# taz.de -- Müll beim MyFest: Eine Orgie in Plastik | |
> Von Nachhaltigkeit hat man am 1. Mai in Kreuzberg offenbar noch nichts | |
> gehört. Am Tag nach dem MyFest kann niemand genau sagen, warum das so | |
> ist. | |
Bild: Alles druff, getrennt wird morgen wieder! | |
Die Revolution in Kreuzberg fällt am 1. Mai schon länger aus, dem MyFest | |
sei Dank. Aber nicht nur die mit den roten Fahnen und den gereckten | |
Fäusten: Auch in Sachen Nachhaltigkeit hat ausgerechnet der tiefgrüne | |
Bezirk die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte komplett verschlafen. | |
Bier und Longdrinks aus Mehrwegbechern? Ess- und kompostierbare | |
Lebensmittelschalen? Fehlanzeige. Das MyFest ist eine Orgie aus Plastik, | |
Alufolie und Pappe. Und damit nicht genug: Auch bei der Sammlung des | |
anfallenden Mülls kneift man im Ökobezirk beide Augen fest zu. Schon am | |
frühen Nachmittag verkommen die kleinen orangefarbenen BSR-Mülleimer zum | |
bloßen optischen Signal, wo ein wilder Müllberg auf Nachschub wartet. | |
Auf 150 Kubikmeter schätzt die BSR die Müllmenge, die sie in der Nacht zum | |
2. Mai auf dem MyFest und drum herum einsammelt. Kann das wirklich sein? In | |
Kreuzberg, wo man sich auf die Schultern klopft, weil es einen kleinen | |
„Unverpackt-Laden“ gibt, über den die Medien landauf, landab berichten? | |
Antworten sind am Tag danach nicht leicht zu bekommen. Die Pressestelle des | |
Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg bestätigt das Fehlen eines Mehrweg- und | |
Trennkonzepts, ist aber etwas ratlos und verweist darauf, dass formal nicht | |
das Bezirksamt, sondern der Verein MyFest e. V. Veranstalter ist – und bei | |
dem geht niemand ans Telefon. Vor acht oder zehn Jahren habe es mal einen | |
Mehrwegversuch gegeben, sagt eine Bezirkssprecherin, das habe aber nicht | |
gut funktioniert, weil die Geschirrmengen nicht ausgereicht hätten. Dann | |
habe sich offenbar lange niemand mehr Gedanken darüber gemacht. „Wir nehmen | |
den Hinweis gerne noch mal mit.“ | |
## „Einweg ist nicht mehr zulässig“ | |
Googelt man, stößt man im Netz auf einen „Newsletter Grüne Beschaffung“ … | |
Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz vom vergangenen Jahr. | |
Darin heißt es: „In Berlin ist Einweggeschirr schon in allen öffentlichen | |
Bereichen gemäß der Verwaltungsvorschrift Beschaffung und Umwelt (VwVBU) | |
nicht mehr zulässig, etwa bei Großveranstaltungen. Hier muss verpflichtend | |
Mehrweggeschirr/-besteck verwendet werden.“ | |
Warum dann die Realität ganz anders aussieht? Auch in der Senatsverwaltung | |
muss man auf die Schnelle passen und verweist ebenfalls auf die erwähnte | |
Verwaltungsvorschrift, in der tatsächlich steht, „bei Großveranstaltungen | |
von öffentlichen Einrichtungen, die von vielen kleinen Anbietern geprägt | |
sind (z. B. Parkfeste)“ sei „ausschließlich die Verwendung von | |
Mehrweggeschirr zulässig“. Unklar bleibt, ob es sich noch um eine | |
öffentlich ausgerichtete Veranstaltung handelt, wenn ein Verein | |
zwischengeschaltet ist, und ob möglicherweise die „Wertgrenze“ von 10.000 | |
Euro gilt, ab der die Vorschrift erst greift. | |
Für Tobias Quast, Abfallexperte vom Landesverband des BUND, wären selbst | |
das keine zwingenden Gründe, auf ein nachhaltiges Müllkonzept zu | |
verzichten: „Die öffentliche Hand kann immer mehr als das Vorgeschriebene | |
tun. Man könnte etwa eine Mehrwegpflicht in die Sondernutzungsgenehmigung | |
aufnehmen, die für die Anbieter auf Straßenfesten gilt.“ Seine Vermutung: | |
Weil sie Mehrkosten und vor allem Mehraufwand bedeuten, fielen solche | |
Absprachen schnell „hinten runter“. | |
Das gelte auch für die Mülltrennung: „Wenn Sie auf solchen Festen nicht an | |
vielen Orten Sammelbehälter für die verschiedenen Abfallarten aufstellen, | |
vermischt sich alles und landet am Ende in der Verbrennung.“ | |
Alles ziemlich problematisch, findet Quast, aber so sei offenbar die | |
Realität auf der Mehrzahl der Berliner Straßenfeste. Dass es anders geht, | |
wisse er vom Spandauer Weihnachtsmarkt: „Das ist eine richtige Fressmeile, | |
muss man sagen. Aber da wird ganz vorbildlich mit Mehrweg gearbeitet.“ | |
Von Spandau lernen heißt siegen lernen. | |
2 May 2019 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
## TAGS | |
Myfest | |
Friedrichshain-Kreuzberg | |
Mülltrennung | |
Einwegbecher | |
Nachhaltigkeit | |
Zero Waste | |
Weihnachtsmarkt | |
Müll | |
Schwerpunkt 1. Mai in Berlin | |
BSR | |
Umweltpädagogik | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
„Zero-Waste-Konzept“: Kreuzberger Kehraus | |
Ein „Zero-Waste-Konzept“ soll Friedrichshain-Kreuzberg sauberer und | |
nachhaltiger machen. Es könnte das Ende der Vermüllung durch Straßenfeste | |
sein. | |
Berliner Weihnachtsmärkte werden öko: Früher war mehr Lametta | |
Strengere bezirkliche Auflagen, aber auch Eigeninitiativen der Berliner | |
Weihnachtsmärkte sorgen für eine bessere Ökobilanz des Spektakels. | |
Müll beim Marathon: Bitte mehr Plastikbecher-Scham! | |
Wäre Mehrweg ein Rezept gegen die Müll-Lawine beim Berlin Marathon? Die | |
Meinungen gehen da auseinander. | |
1. Mai in Berlin-Kreuzberg: Köfte, Mexikaner und eine Räumung | |
Zehntausende kommen wieder zum Myfest nach Kreuzberg. Im Görlitzer Park | |
fehlt vielen die Musik. Streit gibt es um zerstörte Obdachlosenbehausungen. | |
„Zero Waste“ in Berlin: Nicht für die Tonne, aber … | |
Der BUND kritisiert das Abfallwirtschaftskonzept des Senats: Das Planwerk | |
sei zu unverbindlich und nicht konkret genug. | |
„Zero Waste“-Strategie des Berliner Senats: Die Welt ist im Eimer | |
Workshops sollen SchülerInnen für Müllvermeidung sensibilisieren. Noch | |
fällt in Berlin jedes Jahr knapp eine Million Tonnen Haushaltsmüll an. |