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# taz.de -- „Zero Waste“ in Berlin: Nicht für die Tonne, aber …
> Der BUND kritisiert das Abfallwirtschaftskonzept des Senats: Das Planwerk
> sei zu unverbindlich und nicht konkret genug.
Bild: Immer rin in die Tonne? Das kommt dabei raus
Lob im Allgemeinen, viel Kritik im Detail: Der Bund für Umwelt und
Naturschutz (BUND) hat am Dienstag seine ausführliche Bewertung des
Senatsentwurfs für das Abfallwirtschaftskonzept 2020–2030 vorgestellt. Die
Organisation begrüßt das neue „Zero Waste“-Leitbild des
Planungsinstruments, bemängelt aber die Unverbindlichkeit dieser
Zielstellung und die fehlende Konkretisierung entsprechender Maßnahmen.
Das [1][„Abfallwirtschaftskonzept für Siedlungs- und Bauabfälle sowie
Klärschlamm“], wie es offiziell heißt, wird regelmäßig fortgeschrieben. Es
soll den Status quo der Entsorgung dokumentieren und Strategien
präsentieren, wie Müll vermieden oder aber optimal verwertet werden kann.
Der von der Senatsumweltverwaltung im Januar vorgelegte Entwurf ist 150
Seiten lang – die BUND-Stellungnahme bringt es immerhin auch auf knapp 100.
Sie wurde der Senatsverwaltung am vergangenen Donnerstag formal im Rahmen
der Öffentlichkeitsbeteiligung überreicht und muss jetzt geprüft werden.
Im Zentrum des Konzepts stehen zwei Prognosen, ein „Basis-“ und ein
„Öko-Szenario“: Es geht darum, wie sich die Menge des Restmülls aus
Haushalten und Geschäften bis 2030 entwickelt, also des Bergs aus
ungetrenntem Misch-Müll, der zurzeit rund 830.000 Tonnen ausmacht –
gegenüber 570.000 Tonnen getrennter Abfallfraktionen von Glas und Papier
über Verpackungskunststoffe bis zum Biomüll. In der Basisvariante reduziert
sich dieser Anteil auf 747.000, in der Ökovariante auf 673.000 Tonnen. Weil
die gesamte Abfallmenge aufgrund des Bevölkerungswachstums immer noch
leicht stiege, würde das bedeuten, dass der Restmüll auf weniger als die
Hälfte aller Abfälle schrumpft.
Wie gesagt: Es handelt sich formal nur um Prognosen. Die BUND-ExpertInnen
fordern dagegen, das „Öko-Szenario“ zum verbindlichen Ziel mit einem
konkreten Zeitplan zu machen und auch schon über 2030 hinauszudenken: Die
Reduktion von heute 229 Kilo Restmüll pro BerlinerIn und Jahr auf 187 Kilo
(2030) müsse vorangetrieben werden auf 150 Kilo (2035) und 100 Kilo (2040).
## Vorbild Ljubljana
„Der Bundesschnitt lag 2017 schon bei lediglich 158 Kilo“, sagt
BUND-Referent Tobias Quast. Das liege unter anderem an der höheren
Trennmoral in kleinstädtischen und ländlichen Strukturen, wo die soziale
Kontrolle stärker ist. „In manchen europäischen Kommunen, die sich dem
Zero-Waste-Netzwerk angeschlossen haben, liegen die Zahlen aber noch weit
darunter“, so Quast. Das slowenische Ljubljana etwa produziere heute schon
weniger als 120 Kilo Restmüll pro Kopf und plane, diese Zahl bis 2035 auf
ganze 50 Kilo zu minimieren.
Was tun also in Berlin? Problematisch ist zurzeit besonders der sehr hohe
organische Anteil im Restmüll, der gut 43 Prozent beträgt. Der größte Teil
davon könnte eigentlich in der Biotonne landen – tut es aber nicht, weil es
an besagter Trennmoral mangelt und die Tonnen zwar seit diesem Jahr für die
meisten Haushalte Pflicht sind, aber nicht kostenlos aufgestellt werden.
Das fordert der BUND, in Verbindung mit einer viel intensiveren Information
über die Vorteile des Trennens. „Jeder Haushalt müsste mindestens einmal im
Jahr direkt vom Entsorger addressiert werden“, sagt Quast, „Plakatkampagnen
sind dagegen teuer und verpuffen weitgehend.“
So oder so wird das Bioabfallaufkommen ab diesem Jahr durch die braune
Pflichttonne deutlich zunehmen, die BSR rechnet mit einem Anstieg von
bislang knapp 80.000 auf rund 135.000 Tonnen. Damit auch diese Menge
energetisch optimal genutzt wird und möglichst wenig Klimagase in die
Atmosphäre entlassen werden, fordert der BUND den sofortigen Planungsstart
für eine zweite Biogasanlage. „Die muss mindestens 40.000 Tonnen im Jahr
fassen und bei Bedarf modular erweiterbar sein“, so Abfallexperte Christoph
Lauwigi.
Außerdem auf der Wunschliste seiner Organisation: die Abschaffung der
Grundgebühr für die Restmüllabholung, die den Anreiz zum Trennen schmälert,
eine kostenfreie Sperrmüllabholung und mehr Recyclinghöfe, auf denen nicht
nur alle haushaltsüblichen Schadstoffe, sondern auch noch gebrauchsfähige
Geräte oder Möbel zur Weitergabe angenommen werden. Im Gegensatz dazu sieht
der Senatsentwurf sogar die Schließung eines bestehenden Recyclinghofs vor.
Am Mittwoch haben die BUND-Experten einen Gesprächstermin beim
Interimsvorstand der BSR. Die Stadtreinigung sucht derzeit Ersatz für
Geschäftsführerin Tanja Wielgoß, die zu Vattenfall gewechselt ist. Für den
BUND die perfekte Gelegenheit, den „Zero Waste“-Anspruch noch weiter zu
unterfüttern: Aus seiner Sicht sollte der Arbeitsvertrag von Wielgoß'
Nachfolgerin „klare Vorgaben zur strategischen Neuausrichtung der BSR und
Umsetzung der Ziele des Abfallwirtschaftskonzepts“ enthalten.
9 Apr 2019
## LINKS
[1] https://www.berlin.de/senuvk/umwelt/abfall/konzept_berlin/
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
BSR
Abfallwirtschaft
Mülltrennung
Abfallwirtschaft
Lebensmittelverschwendung
Myfest
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Plastikmüll
Sandra Scheeres
Umweltpädagogik
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