# taz.de -- Geberkonferenz für Syrien: Viel Geld, aber kein Plan | |
> Bei der Geberkonferenz für Syrien macht die EU Mittel locker, um das | |
> größte Elend zu lindern. Doch wie umgehen mit Assad? | |
Bild: Auf der Flucht: Evakuierte nahe der letzten IS-Hochburg Baghus | |
Kaum etwas veranschaulicht die verkorkste Syrienpolitik der EU so sehr wie | |
die pompöse Hilfskonferenz, die am Donnerstag in Brüssel zu Ende gegangen | |
ist. Da werden Gelder in Milliardenhöhe gesammelt, da werden syrische | |
Frauen zum Abendessen eingeladen und da tritt Österreichs Außenministerin | |
Karin Kneissl vor die Mikrofone, stellt ihr Arabisch zur Schau und sagt: | |
„Man muss im Rahmen des Realpolitischen arbeiten.“ | |
Realpolitik allerdings war noch nie die Stärke der EU im Syrienkonflikt, | |
der vor genau acht Jahren mit friedlichen Protesten begann. Mittlerweile | |
scheint sich die Rolle der Europäer darauf zu beschränken, Geld locker zu | |
machen, um das allergrößte Leid in Syrien und den Nachbarländern zu | |
lindern. | |
Allzu schnell hatte man damals in London, Berlin und Paris den syrischen | |
Präsidenten Baschar al-Assad fallen gelassen, als der die Proteste | |
niederschlagen ließ. Man schloss die Botschaften in Damaskus und | |
verkündete, dass es für Assad keinen Platz gebe im künftigen Syrien. | |
Von einem Post-Assad-Syrien oder einer Übergangsregierung ist heute nicht | |
mehr die Rede. Mittlerweile, eine russische Militärintervention und mehr | |
als 400.000 Tote später, sitzt der 53-jährige Diktator wieder fest im | |
Sattel. Regierungstruppen haben zwei Drittel des Landes – die | |
entscheidenden Küstengebiete und die Städte im Osten – zurückerobert. Den | |
Menschen im Land aber geht es miserabel. | |
## Die Rolle der EU | |
„Die humanitäre Lage ist weiter katastrophal“, hieß es am Donnerstag aus | |
Berlin. Nach UN-Angaben sind 12 Millionen Menschen auf Hilfe angewiesen, | |
darunter über 6 Millionen, die innerhalb des Landes vertrieben worden sind. | |
Oft mehrfach. Mehr als 2 Millionen Kinder gehen nicht zur Schule – ganz zu | |
schweigen von denen, die in den Nachbarländern teils seit Jahren den | |
Unterricht verpassen. | |
Deswegen fließt jetzt wieder Geld: „Wir werden unsere Zusage der letzten | |
Jahre erhöhen auf 1,44 Milliarden Euro“, erklärte Entwicklungsminister Gerd | |
Müller (CSU) am Donnerstag in Brüssel. Das Geld wird an das | |
UN-Flüchtlingswerk fließen, an die Deutsche Gesellschaft für Internationale | |
Zusammenarbeit (GIZ), aber auch an private Hilfsorganisationen und Syriens | |
Nachbarländer. | |
„Staatliche Einrichtungen in Syrien erhalten keine Gelder“, machte eine | |
Sprecherin von Müllers Ministerium gegenüber der taz klar. Insgesamt wurden | |
laut dem EU-Kommissar für humanitäre Hilfe, Christos Styliades, mehr als | |
sechs Milliarden Euro zugesagt. | |
Das große Dilemma der EU aber wischt die zugesagte Nothilfe nicht vom | |
Tisch. Zwei Fragen stehen im Raum: Sollte sich die EU am Wiederaufbau | |
beteiligen? Und wie sollten die Europäer in Zukunft mit dem Assad-Regime | |
umgehen, das Syrien auf unabsehbare Zeit regieren wird? | |
## Geld gegen Menschenrechte | |
Mehr als dreißig Organisationen der syrischen Zivilgesellschaft warnten | |
kürzlich: Assad und seine Verbündeten Russland und Iran würden Aufbauhilfe | |
„als politische Belohnung nutzen, indem sie sie auf solche Gebiete | |
konzentrieren, die sie als loyal betrachten“. Rebellengebiete drohten auf | |
diese Weise bestraft und zu einem demütigenden Gehorsam gezwungen zu | |
werden. | |
Deshalb müsse jegliche Aufbauhilfe die syrische Zivilgesellschaft | |
einbeziehen. Folgende Prinzipien seien Voraussetzung: Wahrung von | |
Menschenrechten, Transparenz inklusive Pressefreiheit und eine dezentrale | |
Steuerung des Wiederaufbaus, sodass die Gemeinden auf lokaler Ebene | |
mitsprechen können. | |
Auch die Stiftung Wissenschaft und Politik, ein einflussreicher Thinktank | |
der Bundesregierung, rät dazu, sich am Wiederaufbau zu beteiligen, die | |
Unterstützung aber nicht über die Ministerien der Assad-Regierung, sondern | |
über die lokale Ebene laufen zu lassen. | |
Doch selbst dafür bedarf es der Kontakte. Assad und seine Leute bleiben, | |
mit ihnen wird man reden müssen. Bereits jetzt machen einige europäische | |
Regierungen keinen Hehl daraus, dass sie die Zeit für Realpolitik gekommen | |
sehen. | |
## Europas Sorge: Flüchtlinge | |
Italien, Österreich und Ungarn haben schon Bereitschaft signalisiert, die | |
Beziehungen zu Damaskus zu normalisieren – natürlich mit einem einfachen | |
Ziel vor Augen: „Die Rückkehr der Flüchtlinge“, betonte Kneissl am | |
Donnerstag in Brüssel, „ist ein großes Thema.“ | |
Die Araber sind in Sachen Normalisierung noch einen Schritt weiter. Wenn | |
sich die Arabische Liga Ende des Monats in der tunesischen Hauptstadt | |
trifft, wird zwar noch kein Vertreter der Assad-Regierung am Tisch sitzen. | |
Doch ist es nur noch eine Frage der Zeit, dass das Land, dessen | |
Mitgliedschaft 2011 wegen des Krieges gegen die eigene Bevölkerung | |
ausgesetzt wurde, wieder aufgenommen wird. | |
## Arabische Liga will mitreden | |
Zu groß ist die Befürchtung in Riad, Kairo und Tunis, Syrien an die | |
Regionalmacht Iran zu verlieren. Momentan sei der Einfluss in Syrien | |
„null“, brachte es ein Staatsminister aus den Emiraten kürzlich auf den | |
Punkt. | |
Als erster arabischer Staatschef seit Beginn des Syrienkriegs hat der | |
sudanesische Präsident Omar al-Bashir im vergangenen Jahr bereits Damaskus | |
besucht. Im Dezember eröffneten die Vereinigten Arabischen Emirate und | |
Bahrain ihre Botschaft in Damaskus wieder. | |
So weit ist man in Europa noch nicht. Noch beschränkt man sich auf | |
Nothilfe. Doch die Zeichen stehen auf Normalisierung. Die EU wird um eine | |
eigene politische Strategie nicht herumkommen, wenn sie nicht auch in | |
Zukunft anderen das Feld überlassen will. | |
14 Mar 2019 | |
## AUTOREN | |
Jannis Hagmann | |
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