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# taz.de -- FPÖ-Minister treten zurück: Österreichische Regierung zerbricht
> Die Minister der österreichischen Partei FPÖ haben am Montag ihre Ämter
> niedergelegt. Grund ist das Skandalvideo um Heinz-Christian Strache.
Bild: War Generalsekretär der FPÖ, als das Skandalvideo von Strache gedreht w…
Wien taz | Chaos, Staatskrise, politisches Neuland. Die düstersten
Szenarien werden in Österreich diskutiert. Seit er Montag Abend angekündigt
hat, er werde dem Bundespräsidenten [1][die Entlassung von Innenminister
Herbert Kickl vorschlagen], droht Bundeskanzler Sebastian Kurz die Regie
der durch das Ibiza-Video ausgelösten Regierungskrise zu entgleiten. Wenn
Kickl aus der Regierung fliegt, werden auch alle anderen
FPÖ-Regierungsmitglieder gehen. Das bestätigte Norbert Hofer, seit wenigen
Tagen designierter Nachfolger von Parteichef Heinz-Christian Strache.
Sebastian Kurz stellt sich vor, dass die vakanten Posten mit Beamten
besetzt werden, bis nach den vorgezogenen Wahlen vom September die nächste
Regierung unter seiner Führung vereidigt werden kann. Von diesem Plan muss
er aber erst die Opposition überzeugen.
SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sagte nach einer Unterredung mit
Bundespräsident Alexander Van der Bellen, ihre Partei verlange den
Rücktritt der kompletten Regierung. Aus ihrer Sicht ist „nur eine
Übergangsregierung mit Experten für alle Regierungsämter, auch den
Bundeskanzler, eine gute tragfähige Lösung“, um „wieder Ruhe und Stabilit…
einkehren zu lassen“.
Damit könnte die bevorstehende Abberufung von Kickl eine politische
Kettenreaktion auslösen, deren Folgen noch unabsehbar sind. Die Liste Jetzt
von Peter Pilz hat bereits einen Misstrauensantrag gegen die Regierung von
Sebastian Kurz angekündigt, dem sich die SPÖ anschließen will. Es liegt
jetzt an der FPÖ, ob erstmals in der zweiten Republik einem amtierenden
Kanzler das Misstrauen ausgesprochen wird.
## Voll im Wahlkampfmodus
Norbert Hofer wollte sich in einer ersten Stellungnahme nicht festlegen.
Doch seine Partei, die bereits voll auf Wahlkampfmodus umgeschaltet hat,
dürfte das Revanchefoul unterstützen. Ex-EU-Agrarkommissar und
ÖVP-Urgestein Franz Fischler meinte in einer Radiodiskussion, die FPÖ sei
jetzt auf Rache aus. Kickl hat ja seinem Koalitionspartner in einem
Presseauftritt am Montag „nüchterne Machtbesoffenheit“ vorgeworfen. Die
Sondersitzung, bei der der Misstrauensantrag eingebracht werden kann,
dürfte nächste Woche Montag oder Dienstag stattfinden.
Sollte die Regierung stürzen und durch Technokraten ersetzt werden, kann
Kurz nicht weiter um die Welt jetten und beim Handshake mit den Reichen und
Mächtigen posieren, sondern müsste als Architekt eines gescheiterten
Experiments in den Wahlkampf gehen. Österreich würde sich mit einer
Expertenregierung auf politisches Neuland begeben.
Werner Zögernitz vom Institut für Parlamentarismus und Demokratiefragen
meinte im Ö1-Morgenjournal am Dienstag, die Parteien müssten sich
entscheiden, ob sie „parteipolitisch oder staatspolitisch“ handeln.
Angesichts der auch international heiklen Situation glaube er, sie würden
ihre staatspolitische Verantwortung wahrnehmen.
Kurz wird jedenfalls mit konkreten Vorschlägen für die Besetzung der bisher
von der FPÖ geführten Ministerien zum Bundespräsidenten gehen. Der hat laut
Verfassung zwar freie Hand, jede geeignete Person zu ernennen, dürfte aber
einem Vorschlag zustimmen, der zur politischen Beruhigung beitragen kann.
## Kickl hält nichts von Kurz' Argumenten
Sebastian Kurz hat die Abberufung von Kickl damit begründet, dass dieser
Generalsekretär der FPÖ war, [2][als das Ibiza-Video entstand]. Als Intimus
von Heinz-Christian Strache muss er daher von dessen Plänen gewusst haben,
Schwarzgelder über gemeinnützige Vereine in die Parteikasse zu schleusen.
Es sei daher untragbar, dass er als Innenminister quasi gegen sich selbst
ermittle.
Kickl hält dieses Argument für vorgeschoben. Schließlich sei der
Rechtsstaat auch bisher schon in der Lage gewesen, unabhängig gegen
Funktionäre zu ermitteln. Es könne ja auch ein anderer FPÖ-Mann das
Ministerium übernehmen. Dem habe die ÖVP nicht zugestimmt. Was die wahre
Motivation für den Rauswurf des forschen Minister ist, kann derzeit nur
spekuliert werden.
Sicher ist, dass es Druck von ausländischen Geheimdiensten gab, die mit
Österreich nicht kooperieren wollen, weil sie fürchten, dass vertrauliche
Informationen an Russland weitergegeben werden. Die Russland-Affinität der
FPÖ wurde ja durch Straches Anbiederungen im Skandalvideo neuerlich
bestätigt. Vielleicht steckt aber auch wirklich Machtkalkül dahinter, wie
Kickl selber vermutet. Denn er hat ziemlich brachial daran gearbeitet, die
über Jahre aufgebauten Machtbastionen der ÖVP im Innenministerium zu
schleifen.
21 May 2019
## LINKS
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## AUTOREN
Ralf Leonhard
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