# taz.de -- Kein deutscher Pass für verfolgte Frauen: Opposition verlangt Neur… | |
> Den Nachkommen vom im NS verfolgten Frauen, die im Exil einen Ausländer | |
> geheiratet haben, wird die deutsche Staatsbürgerschaft verweigert. | |
Bild: Derzeit sind Fälle aus Großbritannien bekannt, bei denen Berlin die deu… | |
Berlin taz | Politiker der Oppositionsparteien in Deutschland verlangen die | |
rasche Schließung einer Gesetzeslücke, die es möglich macht, dass vielen | |
weiblichen NS-Verfolgten und ihren Nachkommen die deutsche | |
Staatsbürgerschaft verweigert wird. | |
„Eine solche Ungerechtigkeit, für die niemand mehr Verständnis hat, ist | |
nicht zu rechtfertigen“, sagte der stellvertretende | |
FDP-Fraktionsvorsitzende Alexander Graf Lambsdorff der taz. „Hier ist der | |
Gesetzgeber gefordert.“ Der Bundestag müsse den Betroffenen den Weg in die | |
deutsche Staatsangehörigkeit eröffnen. | |
Nach bestehender Gesetzeslage können die Nachfahren weiblicher | |
NS-Verfolgter, die vor Inkrafttreten des Grundgesetzes im Jahr 1949 geboren | |
wurden, die deutsche Staatsbürgerschaft nicht erlangen, weil für sie | |
weiterhin das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz (RuStAG) Gültigkeit | |
besitzt. | |
Danach wird die Staatsangehörigkeit ausschließlich durch den Vater weiter | |
gegeben. Hat eine im Nationalsozialismus verfolgte Frau im Exil einen | |
Ausländer geheiratet und sind aus dieser Verbindung vor 1949 Kinder | |
entstanden, so besitzen diese kein Recht auf die deutsche | |
Staatsangehörigkeit. | |
Die Gesetzeslage steht im Widerspruch zum Grundgesetz. Nach Artikel 116, | |
Absatz 2 sind „frühere deutsche Staatsangehörige, denen zwischen dem 30. | |
Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 die Staatsangehörigkeit aus politischen, | |
rassischen oder religiösen Gründen entzogen worden ist, und ihre | |
Abkömmlinge“, auf Antrag einzubürgern. | |
## Viele Fälle in Großbritannien | |
Derzeit sind mehrere Fälle in Großbritannien bekannt, bei denen die | |
Bundesrepublik Nachfahren von Jüdinnen, die im englischen Exil überlebten, | |
die Verleihung der Staatsbürgerschaft verweigert. Die Problematik wurde in | |
jüngster Zeit im Zuge des geplanten Austritts Großbritanniens aus der EU | |
deutlich. Allein von Januar bis Oktober 2018 beantragten 1.228 Personen | |
unter Berufung auf die frühere deutsche Staatsangehörigkeit ihrer Vorfahren | |
dort die deutsche Staatsangehörigkeit. | |
„Angesichts der zahlreichen Einbürgerungsanträge muss die Bundesregierung | |
schnellstmöglich tätig werden“, sagte die innenpolitische Sprecherin der | |
Linksfraktion, Ulla Jelpke, der taz. „Eine gesetzliche Neuregelung, die den | |
Bedürfnissen der Betroffenen gerecht wird, ist machbar und | |
verfassungskonform.“ Das bestätigt auch ein von Jelpke angefordertes | |
Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, das der taz | |
vorliegt. | |
Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Volker Beck (Grüne) hält die jetzige | |
Regelung für einen Skandal. „Dass sich die verfassungswidrige | |
Benachteiligung von deutschen Frauen im Staatsbürgerschaftsrecht der frühen | |
Bundesrepublik bis heute in entsprechenden Entscheidungen bei ihren Kindern | |
fortsetzen soll, ist ein Aberwitz“, sagte er der taz. | |
Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Mathias | |
Middelberg sagte, er könne „das Unverständnis der Betroffenen durchaus | |
nachvollziehen“. Middelberg plädiert für eine pragmatische Lösung per | |
Erlass. Das Bundesinnenministerium habe bereits für Personen, die zwischen | |
dem Inkrafttreten des Grundgesetzes im Jahr 1949 und der endgültigen | |
Beseitigung der diskriminierenden Regelungen des alten | |
Staatsbürgerschaftsrechts 1975 geboren wurden, eine erleichterte | |
Möglichkeit der Einbürgerung nach Ermessen eröffnet. | |
„Bei vor dieser Zeit geborenen Kindern von deutschen Frauen, die aufgrund | |
des Nazi-Unrechts vor Mai 1945 gezwungen waren, ihr Leben im Ausland | |
fortzuführen, sollte ein solcher Weg ebenfalls gefunden werden“, sagte | |
Middelberg. | |
## Innenministerium will prüfen | |
Eine Sprecherin des Bundesinnernministerums erklärte auf Nachfrage, dasss | |
„auch einige Wiedergutmachungsfälle mit der beschriebenen Problematik“ an | |
das Ministerium herangetragen worden seien. „Aus diesem Anlass prüft das | |
Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat bereits, ob und | |
gegebenenfalls in welchem Umfang die erleichterte Einbürgerungsmöglichkeit | |
nach § 14 StAG auf die vor Inkrafttreten am 24. Mai 1949 geborenen | |
ehelichen Kinder zwangsausgebürgerter deutscher Mütter und ausländischer | |
Väter ausgedehnt werden kann“, sagte die Sprecherin der taz. | |
13 Jan 2019 | |
## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
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