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# taz.de -- Antisemitisches Relief: Im Zweifel für die Sau?
> Vor Gericht ist man sich einig: Die Plastik an der Kirche von Wittenberg
> ist antisemitisch. Trotzdem wird das Schmähwerk vermutlich nicht
> entfernt.
Bild: Mahnmal oder Schmähwerk? Vor Gericht wird gestritten, ob diese Darstellu…
Naumburg taz | Die Klage auf die Beseitigung eines mittelalterlichen
antisemitischen Schmähwerks von der Fassade der Stadtkirche von Wittenberg
droht zu scheitern. Der Richter im Berufungsverfahren vor dem
Oberlandesgericht Naumburg, Volker Buchloh, machte in der mündlichen
Verhandlung am Dienstag deutlich, dass das Gericht der Auffassung zu neige,
die Klage abzulehnen. „Nach derzeitigem Stand hat die Berufung keine
Aussicht auf Erfolg“, sagte Buchloh, bevor die Parteien ihre Positionen
vortrugen.
In dem Zivilverfahren verlangt der Bonner Jude Michael Düllmann von der
Stadtkirchengemeinde Wittenberg, [1][ein Relief von der Fassade
abzunehmen]. Die etwa 700 alte Darstellung zeigt Juden um ein Schwein herum
gruppiert; ein Rabbiner schaut dabei der Sau in den After. Der
antisemitische Charakter der Darstellung, auf die sich auch Martin Luther
positiv berief, ist dabei unstrittig.
Auch Pfarrer Johannes Block von der Stadtkirche erklärte, man wolle „gegen
die Geschichte des Antisemitismus ankämpfen“. Insofern gebe es ein
gemeinsames Interesse mit dem Kläger. Allerdings lehnte er die Beseitigung
der Plastik ab. Bock argumentierte, durch die Einbettung des in gut vier
Meter Höhe an der Kirche angebrachten Reliefs mit einer Gedenkplatte und
einer Erklärtafel sei eine „Stätte der Mahnung“ entstanden. Angesicht
vehementer Kritik an dem missverständlichen Text auf der Gedenktafel
versprach Block auch, diese Stätte weiterzuentwickeln. „Würden wir die
Plastik abnehmen, dann würde es heißen, wir würden Geschichte verfälschen�…
sagte der Pfarrer.
Der 76-jährige Kläger Michael Düllmann widersprach Block vehement.
„Verstehe ich Sie als evangelischer Pfarrer oder als Denkmalschützer“,
fragte er Block zugewandt und warf diesem vor, er würde es hinnehmen, dass
das Relief ein Teil der kirchlichen Verkündung darstelle, solange sie an
der Fassade angebracht sei.
## Eine objektive Beleidigung?
Düllmann sieht sich in seiner Person beleidigt: „Die ‚Judensau‘ tituliert
mich als Saujuden“ und verfälsche das Judentum, sagte er. Die Darstellung
diffamiere das Judentum, die Gedenkplatte darunter mache die Angelegenheit
nicht besser. „Blindheit springt aus Ihren Augen heraus“, warf Düllmann
Pfarrer Block vor.
Kläger Düllmann empfiehlt, das [2][antisemitische Schmähwerk] in ein Museum
zu bringen und dort im entsprechenden Kontext zu zeigen. Auf diesen
Vorschlag wiederum ging Richter Buchloh in seiner einführenden Erklärung
ein. Auch in diesem Fall würde die Plastik weiterhin öffentlich
ausgestellt, auch dort könnte sie beleidigend wirken, sagte er.
Der Richter sagte, dass kein Zweifel daran bestehe, dass das Relief „dazu
diente, Juden verächtlich zu machen“. Die Frage sei, ob das Ganze als
Ensemble – also einschließlich der Bodenplatte und des Erklärtextes –
„objektiv als Beleidigung verstanden werden kann“. Sollte das Gericht wie
angedeutet die Klage ablehnen, eine Revision aber ermöglichen, stünde
Kläger Düllmann als nächste Instanz der Bundesgerichtshof offen. Düllmann
hatte schon vor dem Gerichtstermin in Naumburg angekündigt, notfalls bis
zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu ziehen. Das Urteil in
Naumburg ist für den 4. Februar vorgesehen.
22 Jan 2020
## LINKS
[1] /Prozess-gegen-Judenhass-Symbol-an-Kirche/!5654859
[2] /Prozess-um-Judensau-in-Wittenberg/!5583504
## AUTOREN
Klaus Hillenbrand
## TAGS
Antisemitismus
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Schwerpunkt Libyenkrieg
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