# taz.de -- Volksinitiative Klimanotstand: Nix prima beim Klima | |
> Eine Volksinitiative fordert die Ausrufung des „Klimanotstands“ – der | |
> Schritt hat so seine Tücken. Ein Wochenkommentar | |
Bild: Das CO2 aus der Kohleverstromung sieht man gar nicht – aber man spürt … | |
Zuerst einmal eine Nachricht, die für manche vielleicht erschütternd | |
klingt: Berlin könnte morgen komplett heruntergefahren werden, null | |
Emissionen, alles steht, kein Auspuff und kein Schornstein entlässt auch | |
nur einen Hauch CO2 in die Atmosphäre – am Klimawandel würde das nichts | |
ändern. Dazu ist die 3,8-Millionen-Stadt einfach zu unbedeutend. Und | |
natürlich würde sich auch für Berlin nichts ändern. Die Erderwärmung ist | |
ein globales Phänomen, der entkommt auch die vorbildlichste Kommune nicht, | |
wenn nicht alle überall gegensteuern. | |
Deswegen ist es dann ja auch wieder wichtig, dass Berlin seinen Beitrag zur | |
Klimaneutralität leistet: weil alle mitmachen müssen, weil es um Symbole | |
geht, die ausstrahlen, und weil in einer Metropole wie der unseren Dinge | |
erprobt werden können, wofür anderswo vielleicht (noch) die Ressourcen oder | |
die politischen Voraussetzungen fehlen. | |
Dass im Umfeld von Fridays for Future, Changing Cities und Co nun die | |
„Volksinitiative Klimanotstand“ entstanden ist und seit Montag | |
Unterschriften für die Ausrufung desselbigen sammelt, ist insofern eine | |
gute Sache. Schwer vorstellbar zudem, dass vor dem Hintergrund der | |
aktuellen Debatte die nötigen 20.000 Unterschriften für eine Behandlung des | |
Anliegens im Abgeordnetenhaus nicht ratzfatz im Kasten sind. | |
Aber das Projekt hat auch seine Schwächen und Fallstricke. Wenig | |
überzeugend wirkt etwa die Tatsache, dass der Initiator und seine | |
Vertrauenspersonen – darunter so rührige Leute wie Heinrich Strößenreuther | |
und Luisa Neubauer – lediglich auf die Defizite des rot-rot-grünen Senats | |
hinweisen. Der mag ja zu wenig für eine angemessen radikale Klimawende tun, | |
vielleicht sogar viel zu wenig. Nur, was genau soll er denn tun? Hier heißt | |
es bloß: „In der Politik sitzen die Profis, die sollen das entscheiden.“ | |
Der Volksentscheid Fahrrad etwa hätte ohne seine weitgehenden und sehr | |
konkreten Forderungen nicht einen Bruchteil seiner beträchtlichen Wirkung | |
gehabt. | |
Und dann ist da das nicht zu vernachlässigende Risiko, dass die Politik die | |
Initiative einfach mit einer festen Umarmung erstickt. Den – weitgehend | |
symbolischen – „Klimanotstand“ ausrufen, das würde Berlin genauso | |
hinbekommen wie Konstanz am Bodensee. Die Frage ist, welche Konsequenzen | |
sich daraus ergeben. | |
Die radikalen Ziele der Initiative – Kohlendioxid auf netto-null bis | |
spätestens 2035 – wird jedenfalls auch dieser Senat nie im Leben auch nur | |
annähernd durchsetzen (können), das sollte jedem klar sein. Woraus sich | |
noch ein Problem ergibt: Wenn die ganz junge und hoch motivierte Generation | |
von KlimaschützerInnen den Eindruck bekommt, dass nur ein Alles oder Nichts | |
in kürzester Zeit etwas bringt, könnte das erwartbare „Nichts“ – also d… | |
ganz mediokre Realität – für größtmögliche Ernüchterung sorgen. Was | |
wiederum nicht so toll fürs Klima wäre, auch nicht fürs gesellschaftliche. | |
11 May 2019 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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