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# taz.de -- Seehofer will mehr Abschiebungen: Hindernis sind oft fehlende Papie…
> Mehr als die Hälfte der geplanten Abschiebungen konnte 2018 nicht
> durchgeführt werden. „Nicht akzeptabel“ nennt Seehofer das – und
> pauschalisiert fleißig.
Bild: Schieben ab: drei Mitarbeiter der Zentralen Ausländerbehörde (ZAB) am F…
Berlin taz | Mehr als die Hälfte der 57.000 angesetzten Abschiebungen im
Jahr 2018 ist einem Zeitungsbericht zufolge gescheitert. Insgesamt konnten
30.921 dieser Rückführungen [1][nicht wie geplant durchgeführt werden],
berichtete die Bild am Sonntag (Bams). In 27.000 Fällen sagten demnach die
Bundesländer die Übergabe der abzuschiebenden Personen an die Bundespolizei
ab, in 7.000 Fällen geschah dies am Flugtag. In vielen Fällen sei die
betreffende Person nicht auffindbar oder krank – oder es fehlten Papiere.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) nannte es in der Bams „nicht
akzeptabel“, wenn Abschiebungen wegen fehlender Papiere oder nicht
auffindbarer Personen scheiterten; „ganz zu schweigen von denjenigen, die
ihre Rückführung am Flughafen verhindern“. Er habe mit Bundeskanzlerin
Angela Merkel (CDU) besprochen, „dass wir das zügig abstellen müssen“, so
Seehofer.
Tatsächlich hat der Bundesinnenminister gerade einen Gesetzentwurf in die
Ressortabstimmung gegeben, um die Haftmöglichkeiten für Menschen, die
abgeschoben werden sollen, massiv auszuweiten. Dadurch wolle man ein
Untertauchen der betreffenden Personen verhindern, heißt es aus
Ministeriumskreisen. Demnach sollen Menschen in Abschiebehaft genommen
werden können, wenn sie aus Sicht der Behörden nicht ausreichend an der
Beschaffung von Papieren mitwirken. Für diese Menschen soll zudem ein neuer
Status noch unterhalb der Duldung geschaffen werden.
[2][Es gibt viele Gründe für fehlende Pässe.] Einige Geflüchtete verlieren
sie auf der Flucht oder bekommen sie von Schleuser*innen abgenommen. Andere
werfen sie weg, weil sie sich so bessere Bleibechancen erhoffen. Wieder
andere haben nie ein solches Dokument besessen.
## Herkunftsländer antworten nicht auf Passanträge
Diese Vielfalt an Gründen bilde der Innenminister in der Debatte nicht ab,
kritisierte die Grünen-Bundestagsabgeordnete Luise Amtsberg. „Bisher konnte
noch niemand darlegen, dass die Mehrheit der Menschen mutwillig ihre
Identität verschleiert“, sagte Amtsberg der taz. Auch, dass von Deutschland
aus ein Passersatz nicht beschafft werden kann, sei keineswegs immer den
Geflüchteten anzulasten.
Vielmehr funktioniert oft die Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern
schlecht, die diese Papiere ausstellen müssen. In einem internen Bericht
des Innenministeriums hieß es 2018 etwa, im Libanon seien „Antworten auf
Anträge äußerst rar“. „Viele Länder haben überhaupt kein Interesse, die
Menschen zurückzunehmen“, sagte Amtsberg.
Die Politikerin wunderte sich zudem darüber, dass der Innenminister
Menschen vorwirft, dass sie bei Abschiebungen nicht angetroffen wurden.
„Die Behörden teilen Abschiebetermine seit 2015 nicht mehr mit“, sagte
Amtsberg. Dann könne man ihnen schlecht vorwerfen, dass sie nicht da seien.
„[3][Und wenn eine große Zahl an Ausreisepflichtigen, die immerhin aus
Kriegs- und Krisengebieten kommen, krank ist,] dann ist das schlimm für
diese Menschen“, sagte Amtsberg. „Aber wir haben da, was Abschiebungen
angeht, eine klare Rechtsprechung.“
## Rechtswidrige Rückführungen
Neben gescheiterten Abschiebungen gibt es immer wieder Fälle, in denen die
Rückführung rechtswidrig angesetzt und teils sogar durchgeführt wird. Erst
am Freitag untersagte das Bundesverfassungsgericht eine für diesen Tag
angesetzte Abschiebung eines Mannes aus Äthiopien. Dem Bayerischen
Flüchtlingsrat zufolge hatten der zweifache Familienvater und seine
Partnerin der Ausländerbehörde sowohl eine Vaterschaftsanerkennung als auch
eine gemeinsame Sorgerechtserklärung vorgelegt; das Grundgesetz stellt die
Familie unter besonderen staatlichen Schutz.
Die Ausländerbehörde sah das offenbar anders, ebenso das Verwaltungsgericht
Ansbach, das einen Eilantrag des Mannes ablehnte. Erst die
Verfassungsbeschwerde seiner Anwältin rettete den Äthiopier, der schon zum
Flughafen gebracht worden war, vor der Abschiebung.
Die Zahl widerrechtlicher Abschiebungen ist im Jahr 2018 gestiegen. Mitte
August hatte die Bundesregierung auf Anfrage der Grünen erklärt, in den
ersten sieben Monaten des Jahres seien fünf Menschen betroffen gewesen.
2017 waren es zwei Fälle, in den beiden Jahren davor gar keiner. Die
Betroffenen wurden nach Nigeria, Afghanistan, Kosovo, Marokko, Simbabwe,
China und Tunesien abgeschoben.
24 Feb 2019
## LINKS
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## AUTOREN
Dinah Riese
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Pass
Flüchtlinge
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