| # taz.de -- Neubauten in Hamburg-Steilshoop: Streit um die Sahneseite | |
| > Im dicht besiedelten Steilshoop soll die Schule am See abgerissen und der | |
| > Platz mit Wohnungen bebaut werden. Anwohner wollen sie für ein | |
| > Stadtteil-Center erhalten. | |
| Bild: Kämpfen für ein Community-Center: AnwohnerInnen in Steilshoop | |
| Hamburg taz | „Na, dann lernen Sie jetzt mal die Sahneseite von Steilshoop | |
| kennen“, sagt Angelika Biermaier, als sie die Reporterin von der | |
| Bushaltestelle abholt. 17 Minuten mit der Linie 7 ab Barmbek sind es zur | |
| Endhaltestelle Borchertring in Steilshoop, Hamburgs dichtestbesiedeltem | |
| Quartier. Im Rücken die achtstöckigen Häuser gehen wir der Nachmittagssonne | |
| entgegen in Richtung See. | |
| Biermaier ist Mitglied des Vereins zum Erhalt und Nachnutzung der Schule am | |
| Borchertring, kurz Vens. Wir sind mit Sprecher Egmond Tenten verabredet. Es | |
| kommen gleich noch vier Mitstreiter*innen zum spontanen Gespräch vor der | |
| Turnhalle. Geht alles nach Plan, wird diese Schule hier bald abgerissen und | |
| das Gelände am See mit Wohnungen der Saga bebaut. | |
| Hier am Rand der Großsiedlung, die in diesem Jahr 50 wird und aus 22 | |
| Hochhausringen besteht, die Wohnungen für 22.000 Menschen bieten, steht | |
| eine Grundschule vom „H-Typ 68“ – dem Schulbau-Standard aus den | |
| 1960er-Jahren. Die Gebäude sind mit Waschbeton verkleidet. Eine Turnhalle, | |
| ein H-förmiger Unterrichtstrakt, ein Eingangshaus mit Aula und Räumen für | |
| die Verwaltung. All dies wirkt hübsch, die freien Flächen sind bewachsen | |
| mit Bäumen und Sträuchern. Auf der langen Holzbank am Pausenhof liegen | |
| Tannennadeln. | |
| Der Schulbetrieb ist an diesem Freitag längst aus. Nebenan auf einem | |
| Spielplatz wird gegrillt, lachende Kinder sind zu hören. Neben der Schule | |
| sind es wenige Schritte zum Bramfelder See. Hier sieht man nur noch Natur. | |
| Der Holzsteg vom Anglerverein strahlt im Abendlicht. Gänse fliegen am | |
| Himmel, Jogger laufen vorbei. „Hier kann man herum gehen“, sagt Biermaier. | |
| „Es gab sogar mal eine Brücke über den See.“ | |
| Trotz der idyllischen Lage am See soll die Schule umziehen und die Gebäude | |
| weichen. Das ist möglich, weil im Sommer an anderer Stelle Steilshoops der | |
| neue „Campus“ fertig ist, der eine dort bereits abgerissene Gesamtschule | |
| ersetzt. Die war riesig, ein Bildungszentrum mit viel Platz. | |
| „Dort konnten wir umsonst Räume nutzen“, erinnert sich Anwohnerin Ilona | |
| Konrad. „Es gab eine bunte Nutzung vom Yoga-Treff bis Schach. Das war dann | |
| alles weg“, sagt die Kunsthistorikerin. Der Neubau sei kleiner. „Am neuen | |
| Campus ist der Platz viel weniger, und man muss Miete zahlen“, sagt | |
| Anwohnerin Katrin Schliemann. „Da gibt es dann nur einen ganz kleinen | |
| Kulturtreff. Der ist so klein.“ Sie zeigt es mit den Händen. | |
| Kurzum: Die Anwohner wollen die Schule am See erhalten und selber nutzen, | |
| in Form einer Genossenschaft. Die Turnhalle, wo auch Tänzer trainieren, | |
| solle für alle erhalten bleiben. In dem Unterrichtstrakt sollen 60 bis 80 | |
| kleine Wohnungen für Auszubildende und ältere Leute entstehen, in der Aula | |
| und Fachräumen soll Raum für Musik und Kunst sein. Den Schulhof könne man | |
| entsiegeln, es könne „Urban Gardening“ geben und an der Stelle mit dem | |
| besten Blick aufs Wasser soll ein Café entstehen. | |
| ## „Totale Ödnis“ | |
| Ilona Konrad könnte sich auf dem Gelände sogar „Tiny Houses“ vorstellen. | |
| „Wir brauchen hier junge Leute“, sagt die Künstlerin. „Ich möchte, hier | |
| auch mal was Modernes.“ Früher habe es noch ein Kino und ein Restaurant | |
| gegeben, heute gebe es nichts mehr, wo sie nach dem Singen in der Kirche | |
| was trinken gehen könne, ergänzt Schliemann. „Wir haben hier totale Ödnis.… | |
| Egmond Tenten hat die Planung auf ein Plakat und eine Postkarte gedruckt. | |
| Überschrift: „Steilshoop am See 2020/Zum Nutzen für’s Quartier“. Der Ort | |
| habe mit seiner besonderen Lage eine „Scharnierfunktion“ für Begegnungen | |
| zwischen Spaziergängern aus Steilshoop und umliegenden Stadtteilen, heißt | |
| es in einem Brief, den nun auch Stadtteilbeirat und Koordinierungskonferenz | |
| an den Planungsausschuss im Bezirk Wandsbek schickten. „Wir fordern einen | |
| Planungstopp“, sagt Tenten. | |
| Als die Fotos im Kasten sind, setzen wir uns noch in einem Pavillon | |
| zusammen, den der Ausbildungsträger Alraune e.V. für ein Projekt nutzt. | |
| Auch der würde abgerissen. Ob da noch was zu machen ist? | |
| ## Architektur-Wettbewerb in Vorbereitung | |
| Nach Auskunft der Stadtentwicklungsbehörde hat die Senatskommission für | |
| Wohnungsbau bereits 2015 die „Rahmenplanung Steilshoop-Nord“ beschlossen. | |
| Und die besagt, dass am Nordrand der Großsiedlung auf dem Gelände am See | |
| und zwei weiteren Flächen, die durch Wegfall des alten Bildungszentrums | |
| frei werden, 400 bis 500 Wohnungen gebaut werden. Auch in Steilshoop wird | |
| also nachverdichtet. Bauherr soll die Saga sein, die das Areal per Erbpacht | |
| bekommt. Geplant ist Systembauweise. | |
| Der Erhalt einzelner Gebäude der Schule am See sei „nicht vorgesehen“, sagt | |
| auch ein Sprecher des Bezirks Wandsbek. Derzeit wird im Auftrag der Saga | |
| einen Architektur-Wettbewerb vorbereitet, der am 2. April im | |
| Stadtteilbeirat vorgestellt wird. | |
| „Es ist eigentlich alles schon festgelegt, die Baumasse, die Bauhöhe“, | |
| berichtet der Linken-Bezirkspolitiker Rainer Behrens. Nur bei den | |
| Grünflächen gebe es noch „Spielraum, etwas zu gestalten“. Eine Beteiligung | |
| des Stadtteils sei „nicht mehr vorgesehen“. | |
| Dabei engagiert sich die Initiative schon seit 2013. Zunächst wollte sie | |
| den Abriss der Gesamtschule verhindern, und weil das nichts wurde, streitet | |
| sie für ein neues Comunity-Center. „Zur Schule am See hieß es jedoch: Deren | |
| Gelände müsse verkauft werden um den Neubau zu finanzieren. Man hat uns | |
| nicht erlaubt, darüber zu diskutieren“, erinnert Konrad. Nun, wo das | |
| Grundstück günstig per Erbpacht weggehe, sehe sich der Stadtteil | |
| verschaukelt. „Hätten wir das gewusst, hätten wir selber ein | |
| Genossenschaftsprojekt initiiert.“ Es habe zwar damals Beteiligungsprozesse | |
| gegeben. Doch rückwirkend sei dies eine „Mitmachfalle“ und | |
| „Demokratiesimulation“ gewesen. | |
| 25 Mar 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Kaija Kutter | |
| ## TAGS | |
| Stadtentwicklung Hamburg | |
| Beteiligung | |
| Stadtteilkultur | |
| Hamburg-Steilshoop | |
| Immobilien Hamburg | |
| Hamburg | |
| Hamburg-Steilshoop | |
| St. Pauli | |
| Stadtentwicklung Hamburg | |
| Kinderarmut | |
| Wohnungsbau | |
| Mieten | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Bauprojekt-Streit in Hamburg-Steilshoop: „Zu viel und am falschen Ort“ | |
| In Hamburgs am engsten besiedelten Quartier will die Stadt 470 weitere | |
| günstige Wohnungen bauen. Eine Initiative wehrt sich gegen „mehr vom | |
| Gleichen“. | |
| Neubau am Neuen Pferdemarkt: Büroklotz statt Biryani | |
| Am Neuen Pferdemarkt auf St. Pauli soll ein Restaurant dem umstrittenen | |
| sechsstöckigen Bürokomplex Pauli-Haus weichen. | |
| Wohnen in Hamburg: Acht Euro Miete sind drin | |
| Die Stadtentwicklungsbehörde präsentiert in Neugraben ein Modellprojekt, | |
| das zeigen soll, wie ein Wohnungsbau für Normalverdiener aussehen könnte. | |
| Armut in Hamburg: Kinder trennen Welten | |
| Die Zahl der Kinder, die in Hartz-IV-Haushalten leben, ist gestiegen und | |
| verteilt sich höchst ungleich auf das Stadtgebiet. | |
| Hamburger Mieten steigen weiter: Die Nischen verschwinden | |
| Die Mieten sind trotz Wohnungsbauprogramms und Mietpreisbremse auf einem | |
| Rekordniveau gelandet. Nun steigt der Druck auf bisher nicht so gefragte | |
| Stadtteile. | |
| Mietsteigerungen in Steilshoop: Ein existentielles Problem | |
| In Steilshoop saniert das Wohnungsunternehmen Vonovia seine Häuser. Das | |
| bedeutet Mieterhöhungen. Diese seien aber unrechtmäßig, sagt der | |
| Mieterverein. |