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# taz.de -- Nachkommen von NS-Verfolgten: Bald wieder eingebürgert
> Diskriminierende Gesetze haben bis jetzt vielen Nachfahren von deutschen
> NS-Verfolgten die Einbürgerung verwehrt. Das soll sich nun ändern.
Bild: Deutsche Staatsbürgerschaft für Nachkommen von NS-Flüchtlingen: gerech…
Berlin taz | [1][Der Brexit] hat zumindest eine positive Auswirkung: Er
macht nicht nur auf eine große, man möchte sagen peinliche Ungerechtigkeit
der deutschen Wiedergutmachungspolitik aufmerksam, sondern führt wohl auch
zu deren Behebung.
Denn viele deutschstämmige Briten, darunter zahlreiche Nachkommen von
NS-Verfolgten, möchten vor dem drohenden Austritt ihres Landes aus der
Europäischen Union Deutsche werden und somit europäische Staatsbürger
bleiben.
Eigentlich haben sie auch ein Recht darauf: „Frühere deutsche
Staatsangehörige, denen zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945
die Staatsangehörigkeit aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen
entzogen worden ist, und ihre Abkömmlinge sind auf Antrag wieder
einzubürgern.“ So heißt es [2][im Grundgesetz].
Allerdings galt dies nur, wenn ihnen überhaupt das Recht auf eine deutsche
Staatsangehörigkeit zugestanden hätte. Das war aber bei [3][ehelich
geborenen Kindern deutscher Frauen und ausländischer Männer] per se nicht
der Fall. Der Grund: das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913,
nach dem die Heirat mit einem Ausländer der Grund für den Verlust der
Staatsbürgerschaft war. Die wurde zudem ausschließlich vom Vater vererbt.
## Lücke im Gesetz
Ganz konkret: Eine deutsche Jüdin flieht vor dem Naziregime nach England,
[4][ihr wird die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt]. Wenige Zeit
später erhält sie die britische durch die Heirat mit einem Engländer,
ebenso die aus der Ehe entstandenen Kinder. Ihr Antrag auf Einbürgerung in
Deutschland wurde bisher abgewiesen.
Das diskriminierende Gesetz zur Vererbung der Staatsangehörigkeit blieb bis
1975 in Kraft.
Im Jahr 2000 kam es zu einer Neuregelung: Es bestehe ein „öffentliches
Interesse an einer Einbürgerung“ bei jenen Personen, die nach dem
Inkrafttreten des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 und vor 1975 als „Kind
einer deutschen Mutter und eines ausländischen Vaters ehelich geboren
sind“. Das galt sowohl für Mütter mit deutscher Staatsangehörigkeit als
auch für die, denen sie entzogen worden war.
Doch die Frage blieb: Was ist mit all jenen Kindern, die vor 1949 geboren
wurden?
## Kein Ermessensspielraum
Darauf nun reagiert das Bundesinnenministerium (BMI) mit zwei Erlassen, die
am Freitag in Kraft treten. Künftig können auch all jene vor 1949 geborenen
ehelichen Kinder deutscher Mütter und ausländischer Väter ihr Recht auf
Staatsangehörigkeit geltend machen. Außerdem wird die Regelung erweitert:
Sie gilt auch, wenn sich die Vorfahren etwa aufgrund von Verfolgung zur
Emigration entschlossen und im Ausland eine neue Staatsbürgerschaft
annahmen.
„Mit dem Erlass können wir schnell und möglichst genau reagieren, ohne eine
völlige Öffnung“, so das BMI. „Im Grunde unterbinden wir so jeden
Ermessensspielraum.“ Die Grünen dagegen fordern eine Gesetzesänderung und
haben einen Gesetzentwurf vorbereitet.
Hans Hofmann, Leiter der Abteilung Staatsrecht im BMI, betonte, dass man
die Anforderungen vor dem Hintergrund bestehender Gesetze „maximal niedrig“
gehalten habe. Betroffene müssten etwa lediglich über rudimentäre
Kenntnisse der Sprache und der Rechtsordnung verfügen. Diese müssen in
einem persönlichen Gespräch mit einem Konsulatsmitarbeiter nachgewiesen
werden. „Die Mitarbeiter sind zu einer wohlwollenden Prüfung angehalten“,
so Hofmann.
Mit der Regelung können alle bis heute geborenen Nachfahren dieser Gruppen
die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen.
Wie viele Personen darunterfielen, sei nicht klar. Hofmann betont:
„Angesichts des Brexits gehen wir von einer Antragswelle aus.“
29 Aug 2019
## LINKS
[1] /Schwerpunkt-Brexit/!t5313864
[2] https://www.gesetze-im-internet.de/gg/BJNR000010949.html
[3] /Kein-deutscher-Pass-fuer-verfolgte-Frauen/!5561481
[4] /Nachkommen-von-NS-Verfolgten/!5561484
## AUTOREN
Julia Kitzmann
## TAGS
NS-Verfolgte
NS-Opfer
Staatsangehörigkeit
Schwerpunkt Brexit
Schwerpunkt Nationalsozialismus
Boris Johnson
Staatsbürgerschaft
Staatsangehörigkeit
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