# taz.de -- Diskussion um Diesel-Fahrverbote: Lungenärzte zweifeln Grenzwerte … | |
> Experten streiten über die Gefährlichkeit von Stickoxiden und Feinstaub – | |
> und geben so Autolobbyisten und Fahrverbotsgegnern neues Futter. | |
Bild: Neues Futter für Autolobbyisten und Fahrverbotsgegner | |
BERLIN taz | Mitten in der [1][Diskussion um Dieselfahrverbote] zweifelt | |
eine Gruppe von Lungenfachärzten an der Seriosität der zugrunde liegenden | |
Grenzwerte. „Miserabel interpretiert“ seien Studien, die zu Maximalwerten | |
von 40 Mikrogramm Stickoxiden pro Kubikmeter Luft geführt hätten, sagt der | |
frühere Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und | |
Beatmungsmedizin (DGP), Dieter Köhler: Sollten diese Grenzwerte bereits | |
tödliche Gefahren markieren, „würden Raucher alle nach wenigen Monaten tot | |
umfallen, was ja nicht passiert“ – schließlich entstünden pro Zigarette | |
„über 200.000 Mikrogramm pro Kubikmeter“. | |
Ein Papier Köhlers, das Gesundheitsrisiken durch verkehrsbedingte | |
Stickoxid- und Feinstaubkonzentrationen anzweifelt, hatten bis | |
Mittwochmittag 113 Lungenfachärzte unterzeichnet. „Es ist sehr | |
wahrscheinlich, dass die wissenschaftlichen Daten, die zu hohen Todeszahlen | |
führen, einen systematischen Fehler enthalten“, heißt es darin. „Es gibt | |
keinen einzigen Todesfall, der kausal auf Feinstaub oder Stickstoffdioxid | |
zurückzuführen wäre“, erklärt auch Martin Hetzel, Direktor im Stuttgarter | |
Krankenhaus vom Roten Kreuz. | |
Sollte dies richtig sein, wären [2][die von der Deutschen Umwelthilfe | |
gerichtlich durchgesetzten Fahrverbote] in Stuttgart, Berlin, Frankfurt, | |
Köln oder dem Ruhrgebiet nutzlos. Allerdings gehen die dafür schon seit | |
2010 EU-weit geltenden Grenzwerte auf Empfehlungen der | |
Weltgesundheitsorganisation WHO zurück. Allein 2014 starben laut | |
Umweltbundesamt rund 6.000 Menschen an Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch | |
Langzeitbelastung mit Stickstoffdioxid. Und die Europäische Umweltagentur | |
EEA rechnet allein in Deutschland sogar mit 66.000 vorzeitigen Todesfällen | |
pro Jahr durch Feinstaub. | |
## 600.000 Lebensjahre im Jahr verloren | |
Auch in Expertenkreisen vertritt Köhler eine Minderheitenmeinung. | |
„Luftschadstoffe gefährden unsere Gesundheit – insbesondere die von | |
Kindern, Älteren und Erkrankten“, heißt es in einem Positionspapier der | |
Deutschen Gesellschaft für Pneumologie vom November. Allein durch Feinstaub | |
verliere „die deutsche Bundesbevölkerung jährlich rund 600.000 | |
Lebensjahre“. | |
Dennoch zeigen die Thesen Köhlers, die er in TV-Sendungen wie „Hart aber | |
fair“ verbreitet, Wirkung: „Nicht weitermachen wie bisher“ will etwa | |
FDP-Chef Christian Lindner. „Es wäre politisch fahrlässig, aufgrund | |
offensichtlich wissenschaftlich nicht haltbarer Grenzwerte Fahrverbote und | |
Milliardenschäden hinzunehmen“, sagte der Porschefahrer der Bild-Zeitung, | |
die am Mittwoch „Ärzte-Aufstand gegen Feinstaub-Hysterie“ titelte. | |
CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer sagte, Köhlers Thesen hätten „das | |
Gewicht, den Ansatz des Verbietens, Einschränkens und Verärgerns zu | |
überwinden“. Auch der ADAC forderte eine „wissenschaftliche Überprüfung�… | |
der Grenzwerte. | |
Ein Sprecher von SPD-Umweltministerin Svenja Schulze erklärte dagegen, die | |
Grenzwerte fußten „auf einer soliden wissenschaftlichen Basis“. Es sei | |
„wissenschaftlich unbestritten, dass Luftschadstoffe wie Feinstaub und | |
Stickoxide im Körper menschliche Reaktionen hervorrufen können“. Von einem | |
„Ablenkungsmanöver“ sprach Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer: „Man k… | |
in Deutschland die Uhr danach stellen, dass bei Umweltproblemen Grenzwerte | |
und Messmethoden angezweifelt werden.“ | |
24 Jan 2019 | |
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[1] /Fahrverbot-fuer-aeltere-Diesel-in-Stuttgart/!5562433 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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