Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kommentar Gescheiterte Gender-Klage: Im Namen des Patriarchats
> Angela Merkel und der Bundesgerichtshof sind sich einig: Gendern ist
> nicht. Sie sprechen damit nicht mehr im Namen des Volkes.
Bild: Sprachen am Dienstag nicht im Namen des Volkes: die Richter*innen des Bun…
[1][Gestern die Nationalhymne], heute das Sparkassenformular. Kein Text
scheint mehr sicher vor einer Verweiblichung. Und da Verweiblichung ganz
offenbar als Bedrohung angesehen wird, schieben die verantwortlichen
Personen ganz schnell den Riegel vor. Und so sind sich Kanzlerin Angela
Merkel und der Bundesgerichtshof (BGH) einig: Gendern ist nicht. [2][Am
Dienstag hat der BGH über die Klage einer Sparkassenkundin entschieden.]
Demnach müssen Frauen nicht geschlechtsspezifisch angesprochen werden.
Die Deutschen bleiben weiterhin brüderlich. Die Sparkasse in Saarbrücken
wird weiterhin keine Kundinnen haben. Die symbolische Ordnung bleibt
unangetastet. Und dass es letztlich nur darum geht, zeigt die mehr als
abenteuerliche Argumentation des BGH. Er postuliert schlicht, dass ein
männlicher Sprachgebrauch keine Geringschätzung gegenüber Frauen ausdrücke.
Das ist, gelinde gesagt, erstaunlich. Denn immerhin ist der gesamte
deutsche Staat anderer Meinung und empfiehlt, wie auch fast alle
gesellschaftlichen Institutionen, offiziell seit Längerem einen
geschlechtergerechten Sprachgebrauch.
Der BGH greift nun zu dem Trick, den „allgemeinen Sprachgebrauch“ an den
Formulierungen in den deutschen Gesetzestexten festzumachen. Ja, in der
Tat, da ist der Staat mit dem Gendern noch nicht sehr weit gekommen. Aber
dies vor allem, weil man unsere halbe Million Gesetze nicht mal eben
umschreiben kann, man müsste sie alle eigens neu beschließen.
Doch das „Handbuch der Rechtsförmlichkeit“ des Bundesjustizministeriums,
das die Formulierungen von Gesetzestexten regelt, empfiehlt durchaus, dass
bei Neuformulierungen geschlechtergerechte Sprache verwendet werden soll.
Deshalb kennt die neue Straßenverkehrsordnung zum Beispiel nun keine
„Verkehrsteilnehmer“ mehr, sondern formuliert: „Wer am Verkehr teilnimmt�…
und Ähnliches mehr.
Der BGH ignoriert nicht nur die Haltung des Staates. Er behauptet einfach
das Gegenteil: Die männliche Sprache diskriminiere Frauen nicht. Punkt. Er
spricht damit nicht mehr im Namen des Volkes, das sich bereits mehrere
Regierungen gewählt hat, die dies anders sehen. Er spricht im Namen des
Patriarchats. Und das Gleiche, muss man nun leider sagen, tut unsere
weibliche Kanzlerin in Sachen Nationalhymne auch. Auch sie beschwichtigt
die Damen und Herren, die gern die alte Ordnung behalten möchten: Ich bin
zwar eine Frau, aber ich taste die alte symbolische Herrschaft nicht an.
Zum Trost sei angenommen, dass Merkel nicht der Typ für Sprachrevolutionen
ist und die Hymnendebatte aus dem Befremden abwürgte, das ostdeutsche
Ärztinnen auch behaupten lässt, sie seien Ärzte. Am Effekt für das System
ändert das allerdings nichts. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt: Vielleicht
denkt ja nun das Verfassungsgericht mal drüber nach, warum in
„geschlechtergerecht“ das Wort „gerecht“ steckt.
13 Mar 2018
## LINKS
[1] /Das-Lied-der-Deutschen/!5488881
[2] /Grundsatzurteil-des-Bundesgerichtshofs/!5491047
## AUTOREN
Heide Oestreich
## TAGS
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
Gendergerechte Sprache
Bundesgerichtshof
Schwerpunkt Angela Merkel
Rechtschreibung
Gender Pay Gap
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
BGH-Urteil
Nationalhymne
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
## ARTIKEL ZUM THEMA
Verwaltung adressiert drittes Geschlecht: Das Sternchen nur zur Not
Die Stadtverwaltung Hannovers will ihre Sprache gerechter machen – und geht
über die Gleichbehandlung von Mann und Frau hinaus.
Geschlechtergerechte Sprache: Gendersternchen auf dem Prüfstand
Der Rat für deutsche Rechtschreibung, der verbindliche Regeln fürs
Schreiben aufstellt, diskutiert am Freitag zum ersten Mal über Binnen-I, *
und /.
Geschlechtergerechte Sprache: Da sitzt er, der Bundeskanzler!
Gesetze sollen geschlechtergerecht formuliert werden. Aber es gibt
Ausnahmen. Als beste Lösung wird die geschlechtsneutrale Formulierung
gesehen.
Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs: Kundin muss „Kunde“ bleiben
Das BGH weist eine Klage auf sprachliche Gleichstellung in Bankformularen
ab. In männlichen Bezeichnungen seien Frauen mitgemeint, heißt es.
Das Lied der Deutschen: Wem die Hymne gebührt
Alle reden über die deutsche Nationalhymne, doch es gibt eine Institution
in Deutschland, die wirklich eine Hymne verdient hätte: die
Frauenbeauftragte.
Gendergerechte Sprache international: Der * Die * Das * Wer * Wie * Was?
Deutsche Leser*innen und Schreiber_innen haben zahlreiche Möglichkeiten,
Sprache gendergerecht zu benutzen. Wie sieht das in anderen Ländern aus?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.