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# taz.de -- Jahresauftakt der Clubcommission: Die Dialektik der Clubkultur
> Berliner Clubs verweisen auf ihre ökonomische Relevanz und wollen
> gleichzeitig als Kulturstätten anerkannt werden. Das ist ambivalent.
Bild: Ziemlich widerspruchsfrei: Die Podiumsgäste und das Publikum beim Jahres…
Was bedeutet Clubkultur für Berlin? Bevor Kultursenator Klaus Lederer
(Linke) und Christian Rickerts (Grüne), Staatssekretär für Wirtschaft, dies
am Dienstagabend im Neuköllner SchwuZ mit Vertretern der Clubcommission
diskutierten, wurde das Gespräch mit Theorien und Fakten vorbereitet.
Lukas Drevenstedt, Geschäftsführer der Clubcommission, stellte in sieben
Thesen vor, was unter Clubkultur zu verstehen sei: eine Community, die sich
einen Raum schafft und Content in Form von Musik und anderer Kunst
produziert und konsumiert; ein politischer Impulsgeber – Beispiele: die
queere schwarze Szene im New York der 80er oder „Reclaim Club Culture“ in
Berlin. Trotzdem gehe es bei der Clubkultur auch um Geld: Sie sei
„kulturelles Unternehmertum“, ein ökonomischer Impulsgeber, Standortfaktor.
Klaus Goldhammer, Medienwissenschaftler und Geschäftsführer der
Beratungsfirma Goldmedia, untermauerte diese Thesen. Ihn hatte die
Clubcommission mit einer Studie über die Feierkultur im Jahr 2018
beauftragt. Die Untersuchung beruft sich unter anderem auf eine
Onlinebefragung von 500 Clubbesuchern und 280 Betreibern, von denen 30
Prozent geantwortet hätten. Die vollständige Studie soll im Mai
veröffentlicht werden. Goldhammer stellte Auszüge vor: Im vergangenen Jahr
haben demnach 280 professionelle Betreiber 58.000 Veranstaltungen
angeboten, dabei knapp 9.000 Personen beschäftigt und einen Umsatz von 168
Millionen Euro erzielt. Das Bemerkenswerte: 3 Millionen Touristen sind 2018
wegen des Nachtlebens nach Berlin gekommen. Im Durchschnitt blieben sie 2,4
Tage und gaben am Tag 205 Euro aus. Insgesamt sollen sie Berlin so einen
Umsatz von knapp 1,5 Milliarden Euro beschert haben.
In der anschließenden Diskussion zeigte sich Clubcommission-Vorsitzende
Pamela Schobeß wenig überrascht von diesen Zahlen. Die Studie habe dennoch
ihren Sinn: „Es ist wichtig, dass es belastbares Material gibt.“ Denn
Argumente brauchen die Clubbetreiber etwa, weil sie wollen, dass ihre
Häuser als Anlagen für kulturelle Zwecke anerkannt werden – und nicht als
Vergnügungsstätten. Dabei geht es um eine Unterscheidung aus der
Baunutzungsverordnung. Lutz Leichsenring, Sprecher der Clubcommission,
sagte der taz: „Es geht darum, gewisse Stigmen bei Behörden loszuwerden und
so bei Genehmigungen keine Probleme zu bekommen und Zugang zu Fördergeldern
zu erhalten.“
## Kann Geld doch zu wichtig werden?
Auch LiveKomm, der Verband der Musikspielstätten in Deutschland, fordert
das in einem Papier aus diesem Monat. Musikclubs, die mindestens 24
Konzertveranstaltungen im Jahr anbieten, sollen demnach als Anlagen
kultureller Zwecke anerkannt und damit gleich behandelt werden wie Theater,
Konzerthallen oder Museen. Kultursenator Lederer drückte im SchwuZ seine
Unterstützung dafür aus.
In der Frage, ob Clubs verdrängt würden oder selbst Gentrifizierer seien,
fand er klare Worte und wurde dafür bejubelt: „Man darf Ursache und Wirkung
nicht verwechseln.“ Erst kämen die Clubs, die Orte kulturell prägten, dann
erst ziehe die Kapitalverwertung nach.
Unbeantwortet blieb die Frage, ob die eigene ökonomische Relevanz zur
Gefahr für die Clubs werden kann. Anders gefragt: Wird Geld irgendwann
wichtiger als Raum, Community und Content? Einerseits sind die Clubs
politisch relevantes Kulturgut. Andererseits werden sie immer mehr zum
Wirtschaftsfaktor. Indem sie sich auf Letzteres beziehen, können sie sich
behaupten. Eine wahrlich dialektische Angelegenheit.
13 Feb 2019
## AUTOREN
Volkan Ağar
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