| # taz.de -- Dokumentartheater zu Kuba: Die Revolution hat noch zu tun | |
| > Geliebte Großeltern: In dem Theaterstück „Granma“ berichten die Enkel d… | |
| > Revolutionäre, dass auch in Kuba nicht alles geklappt hat. | |
| Bild: Milagro Álvarez Leliebre in Granma | |
| Eine Zeitung, die Oma heißt. Wer sich mit der kubanischen Revolution nicht | |
| so auskennt, wird das sicher ganz lustig finden: dass die übrigens einzige | |
| Tageszeitung der karibischen Insel Granma heißt, also eben: Oma. Die | |
| anderen, die Wissenden, werden müde abwinken – Granma heißt so, weil das | |
| berühmte Schiff, auf denen die Revolutionäre 1956 von Mexiko aus zu der | |
| Insel übersetzten, auf diesen Namen getauft war. | |
| Das Schiff, die Oma der Revolution sozusagen, steht heute im Museum der | |
| Revolution in Havanna, und ein Enkel einer der Revolutionäre dieser | |
| berühmten Überfahrt stand am Donnerstagabend (21. März) in Berlin auf der | |
| Bühne. | |
| Sein Name ist Daniel Cruces-Pérez; er ist einer von vieren, die hier im | |
| Maxim Gorki Theater von Kuba erzählen, von ihren Großeltern und deren | |
| Geschichte, die eng bis sehr eng mit der Geschichte Kubas, mit der | |
| Revolution, die an Neujahr ihren 60. Geburtstag feierte, verbunden ist. | |
| ## Projektionsfläche für linke Sehnsüchte | |
| Die anderen drei heißen Milagro („das Wunder“) Álvarez Leliebre, Christian | |
| Paneque Moreda und Diana Sainz Mena. Zwei Frauen, zwei Männer – bewehrt | |
| sind sie mit Posaunen und jeder Menge Infos und Archivmaterial. Konzipiert | |
| wurde das Stück „Granma – Posaunen aus Havanna“ als „eine dokumentaris… | |
| Zeitreise“ von Rimini Protokoll, Konzeption und Regie unterlagen Stefan | |
| Kaegi. | |
| Es war ein kurzweiliger, irgendwie rührender Theaterabend, der sehr unter | |
| dem Zeichen Doku stand, eher weniger unter dem Zeichen Theater, trotz aller | |
| technischen Tricks, einstudierter Passagen und musikalischer Einlagen. | |
| Die Protagonistinnen und Protagonisten schafften es rasch, das Publikum | |
| (der Saal im Gorki war übrigens nicht im Entferntesten ausverkauft) auf | |
| ihre Seite zu ziehen – das war alles grundsympathisch, ob man nun | |
| linkssozialisierte Ahnung von Kuba hatte oder nicht. Andererseits ist diese | |
| Form von Dokumentationstheater nie weit von einem besseren Diavortrag oder, | |
| wir sind ja doch schon im 21. Jahrhundert, vom Science-Slam mit | |
| Power-Präsentation und lebenden Figuren entfernt. | |
| Außerdem stellt Kuba tatsächlich eine Projektionsfläche für linke | |
| europäische Sehnsüchte dar. Die Performance auf der Bühne wurde so immer | |
| dann schwierig, wenn das Publikum eingebunden werden sollte (ein | |
| Baseballschlag bringt das Böse dieser Welt eben nicht zum Verschwinden) | |
| oder auf andere Weise direkt angesprochen wurde. | |
| ## All die schönen Autos und Farben aus den Fünfzigern! | |
| Die Klischees über Kuba, von denen es ja zahlreiche gibt, laufen da immer | |
| gleich mit – ihnen gänzlich auszuweichen fiel schwer, sowohl denen im Saal | |
| wie denen auf der Bühne. Sei es, dass die kubanische Revolution als die | |
| sympathische Version des Sozialismus gilt (im Gegensatz zur | |
| paranoid-stalinistischen des Warschauer Pakts); sei es, dass die Insel vor | |
| der Küste Floridas als das gallische Dorf im Kampf gegen das böse Amerika | |
| behauptet wird; sei es, dass die Revolutionäre von damals – ausnahmslos | |
| Männer – Sexsymbole waren. | |
| Und dann all die schönen Autos, die schönen Häuser und Farben aus den | |
| Fünfzigern! Kuba, ein Fest der Revolutionsromantik. | |
| Den vieren auf der Bühne gelingt es in den besten Momenten dieses Abends, | |
| von den Widersprüchen und den Rändern der Geschichte zu erzählen: von den | |
| Lügen und der Korruption, von den fremdgehenden Männern und den zu Hause | |
| bleibenden Frauen; von den Kriegen, die Kuba mit und wegen seiner | |
| Verbündeten in Angola führen musste; von General Ochoa, der später wegen | |
| Korruption und Drogenhandel hingerichtet wurde; und sogar von Syrien, auf | |
| dessen Seite Kuba gegen Israel in den Krieg zog (Jom-Kippur-Krieg, Oktober | |
| 1973). Und schließlich vom immer schwelenden, real existierenden Rassismus: | |
| Die Revolution ist noch lange nicht vorbei, die Revolution hat im Gegenteil | |
| noch sehr viel zu tun. | |
| Interessant ist auch der Generationskonflikt, der hier eine Generation | |
| überspringt. Die Großmütter und Großväter stellten, so scheint es, viel | |
| weniger infrage als die skeptischen, ihnen dennoch gewogenen Enkelinnen und | |
| Enkel. | |
| Der Staub der Geschichte jedoch sitzt immer noch tief auf dem inneren und | |
| äußeren Mobiliar, auch wenn der Kalte Krieg schon lange vorbei ist. Denn | |
| auch der kubanische Sozialismus befindet sich im Wandel; wie viel von ihm | |
| nach der Öffnung zum Westen hin überhaupt noch übrig bleibt, werden die | |
| vier auf der Bühne dereinst wohl mit ihren Enkeln klären müssen. | |
| 26 Mar 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| René Hamann | |
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