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# taz.de -- Prozess um „Judensau“ in Wittenberg: Unter aller Sau
> Am Landgericht Dessau-Roßlau wird die Beseitigung eines Reliefs an einer
> Kirche verhandelt. Das Motiv spielt auch heute eine Rolle im
> Antisemitismus.
Bild: Diese judenfeindliche Schmähplastik hängt seit über 700 Jahren an der …
„Judensau, verschwinde aus Deutschland“, riefen Neonazis im vergangenen
September, [1][als sie in Chemnitz das koschere Restaurant „Schalom“ mit
Steinen angriffen.] Die „Judensau“ ist allerdings nicht nur eine
rechtsextreme Beleidigung, sondern auch ein bereits im Hochmittelalter
entstandenes Motiv des christlichen Antijudaismus.
Die Bilder zeigen Juden im intimen Kontakt mit Schweinen. Sie sollten damit
verhöhnt und gedemütigt werden. Der Hintergrund des Motivs: Schweine gelten
im Judentum als unrein. In Deutschland sind noch etwa 30 dieser Skulpturen
mit diesem Motiv erhalten und hängen an öffentlichen Orten – teilweise ohne
jede Kontextualisierung.
An der Wittenberger Stadtkirche hängt eine solche steinerne Schmähplastik
seit über 700 Jahren. Sie zeigt einen Rabbiner, der einem Schwein unter den
Schwanz schaut, und Juden, die an den Zitzen des Schweins saugen. 1996
wurde diesem Gotteshaus trotz der Plastik der Status als Weltkulturerbe der
Unesco zugesprochen.
Ein Berliner Jude fordert die Beseitigung des Sandsteinreliefs, seine
Klage wegen Beleidigung wird ab Donnerstag vor dem Landgericht
Dessau-Roßlau verhandelt. Die Wittenberger AfD sprach sich vor zwei Jahren
für den Erhalt der „Judensau“ aus, da sie „Teil unserer Geschichte und T…
unserer Stadt“ sei. Den Antisemitismusvorwurf bezeichnet der Kreisverband
als „Totschlagargument“.
## Fantasierte jüdische Medienmacht
Dass die Plastik antisemitisch ist, steht jedoch außer Frage. Im
Nationalsozialismus und später wurde das Motiv begeistert aufgegriffen. Im
antisemitischen Stürmer stand die „Judensau“ beispielsweise für die
fantasierte jüdische Medienmacht. Musiker Roger Waters, Unterstützer
[2][der gegen Israel gerichteten Boykottbewegung BDS,] ließ von 2010 bis
2013 bei seinen Konzerten Schweineballons aufsteigen, [3][auf denen unter
anderem ein Davidstern zu sehen war.] Und auch im muslimischen
Antisemitismus spielt die Bezeichnung von Juden als „Affen und Schweine“
eine Rolle.
Es ist eine spannende Debatte darüber, ob die Auseinandersetzung mit
historischer Judenfeindlichkeit oder das Sichtbarmachen der christlichen
Geschichte des Antijudaismus nicht durch eine Entfernung behindert würde.
In Wittenberg gibt es seit 1988 immerhin eine Gedenkplatte. Dass die Unesco
allerdings eine Kirche mit dieser Symbolik auch noch auszeichnet, ist
fraglos unter aller Sau.
3 Apr 2019
## LINKS
[1] /Anschlaege-in-Sachsen/!5543459
[2] /Debatte-BDS-und-Antisemitismus/!5563098
[3] /Muenchen-Konzert-trotz-Judenhass/!5513087
## AUTOREN
Frederik Schindler
## TAGS
Antisemitismus
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