen.
Wenn er jetzt um das Vertrauen der anderen politischen Kräfte werbe, müsse
er zuerst vertrauensbildende Maßnahmen ergreifen. Die Namen der neuen
Kabinettsmitglieder habe sie aus dem ORF erfahren. Auch die von der
Verfassung vorgesehene Vorstellung der neuen Minister vor dem Parlament sei
erst nächste Woche möglich.
## Ins Chaos gestürzt
Für Edgar Weinzettl, Innenpolitikchef des Ö1 Radios, steckt die SPÖ hörbar
in einem Dilemma. Trage sie zum Sturz von Kurz bei, werde sie sich
vorwerfen lassen müssen, sie habe das Land mutwillig ins Chaos gestürzt:
„Dass die ÖVP und Sebastian Kurz geschickt kommunizieren können, haben sie
hinlänglich bewiesen“.
Toleriere sie aber die Minderheitsregierung des Kanzlers, müsse sie sich
von den eigenen Wählern vorwerfen lassen, sie habe es verabsäumt, den von
ihr ständig kritisierten Kanzler zu stürzen. Damit lasse sie auch zu, „dass
Sebastian Kurz die nächsten Monate auf Steuerzahlers Kosten Wahlkampf aus
der Poleposition machen kann“, wie es ein Gewerkschaftsboss ausdrückte.
Mit der Auswahl der vier Experten will es Kurz der SPÖ noch schwerer
machen. Es handelt sich um drei ältere Herren und eine jüngere Frau, von
denen zumindest einer SPÖ-Stallgeruch hat. Das ist der 67jährige Walter
Pöltner, der das Sozialministerium übernehmen wird. Er hat eine Karriere in
der Arbeiterkammer hinter sich und war hoher Beamter im damals
SPÖ-geführten Ministerium.
Der Vorarlberger Eckart Ratz, 66, ehemaliger Präsident des Obersten
Gerichtshofes, der Innenminister werden soll, gilt zwar als Bürgerlicher
aber auch als unabhängiger Denker und Spezialist für Korruptionsbekämpfung.
Die neue Ministerin für Infrastruktur Valerie Hackl, 36, machte bei der
Bundesbahn Karriere und wurde vergangenes Jahr unter Norbert Hofer als
Chefin in die Flugsicherung Austro Control berufen.
## Eitelkeit und Vernunft
Generalleutnant Johann Luif, der als ehemaliger Kommandant einer
gemischtstaatlichen Truppe in Bosnien-Herzegovina auch Auslandserfahrung
gesammelt hat, soll Ex-Verteidigungsminister Mario Kunasek ersetzen. Er
gilt als ÖVP-nahe aber auch SPÖ-kompatibel.
Pöltner konnten Reporter Mittwoch Vormittag beim Verlassen der
Präsidentschaftskanzlei einen Kommentar entlocken: „Die Eitelkeit freut
sich, die Vernunft sagt, es ist dumm.“ Dass er vielleicht nur ein paar Tage
Minister sein wird, sieht er realistisch: „Vielleicht“.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat an dieser Aussicht keine
Freude. Er hatte am Dienstag Abend noch in einer Fernsehansprache an die
Parteien appelliert, parteitaktische Überlegungen hinten an zu stellen. Mit
Anleihen bei John F. Kennedy, Barack Obama und Angela Merkel forderte er
sie zu konstruktiver Zusammenarbeit auf.
Um die Stabilität der Republik fürchtet er nicht: „Wir kriegen das schon
hin. Das haben wir auch in der Vergangenheit geschafft. Das ist ja etwas
typisch Österreichisches.“
22 May 2019
## AUTOREN
Ralf Leonhard
## TAGS
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Regierung
SPÖ
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