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# taz.de -- Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts: Keine langen Haare für So…
> Das Gericht erklärt den Erlass zur Haarlänge von Soldaten für
> überarbeitungswürdig. Anlass ist die Gleichbehandlung mit Soldatinnen.
Bild: Diese Länge bleibt vorerst den Kameradinnen vorbehalten
Leipzig taz | Stabsfeldwebel Marcus G. muss weiter kurze Haare tragen. Das
Bundesverwaltungsgericht stellte zwar fest, dass der Haar- und Bart-Erlass
der Bundeswehr keine Rechtsgrundlage hat. „In angemessener Zeit“ müsse der
Bundestag eine gesetzliche Leitentscheidung treffen. Übergangsweise sei der
Erlass aber weiter anwendbar.
Der 51-jährige Marcus G. ist seit 32 Jahren bei der Bundeswehr, zunächst
bei der elektronischen Kampfführung, dann beim Awacs-Geschwader in
Geilenkirchen, seit 2016 ist er Systemadministrator im
Verteidigungsministerium auf der Bonner Hardthöhe. Im Dienst trägt er,
trotz seines IT-Arbeitsplatzes, Uniform. Privat ist er Anhänger der
Gothic-Szene und würde sich gerne die Haare wachsen lassen. Das aber darf
er nicht, weil er ein Mann ist. Nur Soldatinnen dürfen bei der Bundeswehr
lange Haare tragen.
Geregelt ist das im Erlass über das „äußere Erscheinungsbild der
Soldatinnen und Soldaten“, umgangssprachlich „Haar- und Bart-Erlass“
genannt. Dort heißt es: „Die Haare von Soldaten müssen kurz geschnitten
sein. Ohren und Augen dürfen nicht bedeckt sein. Das Haar ist so zu tragen,
dass bei aufrechter Kopfhaltung Uniform- und Hemdkragen nicht berührt
werden.“ Für Soldatinnen gelten aber andere Regeln: „Die Haartracht von
Soldatinnen darf die Augen nicht bedecken. Haare, die bei aufrechter
Körper- und Kopfhaltung die Schulter berühren würden, sind am Hinterkopf
komplett gezopft auf dem Rücken oder gesteckt zu tragen. Dabei sind Form
und Farbe der Haarspangen/Bänder dezent zu halten.“
Marcus G. sieht sich durch diese Regelungen als Mann diskriminiert und
stellte einen Antrag beim Bundesverwaltungsgericht. Dort wird die Haarfrage
alle paar Jahre verhandelt, zuletzt wurde ein ähnlicher Antrag 2013
abgelehnt. Marcus G. erzielte aber zumindest einen Teilerfolg.
## Eingriff in die freie Entfaltung der Persönlichkeit
Der Haar- und Barterlass hat keine gesetzliche Grundlage, stellte jetzt der
Vorsitzende Richter Richard Häußler fest. Ein so einschneidender Eingriff
in die freie Entfaltung der Persönlichkeit könne nicht auf die
Organisationsgewalt der Bundeswehr gestützt werden. „Es geht hier
schließlich um Grundrechte der Soldaten“, so Richter Häusler.
Im Soldatengesetz finden sich bisher aber nur Regelungen zur Uniform. Der
Bundeswehr-Vertreter Oberst Carsten Bullwinkel meinte zwar, „mit Uniform
ist das gesamte äußere Erscheinungsbild der Soldaten gemeint“. Das ließ das
Gericht aber nicht gelten. Spätestens seit einer Neuregelung 2017 seien
unter dem Begriff „Uniform“ nur noch Kleidungsstücke zu verstehen: „Es i…
nun Sache des Parlaments zu bestimmen, wieviel Individualität unter der
Uniform erlaubt ist.“
Übergangsweise soll der Haar- und Barterlass aber bestehen bleiben. Bisher
habe die Justiz die Rechtsgrundlage noch nie in Frage gestellt. Und es sei
auch legitim, dass die Bundeswehr Vorgaben zur äußeren Erscheiung der
Bundeswehr macht: „Das Ansehen der Bundeswehr lebt auch von ihrem
Aussehen.“ Wie lange die Übergangszeit dauert, ließ das Gericht offen.
Richter Häußler sprach von einem „überschaubaren Zeitraum“.
In der Übergangsphase muss der Erlass nicht modifiziert werden, denn der
Eingriff in die Persönlichkeitsrechte sei gerechtfertigt, so die Richter.
Ein einheitliches Erscheinungsbild sei für das Selbstverständnis und das
äußere Auftreten der Bundeswehr wichtig. Da den Soldaten keine
Einheitsfrisur verordnet wird, sondern nur Grenzen benannt werden, sei dies
auch „zumutbar“, so die Richter.
## Marcus G. will vielleicht Verfassungsbeschwerde einreichen
Die bevorzugte Behandlung von Soldatinnen sei gerechtfertigt, um so den
Anteil von Frauen in der Bundeswehr zu erhöhen, so das Gericht. Von 2012
konnte der Frauenanteil von 9,6 Prozent auf 12,1 Prozent erhöht werden.
Ziel der Bundesehr sind 15 Prozent. Der Bundestag müsse in der gesetzlichen
Regelung aber prüfen, ob unterschiedliche Vorgaben für Soldaten und
Soldatinnen „weiterhin geboten sind“.
Marcus G. hält das Urteil nicht für überzeugend. „Die Bundeswehr hat nicht
nur einen Mangel an Frauen, sondern auch an Männern. Ohne diese
bürokratischen Vorgaben an die Haartracht, könnte sie viel mehr männliche
Soldaten gewinnen“, betonte er. Wenn die Diskriminierung der Männer nicht
bald beendet werde, will er Verfassungsbeschwerde einreichen.
31 Jan 2019
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Bundeswehr
Haare
Diskriminierung
Rechtschreibung
Bundeswehr
Bundeswehr
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