# taz.de -- Solidarisches Grundeinkommen: Kleine Schritte statt großer Sprünge | |
> 1.000 Jobs für Arbeitslose: Hartz IV wird Berlins Regierender | |
> Bürgermeister mit seinem solidarischen Grundeinkommen nicht | |
> revolutionieren. | |
Bild: Auch 200 KitahelferInnen soll das solidarische Grundeinkommen finanzieren | |
Es war schon irgendwie passend, dass Michael Müller (SPD) die Eckpunkte | |
seines solidarischen Grundeinkommens am Mittwoch ausgerechnet im Säulensaal | |
des Roten Rathauses vorstellte. Nicht weil in dem Prunkraum mit seinen | |
goldenen Kapitälchen und der lachsfarbenen Decke schon die DDR das „Banner | |
der Arbeit“ für besondere Arbeitsergebnisse in der Volkswirtschaft verlieh | |
– das dürfte schon damals deplatziert gewirkt haben. Sondern weil sich der | |
Festsaal in die opulente Bewerbung eines Projekts einreiht, mit dem Berlins | |
Regierender Bürgermeister seltene überregionale Beachtung einheimste und | |
mit dem er Vorreiter sein will in der aktuellen bundespolitischen | |
Hartz-IV-Debatte. | |
Das Konzept für das solidarische Grundeinkommen steht seit dem gestrigen | |
Mittwoch jedenfalls. Ein Kürzel gibt es auch schon: Nach ABM | |
(Arbeitsbeschaffungsmaßnahme) und ÖBS (öffentlich geförderter | |
Beschäftigungssektor) soll nun also das SGE kommen. So sollte man es auch | |
lieber nennen, denn die vielfach assoziierte Nähe zum bedingungslosen | |
Grundeinkommen gibt es nicht.Es handelt sich vielmehr um eine unglücklich | |
gewählte Namensgleichheit. Man könnte es auch einen Marketingcoup nennen, | |
der Müller besagte Aufmerksamkeit einbrachte. | |
Tatsächlich sollen in dem Pilotprojekt, das im Juli starten soll, 1.000 | |
BerlinerInnen, die aus dem Bezug des Arbeitslosengeldes I fallen – also | |
mindestens ein Jahr, aber nicht länger als drei Jahre arbeitslos sind – zu | |
„guter Arbeit“ verholfen werden. Gemeint sind damit | |
sozialversicherungspflichtige Jobs in kommunalen Unternehmen, die nach | |
geltenden Tarifen, mindestens aber mit dem Mindestlohn bezahlt werden. | |
Also kein Grundeinkommen, sondern im Wesentlichen eine Neuauflage des ÖBS – | |
nur zu faireren Bedingungen. Bestehende Arbeitsverhältnisse sollen dadurch | |
nicht verdrängt werden, versicherte Müller. Vielmehr handele es sich um | |
Jobs, die es bisher noch nicht gibt und die – hier kommt das „solidarisch“ | |
ins Spiel – dem Gemeinwohl dienen. | |
## Jobs in Schulen, Kitas, bei der BVG | |
In einem mehrmonatigen Prozess hatte sich Müller mit den Senatsverwaltungen | |
und den kommunalen Unternehmen auf mögliche Einsatzfelder verständigt. So | |
sollen zum Beispiel 200 Jobs für KitahelferInnen geschaffen werden, die bei | |
Vorbereitung, Essensversorgung und hauswirtschaftlichen Aufgaben | |
unterstützen. Bei der BVG entstehen 120 zusätzliche Jobs unter anderem als | |
MobilitätshelferInnen für ältere, obdachlose und bewegungseingeschränkte | |
Menschen. | |
Die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften wollen 60 Arbeitslose etwa als | |
Concierges oder Hausmeistergehilfen einsetzen. In den staatlichen Schulen | |
sollen Arbeitslose als „Schulorganisationassistenten“ zum Einsatz kommen | |
und überlastete Lehrkräfte etwa bei der Vorbereitung von Unterrichtsräumen | |
unterstützen. | |
Ganz billig ist das Ganze nicht: 38 Millionen Euro soll das SGE allein 2019 | |
kosten. Als zu teuer und in der Wirkung zu ungewiss wurde es daher schon im | |
Vorfeld von Wirtschaftsverbänden und ArbeitsmarktexpertInnen kritisiert. | |
Klar ist inzwischen: Das Geld wird Berlin erst einmal ganz allein berappen | |
müssen. | |
Eigentlich hatte Müller gehofft, mit seiner Idee beim Bund offene Türen | |
einzurennen und entsprechend auch Mittel aus dem Bundeshaushalt abschöpfen | |
zu können. Doch ausgerechnet ein SPD-Genosse ließ Müller mit seinem Vorstoß | |
abblitzen: Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hatte eigene Pläne. Er | |
setzte das Teilhabechancengesetz durch, das seit Januar gilt. Einen | |
öffentlich geförderten Job kann danach nur bekommen, wer schon sechs Jahre | |
Hartz IV bezogen hat – also deutlich länger arbeitslos war als die | |
Menschen, die Müller erreichen will. | |
Der war mit seiner Idee denn auch auf sich allein gestellt. Aus dem groß | |
angekündigten solidarischen Grundeinkommen – in der Hoffnung auf | |
Unterstützung vom Bund hatte Müller auf 4.000 Jobs spekuliert – wird nun | |
ein doch eher überschaubares Modellprojekt für gerade mal 1.000 Menschen. | |
## Unbefristet beschäftigt | |
Für die Berliner Langzeitarbeitslosen ist das am Ende gar nicht schlecht: | |
Ob bereits viele Jahre ohne Job oder erst seit einem Jahr erwerbslos – ganz | |
verschiedene Menschen haben nun eine Chance, in öffentliche Beschäftigung | |
zu kommen. | |
Was Müllers Projekt dabei von vielen anderen Programmen unterscheidet: Die | |
Jobs sollen unbefristet eingerichtet werden. Oder, wie es die Senatskanzlei | |
formuliert: „Sollte ein SGE-Arbeitnehmer nach fünf Jahren keine Perspektive | |
in ‚seinem/ihrem‘ Unternehmen geboten werden können, so garantiert das Land | |
die Weiterbeschäftigung und übernimmt den Arbeitnehmenden zur weiteren | |
Qualifizierung beziehungsweise zum Einsatz im öffentlichen Sektor.“ Dazu | |
werde das Land Berlin eine geeignete Organisationsform schaffen. | |
Nun ist Müller dann vielleicht gar nicht mehr Regierender Bürgermeister, er | |
kann jetzt also viel versprechen. Aber das passt ja dann wieder zur | |
Namensverwirrung und zum Prunksaal. | |
20 Feb 2019 | |
## AUTOREN | |
Manuela Heim | |
Antje Lang-Lendorff | |
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