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# taz.de -- Verwaltung adressiert drittes Geschlecht: Das Sternchen nur zur Not
> Die Stadtverwaltung Hannovers will ihre Sprache gerechter machen – und
> geht über die Gleichbehandlung von Mann und Frau hinaus.
Bild: Hehre Ziele: Die Stadt Hannover empfiehlt eine geschlechtergerechte Verwa…
HAMBURG taz | Binnen-I? Gender-Sternchen? Geschlechtergerechter gestalten
will die Stadt Hannover ihre Verwaltungssprache. Und hat dazu eine
verbindliche Empfehlung für ihre knapp 12.000 Beschäftigten herausgebracht.
Sie soll weitergehen, als in Formulierungen nur Männer und Frauen
gleichermaßen anzusprechen – indem auch das dritte Geschlecht adressiert
wird. So soll es in Schreiben der Stadt Hannover zukünftig nicht mehr „Sehr
geehrte Damen und Herren“ heißen, sondern „Guten Tag, [Vorname Nachname]�…
Damit orientiert sich die Verwaltung an der neuen Gesetzgebung: Seit Anfang
Januar kann auch das Geschlecht „divers“ beispielsweise im
Personenstandsregister geführt werden. Gelten soll die neue Regelung für
den gesamten Schriftverkehr der Verwaltung: E-Mails, Broschüren,
Presseartikel, Briefe, Präsentationen, Drucksachen, Hausmitteilungen, Flyer
und Formulare.
Bisher nutzte man in Schreiben das große Binnen-I, um stets Männer und
Frauen anzusprechen. Nun sollen geschlechtsspezifische Bezeichnungen
insgesamt unterbleiben, soweit das möglich ist. Wie das funktionieren soll,
steht [1][im neuen Flyer des Referats für Frauen und Gleichstellung]:
Die Ämter sollen unter anderem auf Pluralformen zurückgreifen oder
Institutions- und Kollektivbezeichnungen wählen, etwa „Psychologischer Rat“
statt „Rat der Psychologen“. Eine andere Möglichkeit: die Nutzung eines
Verbs oder Adjektivs statt eines Substantivs, also nicht mehr „Bewerber
sollten …“, sondern „Wer sich bewirbt, sollte …“.
## Nicht alles dürfte direkt umsetzbar sein
Wichtig sei, dass der Inhalt durch die Neuerungen nicht verändert werde. Wo
die Nicht-Erwähnung des Geschlechts unmöglich sei, solle das
Gender-Sternchen benutzt werden: „Liebe Kolleg*innen“ also. In Formularen
soll anstelle von „Name des Antragsstellers“ künftig „(Ihr) Name“ steh…
Auch diese Empfehlung soll, wo immer es möglich ist, durchgesetzt werden.
Maren Gehrke des Referats für Frauen und Gleichstellung räumt ein, dass
nicht alles direkt umsetzbar sein werde. Viele Menschen seien daran
gewöhnt, in offiziellen Schreiben mit „Sehr geehrte Damen und Herren“
adressiert zu werden. Die direkte Ansprache mit „Guten Tag“, Vor- und
Nachnamen wäre in manchen Schreiben noch zu unangemessen, beispielsweise
bei Mahnungen.
Welche Formulare stark geändert werden, das müssten die jeweiligen Stellen
entscheiden, sagt Gehrke: Das Gleichstellungsreferat prüfe in beratender
Funktion die Umsetzung nach – und „im rechtlichen Zweifelsfall“, so Gehrk…
werde so eine Änderung halt sein gelassen.
Doch kann ein Formular überhaupt rechtlich greifen, wenn etwa der
„Genderstar“ verwendet wird? Formulare müssen sich an die amtlich
verbindlichen Rechtschreibregeln halten – und dieser Stern ist ein nicht
vorgesehenes Sonderzeichen. Im November 2018 hatte der Rat für deutsche
Rechtschreibung bewusst [2][kein Urteil über das Sternchen] gefällt: „Die
Erprobungsphase verschiedener Bezeichnungen des dritten Geschlechts“, hieß
es, „soll nicht durch vorzeitige Empfehlungen und Festlegungen beeinflusst
werden.“
## Nach wie vor Deutsch
„Ich glaube nicht, dass ein amtlicher Text durch ein Sternchen nichtig
wird“, sagt Burkhard Margies von der Universität für
Verwaltungswissenschaften in Speyer: Es sei nach wie vor Deutsch – und die
Sprache habe immer Spielraum für Varianz. Man müsse die gesellschaftliche
Entwicklung abwarten.
Auch Constanze Janda, Inhaberin des Lehrstuhls für Sozialrecht und
Verwaltungswissenschaft an derselben Hochschule, sieht keine rechtlichen
Probleme: „Das Gender-Sternchen ist bekannt, nur deswegen werden Gerichte
sich, glaube ich, nicht mit solchen Formularen beschäftigen.“
Und wie sieht es mit der Barrierefreiheit bei solchen Formularen aus? „Kein
Problem“, sagt Heiko Kunert vom Blinden- und Sehbehindertenverein
Deutschland: „Formal steht dem nichts im Weg, das Sternchen wird einfach
laut vorgelesen bei den Computerprogrammen für Blinde und Sehbehinderte.“
Manche empfänden „eine Ballung an Sternchen als anstrengend, das ist aber
nach meiner Meinung Gewohnheitssache“.
Hannovers Oberbürgermeister Stefan Schostok erklärte, er sei sicher, den
richtigen Schritt gemacht zu haben: „Vielfalt ist unsere Stärke“, hieß es
[3][in einer Mitteilung] – „diesen Grundgedanken des städtischen Leitbilds
auch in unserer Verwaltungssprache zu implementieren, ist ein wichtiges
Signal.“
24 Jan 2019
## LINKS
[1] https://www.hannover.de/content/download/756032/18968385/file/Flyer_Geschle…
[2] http://www.rechtschreibrat.com/DOX/rfdr_2018-11-28_anlage_3_bericht_ag_gesc…
[3] https://www.hannover.de/Leben-in-der-Region-Hannover/Verwaltungen-Kommunen/…
## AUTOREN
Frieda Ahrens
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