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# taz.de -- Kommentar Staatsbürgerschaft: Absurdität bundesdeutschen Rechts
> Die Tochter einer NS-Verfolgten kann nicht deutsche Staatsbürgerin
> werden. Mit dieser diskriminierenden Gesetzeslage muss Schluss gemacht
> werden.
Bild: Nicht für Nachkommen für NS-Verfolgte? Das ist absurd
Es klingt zu absurd, um wirklich wahr sein zu können: Da verliert das Kind
einer vor den Nazis nach Großbritannien geflüchteten deutschen Jüdin
[1][den grundgesetzlich verbrieften Anspruch auf die deutsche
Staatsangehörigkeit], weil zum Zeitpunkt seiner Geburt noch ein
grundgesetzwidriges Gesetz galt, das die Mutter diskriminierte – und zwar
nicht als Jüdin, sondern „nur“ als Frau. So etwas kann man sich nicht
ausdenken. Dieser Aberwitz ist tatsächlich bis heute bundesdeutsche
Realität. Auf dieser Grundlage werden ernsthaft Einbürgerungsanträge
abgelehnt. Es ist überfällig, dass damit Schluss gemacht wird.
Was ist das für ein grandioser Vertrauensbeweis, wenn die Nachkommen
derjenigen, die sich vor dem nationalsozialistischen Vernichtungsfuror
retten konnten, den deutschen Pass beantragen! Die Bundesrepublik sollte
dankbar sein für jeden Einzelnen, der sich für diesen Schritt entscheidet.
Da muss es doch völlig egal sein, wen und wann die Mutter oder Großmutter
nach ihrer Flucht geheiratet hat.
Vergessen wir nie: Auch wenn sie dem deutschen Zivilisationsbruch nicht zum
Opfer fielen, entkommen konnte keine jüdische Familie. Denn da waren immer
noch der Vater, die Mutter, die Großmutter, der Großvater, die Schwester,
der Bruder, der Onkel, die Tante, die Cousine oder der Cousin, die im Gas
endeten.
## Es geht um historische Verantwortung
Aus verständlichen Gründen wollten viele jener jüdischen Deutschen, die
sich im Gegensatz zu ihren Angehörigen ins Ausland retten konnten, nie
wieder etwas mit dem Land der Täter zu tun haben. Und nun beantragen die
Tochter, der Sohn, der Enkel oder die Enkelin die deutsche
Staatsbürgerschaft, die ihren Vorfahren von den Nazis entzogen wurde. Wie
kann man ein solches Begehren ablehnen, ohne vor Scham im Boden zu
versinken?
Eigentlich sollte es eine Selbstverständlichkeit sein: Abkömmlinge
deutscher Staatsangehöriger, denen zwischen 1933 und 1945 die
Staatsangehörigkeit aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen
entzogen worden ist, sind auf Antrag wieder einzubürgern, auch wenn sie
nach dem zum Zeitpunkt ihrer Geburt geltenden Recht die deutsche
Staatsangehörigkeit nicht durch Abstammung erworben hätten.
Wortwörtlich genau das haben die Grünen [2][in der vergangenen
Legislaturperiode vorgeschlagen]. Doch ihr Gesetzentwurf zur Reformierung
des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts kam nie zur Abstimmung. Desto
dringender wäre es, ihn jetzt endlich zu beschließen.
Hier geht es um die Wahrnehmung historischer Verantwortung. Da sollten alle
im Bundestag vertretenen demokratischen Parteien gemeinsam darum bemüht
sein, den bestehenden Missstand schnellstmöglich zu beseitigen. Das ist
eine moralische Verpflichtung. Zum 70. Jubiläum des Grundgesetzes gehört
die gegenwärtige blamable Rechtslage schnellstmöglich geändert. Ohne Wenn
und Aber.
14 Jan 2019
## LINKS
[1] /Nachkommen-von-NS-Verfolgten/!5561484
[2] https://www.bundestag.de/blob/573134/6a66d5ca012db2f6b3cff9148e841af0/wd-3-…
## AUTOREN
Pascal Beucker
## TAGS
Nazideutschland
NS-Verfolgte
Staatsbürgerschaft
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Staatsangehörigkeit
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