# taz.de -- Konservative zoffen sich im EU-Parlament: Rechter als die CSU erlau… | |
> Ungarns Premier Orbán sorgt erneut für Ärger in der EVP-Fraktion. Wie | |
> gehen die Konservativen drei Monate vor der EU-Wahl damit um? | |
Bild: Treibt die Konservativen im EU-Parlament auf die Palme: Viktor Orbán | |
BRÜSSEL TAZ | In der [1][Europäischen Volkspartei (EVP)] liegen die Nerven | |
blank. Alles scheint möglich, seit Ungarns Premier Viktor Orbán eine | |
Plakatkampagne gegen Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gestartet | |
hat. Der Luxemburger wird darauf im Stürmer-Stil zusammen mit US-Investor | |
George Soros gezeigt. Beide hätten sich gegen Ungarn verschworen und | |
wollten das Land mit Flüchtlingen überschwemmen, suggeriert das Plakat. | |
Das führte zu heftigen Reaktionen – nicht nur in der EU-Kommission, sondern | |
auch in der EVP. „Es gibt keine Verschwörung“, beteuerte Junckers | |
Chefsprecher Margaritis Schinas am Montag in Brüssel. „Alle Optionen liegen | |
auf dem Tisch“, erklärte der Spitzenkandidat für die Europawahl, Manfred | |
Weber. | |
Selbst ein Ausschluss von [2][Orbáns Fidesz-Partei] scheint nicht mehr | |
ausgeschlossen. Das dafür nötige Quorum – einen Rauswurf müssen mindestens | |
sieben Mitgliedsparteien aus fünf Ländern beantragen – ist schon erreicht. | |
Bei den Christdemokraten in Flandern, Luxemburg oder Schweden ist der | |
Geduldsfaden gerissen. | |
Doch Orbán scheint dies nicht zu beeindrucken, im Gegenteil: Am Wochenende | |
legte er in einem Interview nach. Seine Kritiker in der EVP bezeichnete er | |
als „nützliche Idioten“, die nur „der Linken“ in die Hände spielten. | |
Gleichzeitig kündigte er eine neue Schmutzkampagne an – diesmal gegen | |
Junckers Stellvertreter Frans Timmermans. | |
## Die Linken sind schuld | |
Das ist pikant. Denn Timmermans ist nicht nur für das Rechtsstaatsverfahren | |
zuständig, das die EU gegen Ungarn eingeleitet hat. Der Niederländer ist | |
zugleich auch Spitzenkandidat der Sozialdemokraten bei der Europawahl. | |
Orbán versucht offenbar, seinen EVP-Kritikern die Spitze zu nehmen, indem | |
er sich gegen „die Linke“ stellt. | |
Wie werden die Konservativen und Christdemokraten auf dieses neue Manöver | |
reagieren? Aus der EVP-Parteizentrale in Brüssel kommen keine klaren | |
Signale. Zwar hat sich auch Parteichef Joseph Daul von Orbán distanziert. | |
Doch ob es nun tatsächlich zu einem Ausschlussverfahren kommt, lässt der | |
Franzose offen. | |
Für einen endgültigen Bruch mit Fidesz braucht es eine Mehrheit in der | |
politischen Versammlung der EVP, einer Art Präsidium. Es besteht aus dem | |
Parteivorstand, der Fraktionsführung sowie jeweils einem Vertreter aus den | |
Mitgliedsparteien. Doch dieses Präsidium tritt erst am 20. März wieder | |
zusammen. | |
Wie es der Zufall so will, hat Orbán angekündigt, seine Kampagne gegen | |
Juncker am 15. März zu beenden. Offenbar ist dieser Termin mit Bedacht | |
gewählt. Bei der politischen Versammlung dürfte es den Orbán-Gegnern dann | |
schwer fallen, eine Mehrheit zu organisieren. Denn wenn das EVP-Gremium | |
tagt, wäre die Kampagne schon beendet. | |
## Webers Schlingerkurs | |
Zudem kommt Orbán zugute, dass sich CDU und CSU noch nicht festgelegt | |
haben. Aus den Parteizentralen in Berlin und München kamen Verwarnungen – | |
aber noch keine Platzverweise. Die CSU steht zwar nicht mehr so | |
bedingungslos hinter Orbán wie noch unter Ex-Parteichef Horst Seehofer. | |
Doch CSU-Kandidat Weber sieht sich immer noch als Brückenbauer, der | |
zwischen Ost und West vermittelt. | |
Webers unklare Haltung wird zunehmend zum Problem – nicht nur für die EVP, | |
sondern auch für den Europawahlkampf. „Wenn Manfred Weber glaubwürdig sein | |
will, muss er sich klar positionieren und den Ausschluss der Fidesz | |
unterstützen“, erklärte Ska Keller, die Spitzenkandidatin der Grünen. | |
In dasselbe Horn bläst [3][Martin Schirdewan, Topkandidat der Linken]: „Ich | |
bin für einen klaren Schnitt“, erklärte er. Weber müsse sich von Orbán | |
lossagen und dessen „antisemitische Kampagne“ stoppen. | |
## Brauchen sie Fidesz überhaupt? | |
Doch für die EVP geht es nicht nur um die Europawahl. Es geht auch um die | |
Mehrheitsverhältnisse im neuen Europaparlament – schließlich will sich | |
Weber von den Abgeordneten zum Nachfolger von Juncker wählen lassen. Die | |
elf Parlamentarier von Orbáns Fidesz-Partei könnten zum Zünglein an der | |
Waage werden, heißt es in der EVP. | |
Doch so einfach ist die Rechnung nicht. Zum einen wurde Juncker bei der | |
Europawahl 2014 ohne die Stimmen der Fidesz gewählt – Weber ist auf die | |
Ungarn also nicht unbedingt angewiesen. Zum andern wird der CSU-Mann | |
ohnehin Stimmen aus anderen Parteilagern brauchen, um sein Ziel zu | |
erreichen. Neben den Sozialdemokraten muss er, so die Umfragen, noch eine | |
dritte Partei umwerben. | |
Doch nicht nur die Grünen wenden sich von der EVP ab. Auch die Liberalen – | |
der zweite mögliche Koalitionspartner – fordern den Bruch mit Orbán. Auf | |
Weber kommen schwere Tage zu. Wie auch immer er sich entscheidet – es | |
könnte die EVP zerreißen und seine Wahlchancen mindern. | |
4 Mar 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Manfred-Weber-gewinnt-EVP-Wahl/!5546722 | |
[2] /Kommentar-Ungarns-Partei-Fidesz/!5577679 | |
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## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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