# taz.de -- TV-Debatte der EU-Spitzenkandidat*innen: „But Margrethe!“ | |
> Sechs Politiker, EU-Themen und sogar unterhaltsam: Die Diskussionsrunde | |
> macht Lust auf die Wahl. Zumindest im Klartextreden gab es einen klaren | |
> Sieger. | |
Bild: Wie eine Diskussionsrunde in einem Raumschiff: die TV-Debatte | |
Berlin taz | Ob im Elysée-Palast der Fernseher flimmerte, als am | |
Dienstagabend sechs Bewerber*innen für das Amt der | |
EU-Kommissionspräsidentin um Eindruck eiferten? Schließlich hatte sich | |
[1][Frankreichs Präsident Emmanuel Macron] zuletzt mal wieder deutlich | |
gegen das Modell der europäischen Spitzenkandidaturen geäußert: Es gebe | |
keine Rechtsgrundlage. | |
Das ist schade, denn überraschenderweise bot die Diskussionsshow in Brüssel | |
im Vergleich zu einschlägigen nationalen Kanzlerduellen aufgelockertes | |
Infotainment. Vor allem die amtierenden Kommissionsmitglieder, | |
Sozialdemokrat Frans Timmermans (SPE) und die liberale Margrethe Vestager | |
(ALDE) präsentierten sich als energische Solidarpolitiker*innen, auch Ska | |
Keller (Grüne) machte glaubhaft, wie sehr sie an Europa glaubte. Und der | |
Anführer der konservativen EVP Manfred Weber? Naja. | |
Schon in den Eingangsstatements des von ARD-Korrespondent Markus Preiss und | |
Emilie Tran Nguyen (France Télévisions) moderierten Podiums zeichnete sich | |
ab, wer im Live-Format punkten kann. Hier Manfred Weber aus | |
Niederhatzkofen, wurschtelt in bayerischem Englisch daher, dass Juncker ja | |
tolle Arbeit geleistet habe, jetzt soll es im Prinzip so weitergehen, aber | |
mit’m „fresh start“. | |
Daneben wirkt der ehemalige niederländische Außenminister und jetzige | |
Kommissions-Vize Timmermans wie das Versprechen, das Martin Schulz nie | |
einlösen konnte: Ein polternder Soze mit Glatze, angriffslustig, | |
pointenreich. „It’s time“ wiederholt er: für Unternehmenssteuern, | |
Nachhaltigkeit, Mindestlohn, jedesmal untermalt mit zwei geballten Fäusten, | |
die nach unten sausen: Es sieht aus, als würde er eine subventionierte Kuh | |
melken. | |
## Die Diskussionsteilnehmer*innen bleiben greifbar | |
Weber und Timmermans sind die aussichtsreichsten Kandidaten für den | |
Kommissionsvorsitz (auch, wenn sie beim TV-Duell nicht in der selben | |
Gewichtsklasse boxen), neben ihnen sind Margrethe Vestager, Ska Keller, der | |
Linke Nico Cué und Jan Zahradil von den Konservativen (ACRE) aber | |
gleichberechtige Gesprächspartner*innen: alle haben eine Minute pro | |
Statement und zwei Mal die Möglichkeit, eine Frage an die anderen zu | |
richten („Challenge“). | |
Es geht um die großen Klopper: Klimakrise, Migration, Steuerhinterziehung, | |
Trump. Sechs Themen in neunzig Minuten, eine stramme, aber ausgewogene | |
Agenda. Ort der Debatte ist der Plenarsaal in Brüssel, sattblau | |
ausgeleuchtet und mit jeder Menge EU-Sterne dekoriert, es sieht ein | |
bisschen aus wie ein Raumschiff, in dem die Besatzung hinter blauen | |
Stehpulten über den Kurs berät. | |
Die EU, ein abgespactes Projekt? Zumindest an diesem Abend schaffen es die | |
Diskussionsteilnehmer*innen, greifbar zu bleiben. Nico Cué, vor dem | |
Franco-Regime nach Belgien geflohen, zu Geflüchteten: „Ich bin selbst Kind | |
von Einwanderern, Migration ist eine Chance.“ Margrethe Vestager zu | |
Klimaschutz: „Wir brauchen ein besseres Streckennetz für Schnellzüge. Out | |
of the planes, down to the rails!“ | |
## Die Konservativen bleiben blass | |
Klarer Sieger im Klartextreden aber Frans Timmermanns: „Lasst uns immer | |
wieder fragen: Alexa, wann wird Amazon endlich Steuern zahlen?“ Alles, was | |
er sagt, scheint in Großbuchstaben geschrieben zu sein, er brüllt fast. | |
Großbritannien sehe nun aus wie „Game of Thrones auf Steroiden“, so der | |
Niederländer über den Schaden von EU-Feindlichkeit. | |
Blass bleiben dagegen die Konservativen Zahradil (so wenig EU wie möglich) | |
und Weber (viel EU, aber so, dass es niemandem wehtut). Besonders beim | |
Thema Klimaschutz klaffen die Unterschiede. Weber: Man wolle ja auch | |
CO2-neutral werden, aber nicht zum Schaden der Arbeiter in der | |
Autoindustrie. Timmermans (Capslock): „Wissen Sie, was wirklich den Armen | |
schadet? Wenn wir nix tun!“ | |
## Blöd, dass Macron Recht hat | |
Vestager erinnert Weber daran, dass der Klimawandel Zusammenarbeit | |
erfordere, kein Parteikleinklein. Weber: „But Margrethe…“ Ein Hauch der | |
Verzweiflung schimmert durch. Dabei hat Weber ja auch Argumente und Ideen, | |
so ist es ja nicht: Mehrheitsentscheidungen statt Einstimmigkeit bei | |
außenpolitischen Fragen etwa, [2][in Sachen Venezuela hätte man so | |
schneller reagieren können.] | |
Die Debatte, wenngleich sie formatbedingt oberflächlich bleiben muss, hilft | |
bei der Entscheidungsfindung. Blöd nur – und da hat Macron Recht – solange | |
es keine transnationalen Listen gibt, sind die Bewerber*inne zwar | |
EU-Spitzenkandidaten. Wählbar sind sie aber nur in ihren eigenen Ländern. | |
16 May 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Macrons-Plaene-fuer-die-EU/!5578262 | |
[2] /Kommentar-Maas-Umgang-mit-Venezuela/!5589410 | |
## AUTOREN | |
Finn Holitzka | |
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