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# taz.de -- Kolumne Durch die Nacht: Tegel als neue Partyzone
> Berlins Clubcommission und Kultursenator Lederer wollen den Flughafen
> Tegel nach der Schließung mit Clubs besiedeln. Eine ähnliche Idee hat
> schon in München nicht geklappt.
Bild: Partybeleuchtung gibt's schon: der Flughafen Tegel, noch in Betrieb
Stets, wenn besonders anschaulich gemacht werden soll, dass es mit Berlin
als hedonistischer Stadt bergab gehe, höre ich den Satz: „Berlin wird immer
mehr wie München.“ Egal ob beim Thema steigende Mieten, wenn mal wieder ein
lieb gewonnener Ausgehort irgendeiner Luxusimmobilie weichen muss oder sich
auch bloß der neue Nachbar über die zu laute Musik beschwert: Alles gilt
als Münchifizierung der deutschen Hauptstadt. Und Horst Seehofer wohnt
jetzt auch schon hier.
Die nächste Stufe dieser Entwicklung könnte nun erreicht werden, wenn wahr
werden sollte, was sich Kultursenator Klaus Lederer von der Linkspartei mit
der Clubcommission im Schlepptau ausgedacht hat: den Flughafen Tegel nach
dessen Schließung in ein Areal für Clubs umzuwandeln. Denn Clubben j. w.
d., das gab es schließlich auch mal in München, erst im Kunstpark Ost, dann
in der Kultfabrik. Zig Clubs siedelten sich dort auf einem ehemaligen
Industriegelände an, das Münchner Nachtleben wanderte raus aus der
Innenstadt, künftige Junggesellenabschiede gleich hinterher und die Bürger
in Münchens Innenbezirken hatten endlich wieder ihre Ruhe.
Soll das jetzt tatsächlich auch in Berlin so kommen? Liest man sich die
Protokolle von Clubbetreibern durch, die der Tip in seiner Titelgeschichte
über das bedrohte Berliner Nachtleben gesammelt hat, ist man fast gewillt,
die Idee, den irgendwann einmal abgewickelten Tegeler Flughafen als neue
Partyzone zu erschließen, tatsächlich wie eine nötig gewordene,
vorausschauende Maßnahme anzuerkennen. Von den etwas kleineren Clubs in der
Stadt scheint kaum noch einer ernsthaft zu glauben, auf längere Sicht an
seinem bisherigen Standort weiter existieren zu können, entnehme ich den
desillusionierten Bekenntnissen. Vergangenes Wochenende hat außerdem das
Bassy im Prenzlauer Berg geschlossen und dem Kreuzberger Club Jonny Knüppel
wurde der Mietvertrag nicht verlängert, wie gerade bekannt wurde, er ist
somit auch tot. Immerhin durfte das About Blank gerade seinen achten
Geburtstag feiern, was auch nicht selbstverständlich ist für einen Laden,
der es sich herausnimmt, bei seinen Partys und Veranstaltungen auf mehr
Wert zu legen als deren rein kommerzielles Potenzial. Aber die Pläne für
die Autobahn 100, deren Fertigstellung das Ende des About Blank bedeuten
würde, sind ja nicht vom Tisch. Wie viele weitere Geburtstage der Laden
noch feiern wird, kann derzeit niemand absehen.
## Es gibt ja auch noch die FDP
Allein: Derart besondere Lokalitäten wie der Jonny Knüppel oder das About
Blank lassen sich nicht einfach verpflanzen. Schon gar nicht irgendwo raus
nach Tegel. Noch weiß niemand, was dort wirklich geschehen wird, nicht
zuletzt gibt es ja auch noch das Ergebnis dieses Volksentscheides und die
FDP. Vielleicht wird es sich also noch eine ganze Weile hinziehen, bis man
in Tegel raven kann. Aber ersetzen wird so ein Spaßpark am Stadtrand die
wild gewachsene Clubkultur der Stadt sicherlich nicht können.
Lederer und Anhang wollen jetzt erst einmal die Gegebenheiten vor Ort
begutachten. Das sollen sie ruhig machen. Und meinetwegen dort dann auch
Raves veranstalten und Clubs hinstellen, wie sie wollen. Ich glaube aber
nicht, dass das wirklich jemand braucht. In München hat das mit der
Einrichtung eines Party-Ghettos dann letztlich auch nicht geklappt. Die
Münchner wollten irgendwann zurück in ihr zunehmend verödetes Schwabing und
die Kultfabrik machte vor zwei Jahren dicht.
Wenn Berlin schon wie München werden muss, dann sollte man auch von München
lernen und schauen, dass man die Clubs gleich da behält, wo sie sind, und
sich doch noch etwas Sinnvolles für den Flughafen Tegel überlegen.
7 May 2018
## AUTOREN
Andreas Hartmann
## TAGS
Kolumne Durch die Nacht
Flughafen Tegel
Klaus Lederer
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Kolumne Durch die Nacht
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