| # taz.de -- FPÖ-Korruptionsaffäre in Österreich: Video ging durch viele Hän… | |
| > Der heimliche Mitschnitt brachte den österreichischen FPÖ-Chef Strache zu | |
| > Fall. Aber an der Methode versteckte Kamera gibt es auch Kritik. | |
| Bild: Um Kopf und Kragen geredet: Rechtspopulist Heinz-Christian Strache auf de… | |
| BERLIN taz | Wenn [1][ein einziges Video eine Regierung stürzen kann], dann | |
| ist das für Journalist*innen einerseits ein Grund zum Jubeln, andererseits | |
| zu großer Vorsicht. Schon jetzt gibt es Kritik am Strache-Video, das | |
| Süddeutsche und Spiegel aus unbekannter Quelle erhalten und am Freitag | |
| veröffentlicht haben. Das Video zeigt den FPÖ-Politiker und späteren | |
| Vizekanzler von Österreich, Heinz-Christian Strache, sowie seinen | |
| Parteifreund und späteren FPÖ-Fraktionschef Johann Gudenus beim Plausch mit | |
| einer angeblichen russischen Oligarchen-Nichte. Dieser verspricht Strache | |
| öffentliche Aufträge, wenn sie ihm hilft, die reichweitenstarke | |
| Kronen-Zeitung zu übernehmen. Allerdings ist die Russin ein Lockvogel, das | |
| Treffen inszeniert. Übers Wochenende hat das Strache-Video die | |
| österreichische Regierung gesprengt. Aber es gibt auch Kritik am Vorgehen | |
| der deutschen Zeitungen. | |
| ## Die Kritik | |
| Das Video ist in einer privaten Unterkunft und ohne das Wissen der | |
| Gefilmten entstanden. Ist das Grund genug für Journalist*innen, die Finger | |
| davon zu lassen? Einige glauben das. Am Samstag eingeschaltet hat sich | |
| Baden-Württembergs Datenschutzbeauftragter Stefan Brink via Twitter. Brink | |
| kritisierte, dass mit der Enthüllung Persönlichkeitsrechte verletzt worden | |
| seien. „Wenn wir politische Gegner hintergehen, ihre Privatsphäre verletzen | |
| und sogar kriminelles Unrecht begehen, schaden wir letzten Endes unserer | |
| politischen Kultur und damit uns allen“, schrieb Brink. | |
| Von der Bild-Zeitung ließ sich derweil der ehemalige BND-Chef August | |
| Hanning befragen. Hanning, der den deutschen Auslandsgeheimdienst bis 2005 | |
| leitete, fordert, dass die Redaktionen ihre Quellen offenlegen sollen. | |
| „Einen besonderen Informantenschutz kann es aufgrund der Tragweite der | |
| Veröffentlichung hier eigentlich nicht geben“, sagt Hanning der | |
| Springer-Zeitung. Darüber hinaus sei die Veröffentlichung solcher Bild- und | |
| Tonaufnahmen „nach unserem Recht sehr problematisch“. | |
| Allerdings hat die Presse das Privileg, auch Inhalte zu veröffentlichen, | |
| die unter illegalen Bedingungen entstanden sind – sofern ein öffentliches | |
| Interesse besteht. Und die liegt eindeutig vor, findet die Juraprofessorin | |
| Louisa Specht von der Universität Bonn: „Im vorliegenden Fall überwiegt in | |
| einer Abwägung mit dem Recht am eigenen Bild und dem Recht am eigenen Wort | |
| aufgrund des überragenden öffentlichen Interesses die Pressefreiheit“, sagt | |
| die Medienrechtlerin der taz. Das gelte auch, wenn das Material unter | |
| fragwürdigen Bedingungen entstanden ist. „Bei überragendem öffentlichen | |
| Interesse kann sogar eine vorsätzlich rechtswidrige Beschaffung der | |
| Information durch den Verbreiter nach Auffassung des Bundesgerichtshofs als | |
| Ausnahme gerechtfertigt sein“, sagt Specht. „Auch wenn sie im Grundsatz zu | |
| unterbleiben hat.“ | |
| Somit dürften die Journalist*innen von Süddeutscher und Spiegel | |
| rechtlich sicher sein. Aber bleiben noch Fragen. Zum Beispiel: | |
| ## Wer wusste davon? | |
| Offenbar ist das Video nicht direkt an die Redaktionen von Spiegel und | |
| Süddeutsche, sondern noch durch mehr Hände gegangen. Beide Zeitungen | |
| bestätigen in anderen Medien, dass noch mehr Personen davon wussten, bevor | |
| die Geschichte öffentlich wurde. Zu Beispiel der deutsche Komiker Jan | |
| Böhmermann – der macht am 17. April im Fernsehen einen Scherz, dessen | |
| Inhalt erst jetzt verständlich wird. Böhmermann ist per Videobotschaft bei | |
| der Verleihung des österreichischen Film- und Fernsehpreises „Romy“ in Wien | |
| zugeschaltet und sagt, er sei gerade „mit ein paar FPÖ-Geschäftsfreunden in | |
| einer russischen Oligarchen-Villa auf Ibiza“. Eine klare Andeutung auf das | |
| Strache-Video, aber zu diesem Zeitpunkt nur für Eingeweihte. Jan Böhmermann | |
| wusste „schon vor Wochen“ von dem Video, wie auch sein Manager der | |
| Nachrichtenagentur dpa bestätigt hat. Das Video sei Böhmermann aber nicht | |
| zur Verwertung angeboten worden. Mehr verriet der Manager nicht. | |
| Auch Aktivist*innen des Kunstkollektivs „Zentrum für Politische Schönheit“ | |
| hatten offenbar Ahnung von der Aktion. Etwa zur selben Zeit wie Spiegel und | |
| SZ veröffentlicht auch ein neuer Twitter-Account Bilder aus dem Video. Der | |
| Account @kurzschluss14 steht mit Mitgliedern des Kunstkollektivs Zentrum | |
| für Politische Schönheit in Verbindung. Drum wird spekuliert, dass in | |
| diesem Kreis der Mitwissenden auch diejenigen zu finden sind, die Strache | |
| die Falle gestellt haben. Das bleibt aber reine Spekulation. Der | |
| Spiegel-Reporter Knobbe sagt der Welt, dazu gebe es „keine belastbare | |
| Information“. | |
| Das wiederum hat übers Wochenende die Frage aufgeworfen, woher Spiegel und | |
| Süddeutsche eigentlich wussten, dass sie es hier nicht mit einem Fake zu | |
| tun haben. | |
| ## Wann ist ein Video echt? | |
| Ein Video ist ein Video, könnte man meinen. Der ultimative Beweis, | |
| sozusagen inflagranti. Aber während im Fußball der Videobeweis gerade | |
| eingeführt worden ist, wird er im Journalismus immer kritischer gesehen. | |
| Denn Videos lassen sich fälschen. Einerseits durch technische Fortschritte. | |
| Bildbearbeitungsprogramme können überzeugende Täuschungen erstellen, | |
| Software kann Stimmen imitieren, zusätzlich hilft künstliche Intelligenz. | |
| Manchmal reicht ein verändertes Wort, um den Kontext zu verzerren. Für | |
| Fälscher*innen ist es der größte Erfolg, wenn Qualitätsmedien einen Fake | |
| aufnehmen und darüber groß berichten. Deswegen ist Vorsicht geboten. | |
| Spiegel und Süddeutsche haben deshalb das Fraunhofer Institut um Expertise | |
| gebeten und geben an, es sei keine Manipulation festgestellt worden. | |
| Aber auch ohne aufwändige technische Eingriffe lässt sich ein Video | |
| fälschen. Und zwar indem man behauptete, das Video entstamme aus einem | |
| anderen Kontext als aus dem, in dem es wirklich entstanden ist. Die | |
| Rechercheur*innen ließen deshalb Details aus dem Hintergrund auswerten und | |
| abgleichen – dazu gehört das Mauerwerk an der Terrasse der Villa. Es | |
| stimmte überein mit den Werbefotos für ein Ferienhaus auf Ibiza, somit galt | |
| für die Recherche-Teams die Korrektheit des Orts als gesichert. Aber auch | |
| das Ohr des FPÖ-Manns Johann Gudenus wurde abgeglichen. Ein Fotoforensiker | |
| verglich es im Auftrag von Spiegel und Süddeutsche mit dem Ohr des Gudenus | |
| im Video. | |
| 20 May 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Nach-Strache-Ruecktritt-in-Oesterreich/!5596355 | |
| ## AUTOREN | |
| Peter Weissenburger | |
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