# taz.de -- Volksinitiative „Klimanotstand“: Berlin muss runter vom CO2 | |
> Ein AktivistInnen-Bündnis fordert vom Senat die Ausrufung des | |
> Klimanotstands und ambitioniertere Klimaziele. Dazu hat es eine | |
> Volksinitiative gestartet. | |
Bild: Kein Grund zur Freude für Greta Thunberg: R2G hinkt bei seinen Klimaziel… | |
Dringlicher lässt es sich kaum formulieren: „Der Senat muss in den | |
Krisenmodus schalten“, fordert Marko Dörre. Der 45-jährige Rechtsanwalt und | |
Klimaaktivist hat am Montag eine Volksinitiative unter dem Motto | |
„Klimanotstand Berlin“ angemeldet, ein knappes Dutzend Organisationen steht | |
hinter ihm. Ihre Forderungen: Rot-Rot-Grün solle den „Klimanotstand“ | |
ausrufen, wie es vor Kurzem Konstanz getan hat. Die Treibhausgas-Emissionen | |
müssten sofort drastisch reduziert werden, die bisherigen Planungen | |
reichten nicht aus. Außerdem verlangen Dörre und seine MitstreiterInnen, | |
dass die Öffentlichkeit transparenter als bisher über den Klimaschutz | |
informiert wird. | |
Eine Volksinitiative ist sozusagen das kleine Geschwister von Volksbegehren | |
und Volksentscheid – ein deutlich schwächeres politisches Instrument, das | |
bei Erfolg lediglich dazu führt, dass ein Thema im Parlament behandelt | |
werden muss. Die Vertrauenspersonen der Initiative erhalten das Recht, in | |
den Ausschüssen angehört zu werden. Für eine erfolgreiche Durchführung | |
bedarf es 20.000 Unterschriften innerhalb von sechs Monaten. „Klimanotstand | |
Berlin“ könnte also bis Anfang November sammeln, aber Marko Dörre rechnet | |
damit, dass es viel schneller geht: „Wir wollen die 20.000 schon bis Mitte | |
August erreichen.“ Volksbegehren und Volksentscheid seien nicht infrage | |
gekommen, weil dabei schon mal zwei bis drei Jahre ins Land gehen könnten. | |
„So viel Zeit haben wir nicht.“ | |
Zu den Gesichtern der Initiative zählen Heinrich Strößenreuther vom Verein | |
Changing Cities, Luisa Neubauer von Fridays for Future, Milena Glimbovski, | |
die Gründerin des Kreuzberger Ladens Original Unverpackt, und die | |
Generalsekretärin des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung | |
Globale Umweltveränderungen (WBGU), Maja Göpel. Sie alle finden, dass die | |
Klimaziele Berlins viel ambitionierter sein müssten, um die Ende 2015 im | |
Pariser Übereinkommen formulierten und bindenden Ziele zu erreichen. | |
Zentral ist die im „Paris Agreement“ festgesetzte Zielmarke eines globalen | |
Temperaturanstiegs von höchstens 1,5 Grad Celsius gegenüber dem | |
vorindustriellen Niveau. | |
Um Berlins angemessenen Beitrag zu erreichen, die sogenannte | |
Klimaneutralität, sieht das noch unter Rot-Schwarz beschlossene | |
Energiewendegesetz vor, den landesweiten CO2-Ausstoß bis 2020 um mindestens | |
40 Prozent gegenüber den Emissionen von 1990 zu drücken. Bis 2030 sollen es | |
mindestens 60 Prozent und bis 2050 mindestens 85 Prozent weniger CO2 als | |
1990 sein. Im Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm (BEK) 2030 hat | |
Rot-Rot-Grün noch eine Schippe draufgelegt: Hier ist von einer Reduzierung | |
um 95 Prozent bis 2050 die Rede. | |
## Nettonull bis 2030 oder 2035? | |
Das klingt nach viel – laut Marko Dörre ist es längst nicht genug: „Nur | |
Nullemissionen in Deutschland bis 2030 bringen uns sicher auf den | |
1,5-Grad-Pfad“, sagt er und kann sich dabei auf namhafte | |
WissenschaftlerInnen wie das in Köln und Berlin tätige NewClimate Institute | |
sowie Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) | |
berufen. Rahmstorf ist sogar noch ein wenig kulanter, indem er eine | |
„Nettonull“ bei den CO2-Emissionen bis 2035 für gerade noch ausreichend | |
hält. | |
Aber auch das selbst gesteckte Ziel des Senats – 40 Prozent Reduktion | |
gegenüber 1990 bis zum kommenden Jahr – wird nach Angaben der | |
Volksinitiative verfehlt, wenn es so weitergeht wie bisher. Für 2015 kamen | |
die StatistikerInnen nur auf ein Minus von 33,3 Prozent. Auch das prangern | |
die AktivistInnen an: „Das Monitoring findet in Berlin stark zeitverzögert | |
statt. Wir sind hier drei Jahre im Verzug“, mahnt Dörre. | |
Von der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz war bis | |
Redaktionsschluss kein Statement zu erhalten. Der klimapolitische Sprecher | |
der Grünenfraktion, Georg Kössler, signalisierte jedoch Unterstützung für | |
die Ziele der Initiative: „Berlin reduziert seine Emissionen noch nicht | |
schnell genug, um seinen Beitrag zum Pariser Klimaziel zu leisten.“ Das BEK | |
2030 sei eine erste Grundlage, die Umsetzung aber „noch zu langsam“. Es | |
müsse jetzt mit den Koalitionspartnern darüber gesprochen werden, wie das | |
Berliner Energiewendegesetz den Anforderungen von Paris angepasst werden | |
könne. | |
6 May 2019 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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