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# taz.de -- Prager Frühling und Kuba: Castros Machtmanöver
> Kubas Revolutionsführer Fidel Castro hielt im August 1968 eine
> bemerkenswerte Rede zum Einmarsch in Prag. Sie spaltete die Linke – auch
> in Kuba.
Bild: Dreh- und Angelpunkt ist der Machterhalt: Fidel Castro 1972 mit Erich Hon…
Zwei Tage nach dem Einmarsch der sozialistischen Interventionstruppen in
die ČSSR, [1][die den Prager Frühling beendete], nahm auch Kubas
Revolutionsführer Fidel Castro zu den Ereignissen Stellung. Die im
kubanischen Fernsehen übertragene Ansprache vom 23. August 1968 gehört zu
den bemerkenswertesten Meinungsbeiträgen, die aufseiten der internationalen
Linken seinerzeit zu dem Thema veröffentlicht wurden.
Castro machte klar, dass die Militärintervention jeglicher rechtlichen
Grundlage entbehrte. „Man kann nicht bestreiten, dass die Souveränität des
tschechoslowakischen Staates verletzt wurde. Unter juristischen
Gesichtspunkten gibt es dafür keine Rechtfertigung“, sagte Castro. Man
müsse daher analysieren, ob es politisch gerechtfertigt sei, dem
tschechoslowakischen Volk diese traumatische Erfahrung aufzubürden. Sein
Schluss: Da die politische Entwicklung der ČSSR unter Dubček und Swoboda
darauf hinausgelaufen wäre, das Land in die Hände des Imperialismus zu
geben, sei die Intervention gerechtfertigt gewesen.
1968 war Kuba noch nicht voll im sozialistischen Rat für Gegenseitige
Wirtschaftshilfe (RGW) integriert. Seit der Kubakrise 1962 allerdings, als
die Stationierung sowjetischer Mittelstreckenraketen mit atomaren
Sprengköpfen auf Kuba im Austausch gegen eine Nichtangriffsgarantie der USA
gegenüber Kuba beendet worden war, war Kubas Abhängigkeit vom sowjetischen
Lager überdeutlich. Mit der 1960 von den USA verkündeten nahezu
vollständigen Wirtschaftsblockade hingen Kubas ökonomische Perspektiven
ebenfalls am sozialistischen Lager.
In dieser Hinsicht zeitigte Castros Gutheißen der Intervention in der ČSSR
positive Folgen für die Insel: Drei Jahre später war Kuba Vollmitglied des
RGW, und es begannen die goldenen Jahre der kubanischen Entwicklung nach
der Revolution.
## Antiimperialistische Grundhaltung
Ideologisch bedeutete Castros Positionierung einen Bruch nicht nur mit
großen Teilen der lateinamerikanischen Linken und linken Intellektuellen,
sondern auch mit eigenen Mitkämpfern in Kuba. Wenn man gegenüber den USA,
dem westlichen Hegemonen, das Recht auf nationale Selbstbestimmung in
dessen Einflussbereich forderte, wie konnte man akzeptieren, dass dieses
Recht in der Tschechoslowakei mit Füßen getreten wurde?
In ganz Lateinamerika war – und ist bis heute – linke Politik mit einer
antiimperialistischen Grundhaltung, mitunter auch mit übersteigertem
Nationalismus verbunden. Sie war gegen die USA als regionalen Hegemonen
gerichtet. Kuba hatte sich auch deshalb trotz seiner Zuwendung zum
sozialistischen Lager und der Abhängigkeit von ihm in der
Blockfreienbewegung engagieren können – ein Hohn, den Einmarsch in Prag zu
befürworten.
Castro wusste, dass die Intervention die Linke spalten würde.
[2][Westeuropäische Intellektuelle], die in den ersten Jahren der
Revolution an der Seite Castros und seines Mitkämpfers Che Guevara
gestanden hatten, lehnten die Militärintervention in Prag ab und hatten
Probleme mit Castros Position.
Die kubanische Bloggerin Yoani Sánchez erinnert sich, dass für die
Revolutionäre der Generation ihrer Eltern Castros Solidaritätserklärung zum
Einmarsch einen Bruch darstellte, für viele gar ideologisch-emotional das
Ende der Revolution bedeutete, für die sie eingetreten waren. Sicher ist,
dass Castro allen KubanerInnen klarmachte, was bis heute gilt: Dreh- und
Angelpunkt allen Denkens und Handelns ist der Machterhalt. Darüber steht
kein Prinzip, keine Ideologie und erst recht keine Mehrheit.
23 Aug 2018
## LINKS
[1] /Prager-Fruehling-vor-50-Jahren/!5525870
[2] /Prager-Fruehling-und-Westeuropas-Linke/!5525838
## AUTOREN
Bernd Pickert
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