# taz.de -- Debatte BDS und Antisemitismus: Die Delegitimierung Israels | |
> Die Boykottkampagne BDS ist nicht propalästinensisch, sondern | |
> antisemitisch. Die Sozialbank sollte Unterstützern kein Konto gewähren. | |
Bild: Unterschiedliche Facetten des Antisemitismus sind virulent (Archivbild 20… | |
Im Jahr 2018 wurden in Deutschland zahlreiche Gewalttaten gegen Juden | |
verübt. Im März wurde ein jüdisches Mädchen an einer Berliner Grundschule | |
von muslimischen Mitschülern [1][antisemitisch bedroht]. Im April wurde in | |
Berlin ein israelischer Kippaträger [2][mit Gürtelschlägen attackiert]. | |
Auch in Chemnitz wurde der Hass auf Juden auf die Straße getragen, als im | |
August das Restaurant „Schalom“ von Neonazis [3][angegriffen wurde]. | |
Mir fallen alleine in diesem Land zahlreiche weitere Ereignisse ein, die | |
einen Platz auf der „Liste der zehn weltweit schlimmsten antisemitischen | |
Vorfälle“ verdient hätten, die das Simon Wiesenthal Center am Ende eines | |
jeden Jahres veröffentlicht. Für das Jahr 2018 ist die Bank für | |
Sozialwirtschaft auf Platz sieben gelandet, weil dort eine Organisation ein | |
Konto unterhält, die die gegen Israel gerichtete Boykottkampagne BDS | |
(„Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen“) unterstützt. | |
Das kann man durchaus übertrieben finden. Das Ranking ist jedoch keineswegs | |
„der Versuch, alle Zweifel an der israelischen Regierung moralisch mit dem | |
wahllosen Gebrauch des Antisemitismus-Vorwurfs zu diskreditieren“, [4][wie | |
es am 11. Januar in der taz hieß]. Vielmehr sollen die „Top Ten“ zeigen, | |
dass unterschiedliche Facetten des Antisemitismus virulent sind. | |
Die betreffende Organisation ist die „Jüdische Stimme für gerechten Frieden | |
in Nahost“. Dabei handelt es sich um eine sehr kleine Gruppe von Juden, die | |
offen zur Zusammenarbeit mit BDS aufruft. Die Kampagne fordert einen | |
vollständigen Boykott Israels und will das Land damit in der Politik, | |
Wirtschaft, Kultur und Akademie isolieren. Teile der Kampagne sehen das | |
gesamte Staatsgebiet als besetztes Land an und fordern so implizit die | |
Abschaffung Israels. | |
Die „Jüdische Stimme“ solidarisiert sich explizit mit dem BDS-Gründer Omar | |
Barghouti, der diese Position vertritt. BDS fordert ein „Rückkehrrecht“ f�… | |
die Kinder, Enkel und Urenkel derjenigen Palästinenser, die nach der | |
arabischen Ablehnung des UN-Teilungsplans und der Staatsgründung Israels | |
Palästina verlassen haben oder von dort vertrieben wurden. Durch die | |
Vererbbarkeit des palästinensischen Flüchtlingsstatus beträfe dies 5,3 | |
Millionen Menschen. Damit würden Juden wieder einmal zur Minderheit gemacht | |
werden. BDS will Israel als jüdischen Staat delegitimieren und muss aus | |
diesen Gründen als antisemitisch bezeichnet werden. | |
## Eine absurde Fantasie | |
Wenn diese Positionen auch von einzelnen Juden vertreten werden, werden sie | |
dadurch nicht weniger problematisch. BDS diffamiert Israel als | |
Apartheidregime und verharmlost damit nicht nur das bis 1994 bestehende | |
rassistische Unrechtssystem in Südafrika, sondern dämonisiert und | |
delegitimiert zudem den demokratischen Rechtsstaat Israel. | |
Dort haben arabische Israelis, die rund ein Fünftel der Staatsbürger | |
ausmachen, grundsätzlich die gleichen Rechte wie jüdische Israelis. | |
Festgeschrieben ist das bereits in der Unabhängigkeitserklärung aus dem | |
Jahr 1948. Dies bedeutet selbstverständlich nicht, dass es keine | |
gesellschaftliche Diskriminierung gäbe. Doch es ist eine absurde Fantasie, | |
einem Land, in dem jüdische wie arabische Staatsbürger | |
Parlamentsabgeordnete, Verfassungsrichter oder Diplomaten sind, ein | |
Apartheidsystem zu unterstellen. Das tatsächliche Handeln von Juden spielt | |
in der antisemitischen Ideologie nun mal keine Rolle. | |
Für das Wiesenthal-Center „scheint Kritik an der israelischen Regierung und | |
Antisemitismus das Gleiche zu sein“, hieß es am 11. Januar in der taz. Mit | |
Kritik an spezifischer Politik hat BDS aber eben nichts zu tun. So zeigt | |
ein genauerer Blick auf die Kampagne, dass es nur vermeintlich um den | |
Einsatz für die Rechte der Palästinenser geht. | |
Wäre dies so, müsste sich die Kampagne vor allem gegen die islamistische | |
Hamas richten, die die palästinensische Bevölkerung im Gazastreifen massiv | |
entrechtet, unterdrückt, mit antisemitischer Propaganda indoktriniert und | |
als menschliche Schutzschilde im Krieg gegen Israel missbraucht. Von BDS | |
unbeachtet bleiben auch Tausende leidende Palästinenser, die unter | |
grauenvollen Bedingungen im syrischen Flüchtlingslager Jarmuk leben müssen. | |
## BDS geht es nicht um das Wohl der Palästinenser | |
No jews, no news? Von der „Jüdischen Stimme“ und anderen BDS-Anhängern ist | |
zumindest sehr selten etwas zu diesen Themen zu hören. Lieber fordert die | |
Kleingruppe, dass der israelische Botschafter aus Deutschland ausgewiesen | |
werden müsse. Solidarisiert sich mit Künstlern, die beim Berliner | |
Pop-Kultur-Festival absagen, weil die israelische Botschaft dieses mit | |
einem Reisekostenzuschuss in Höhe von 500 Euro unterstützt. Oder | |
unterstützt BDS-Protestaktionen vor deutschen Kaufhäusern, die Produkte der | |
Firma SodaStream verkaufen, da das Unternehmen lange in einer israelischen | |
Siedlung im umstrittenen Gebiet des Westjordanlands produzierte. | |
Hier zeigt sich erneut, dass es BDS nicht um das Wohl der Palästinenser | |
geht: Als SodaStream 2015 seinen Standort ins Kernland verlegte, verloren | |
Hunderte palästinensische Mitarbeiter ihre Jobs. | |
Und die Bank für Sozialwirtschaft? Das Kreditinstitut erklärt zwar, sich | |
„der Aussöhnung zwischen Deutschland und Israel in besonderer Weise | |
verpflichtet“ zu fühlen, hat die Geschäftsbeziehungen zu den Israelfeinden | |
aber nach kurzzeitiger Kündigung wieder aufgenommen. Das gehört zwar nicht | |
zu den schlimmsten antisemitischen Vorfällen des vergangenen Jahres. Doch | |
die Bank zeigt damit zumindest Gleichgültigkeit gegenüber einem ihrer | |
Gesellschafter, der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden. Diese drängte | |
erfolglos darauf, den BDS-Unterstützern das Konto zu kündigen. | |
Weniger Kunden hat die Sozialbank mittlerweile trotzdem: Unter anderem die | |
Magnus-Hirschfeld-Stiftung, die für die Rechte von Lesben, Schwulen, | |
Bisexuellen und Transpersonen eintritt, hat ihr Konto aus Protest | |
gekündigt. Im Nahen Osten ist Israel im Gegensatz zu seinen Nachbarn für | |
LGBT-Personen ein Ort der Freiheit. Die Entscheidung der Stiftung ist daher | |
nur konsequent. | |
15 Jan 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Religioeses-Mobbing-an-Grundschule/!5491275 | |
[2] /Antisemitischer-Uebergriff-in-Berlin/!5499674 | |
[3] /Ausschreitungen-in-Chemnitz/!5534072 | |
[4] /Kommentar-Antisemitismusvorwuerfe/!5561401 | |
## AUTOREN | |
Frederik Schindler | |
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