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# taz.de -- Jürgen Trittin über Klimaschutz in China: „Europa muss antworte…
> Klimaschutz wird in China stark vorangetrieben, sagt der Grünen-Politiker
> Jürgen Trittin. Er will mehr Kooperationen.
Bild: Deutschland rennt China hinterher, sagt der Grüne Jürgen Trittin
taz: Herr Trittin, China investiert massiv in erneuerbare Energien, allein
2017 waren es rund 126 Milliarden Dollar. Freut Sie das?
Jürgen Trittin: Fürs Klima ist das eine gute Nachricht. Die Chinesen haben
begriffen: Wer weiter auf fossile Energien und Umweltverschmutzung setzt,
bremst auf Dauer sein Wachstum. Die Bevölkerung leidet unter vergifteten
Flüssen, Wasserknappheit und Luftverschmutzung. China investiert gut
zehnmal so viel Geld in erneuerbare Energien wie Deutschland.
Vor Jahren galt Deutschland als Wegbereiter für grüne Energien, auch durch
[1][den Atomausstieg]. Ist das vorbei?
China hat Deutschland bei Investitionen in den Klimaschutz schon lange
überholt. Das sieht man etwa bei umweltfreundlicher Mobilität. Chinesische
Autofirmen haben im vergangenen Jahr 700.000 E-Mobile und Plug-in-Hybrids
produziert. Dieses Jahr werden es 1 Million Fahrzeuge sein. Deutsche
Hersteller haben davon bisher kein einziges produziert. Die Frage, [2][ob
der Diesel eine Zukunft hat], ist längst entschieden – in und durch China.
Die Deutschen können sich also von China etwas abschauen?
China hat gelernt, wir rennen hinterher. Dass Regine Günther, die grüne
Verkehrs- und Umweltsenatorin von Berlin, nach Shenzhen fliegen muss, um
Elektrobusse zu kaufen, ist peinlich für Deutschland. In dieser Großstadt
leben 12,5 Millionen Menschen, sie betreibt die weltgrößte Flotte von
Elektrobussen, Mopeds mit Zweitaktmotor sind verboten. Oder nehmen Sie die
Batterieproduktion …
…und der chinesische Konzern Catl liefert Lithium-Ionen-Akkus für Autos in
die ganze Welt.
China arbeitet strategisch darauf hin, die Herstellung von Batteriezellen
zu monopolisieren. Der Staat setzt auf Klimaschutz, auch aus
industriepolitischen Motiven. Man darf sich da nichts vormachen: Es geht um
industrielle und geostrategische Dominanz, nicht anders als bei der
America-First-Strategie von Donald Trump. Nur heißt das Ganze hier „China
2025“.
Was ist die industriepolitische Antwort Deutschlands und Europas auf diese
Strategie?
Europa hat hierauf keine Antwort – erst recht nicht Deutschland. Die
deutschen Autobauer verdienen aktuell noch zu gut auf dem chinesischen
Markt. Sie opfern ihre strategische Stellung für kurzfristige Rendite. Es
mag ja noch angehen, dass BMW und andere in China Catl-Batterien einbauen
müssen. Aber ich habe ihre Vertreter gefragt, ob sie dann wenigstens in
Europa oder den USA andere Batterien nutzen. Ihre Antwort: Nö, warum
sollten wir? Stattdessen baut Catl jetzt eine eigene Batteriefabrik in
Thüringen. Und Bodo Ramelow darf sie dann irgendwann mit der Kanzlerin
einweihen. Die saufen noch den Kakao, durch den sie gezogen werden.
Was wäre die richtige Antwort?
Man muss eigene Standards setzen. Europa ist immer noch der größte
Binnenmarkt der Welt, wenn es um Zahlungskraft geht. China ist deshalb auf
Europa angewiesen. Die EU müsste eigene Standards setzen und
Schlüsseltechnologien gezielt entwickeln – und so dafür sorgen, dass kein
Monopol entsteht.
Zynisch gefragt: Ist eine Ein-Parteien-Diktatur für engagierten Klimaschutz
vielleicht sogar ganz praktisch?
China hat einen scheinbaren Konsistenz-Vorteil. Die Führung der
Kommunistischen Partei hat zum Beispiel Tausende veraltete Betriebe
geschlossen, weil sie nicht in die neue Wachstumsstrategie passten. Von
oben angeordnet, zack, aus. Arbeitsplätze zählten da nicht so viel. Aber
Fehlentscheidungen werden dadurch erleichtert und haben sehr viel
gravierendere Folgen. Und so ist die Klimabilanz Chinas durchaus
ambivalent.
Warum?
China hat riesige Überkapazitäten in der Stahlproduktion oder der fossilen
Kraftwerkstechnologie. Diese werden nun einfach exportiert, nach Afrika
oder Zentralasien. Dann wird eben dort CO2 in die Luft geblasen. Mit der
Belt-and-Road-Initiative, also der neuen Seidenstraße – einem Handelsweg
auf dem Land bis Europa –, investiert China massiv in interkontinentale
Handelsnetze, um eigene Produkte günstig exportieren zu können. Darauf hat
Europa auch keine Antwort.
Müsste Europa beim Klimaschutz stärker mit China kooperieren? Die USA sind
unter Donald Trump aus dem Pariser Klimaschutzabkommen ausgestiegen.
Das [3][Ergebnis der Klimakonferenz in Kattowitz] wurde nur erreicht, weil
die Europäer sich mit China einig waren. Ob diese Kooperation von Dauer
ist, hängt auch davon ab, ob Europa beim Klimaschutz liefert. Irgendwann
werden die Chinesen sagen: Was kommt eigentlich von euch – außer
ambitionierte Versprechen? Die Europäer müssen ihren CO2-Ausstoß im Maßstab
globaler Gerechtigkeit deutlich reduzieren, um bei einer Erderwärmung von
1,5 Grad zu bleiben.
Ist die Zusammenarbeit mit einem Regime, das Menschenrechte verletzt, nicht
per se fragwürdig?
Die Menschenrechtslage in China wird in der Tat immer schlechter. In der
autonomen Provinz Xinjiang hat das Regime Zehntausende muslimischer Uiguren
[4][in Lagern interniert]. Moralische Appelle von der Bundesregierung, von
Human Rights Watch oder den Grünen sind notwendig. Bloß zeigen sie wenig
Wirkung. Die Bundesregierung und die Europäer müssten die Chinesen
stattdessen bei ihren Interessen packen.
Also ökonomisch argumentieren, um Menschenrechte zu schützen?
Ja. [5][Die neue Seidenstraße] soll durch Xinjiang führen. Die Chinesen
verbieten dort gläubigen, aber überwiegend nicht fanatischen Muslimen,
ihren Glauben auszuüben. Das ist der sicherste Weg, um neue Dschihadisten
heranzuzüchten. Man müsste den Chinesen sagen: Ihr wollt da eine
Bahnstrecke bauen, Container durchschicken, Handel treiben. Da braucht ihr
Sicherheit. Ein neuer islamistischer Spielplatz liegt nicht in eurem
Interesse.
Haben Sie Angst davor, dass China mit seinem autoritären Modell so
erfolgreich sein könnte, dass sich andere Gesellschaften ein Beispiel daran
nehmen?
Die Chinesen könnten sich durchsetzen, aber sie müssen es nicht.
Selbstverständlich macht China afrikanische Despoten mit Investitionen in
Infrastruktur von sich abhängig. Sie knüpfen an einen tatsächlichen
Investitionsbedarf an. Auf den muss Europa antworten. Wir können und müssen
Staaten helfen dieses Defizit bei Investitionen in Infrastruktur zu
überwinden. Je mehr Antworten Europa darauf gibt, desto größer wird die
Chance, dass sich unsere Auffassung von Menschenrechten und
Multilateralität durchsetzt.
13 Jan 2019
## LINKS
[1] /Kommentar-Zahlungen-fuer-Atomausstieg/!5499377
[2] /Debatte-Klimaschutz-und-Mobilitaet/!5520427
[3] /Nach-der-UN-Klimakonferenz/!5556735
[4] /Menschenrechtsverletzungen-in-China/!5517937
[5] /Buch-ueber-chinesische-Oekonomie/!5541307
## AUTOREN
Ulrich Schulte
Tobias Schulze
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