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# taz.de -- „Fahrenheit 11/9“ von Michael Moore: Giftwasser für die Armen
> Michael Moore rechnet in seinem jüngsten Dokumentarfilm mit US-Präsident
> Donald Trump ab. Aber auch mit den Demokraten.
Bild: Trump selbst äußerte vor Jahren die Sorge, dass Moore einen Film über …
Michael Moore ist wütend. Und er hat einen Film darüber gemacht. So weit
bekannt. Der Anlass ist naheliegend: die Wahl des 45. Präsidenten der USA.
Sein Dokumentarfilm „Fahrenheit 11/9“ will dabei zweierlei: der Welt noch
einmal deutlich zeigen, wen die USA sich da zum Präsidenten erkoren haben,
und herausfinden, ob das Land diesem Staatsoberhaupt etwas entgegenzusetzen
hat.
Kurz vorweggenommen: Moore macht sehr vieles von dem, was man von ihm
inzwischen erwartet. Sonst wäre es ja kein Michael-Moore-Film. Moore als
Aktivist vor der Kamera? Gewiss. Gefühlsmanipulation? Sicher doch.
Großzügiges Überzeichnen? Selbstverständlich. Doch er öffnet den Blick üb…
die gängigen Trump-Schlagzeilen hinaus, mit denen sich locker ein längerer
Film hätte füllen lassen.
In jedem Fall ist damit etwas passiert, das Donald Trump selbst vor Jahren
in einem Fernsehinterview als Sorge äußerte: dass Moore einen Film über ihn
drehen könnte. Das Statement darf als kurze Archiveinspielung nicht fehlen.
Und vermutlich hat Trump der Film am Ende nicht gefallen.
Moore hakt unterwegs einige der Punkte ab, die zu Trump halt dazugehören.
Ergänzt um Überraschungen. Dass Trump aus verletzter Eitelkeit heraus eine
Fake-Präsidentschaftskandidatur inszenierte, dürfte zu Letzteren gehören.
Denn angeblich war Trumps Grund für diesen Schritt, dass die Sängerin Gwen
Stefani beim Sender NBC mehr verdiente als ihr blondgefärbter Kollege
Trump, der dort bis 2015 die Show „The Apprentice“ hatte. Als die
angebliche Kandidatur Trumps für große Begeisterung sorgte, blieb er dran.
Mit weitreichenden Folgen.
Moore erzählt etwa, wie Trump die Spielregeln im Umgang mit der Presse
änderte, gern Korrespondenten sehr lang warten ließ, wenn diese von
Wahlkampfveranstaltungen mit ihm berichten sollten, wie es bis zuletzt in
der Öffentlichkeit als ausgemacht galt, dass Trump die Wahl verlieren
würde. Auch die tränenüberströmten Gesichter der Demokraten lässt Moore
noch einmal Revue passieren, am 9. November 2016 nach der Wahl, dem Datum,
dem der Film seinen Titel verdankt. Zugleich zitiert Moore sich selbst.
„Fahrenheit 9/11“ hieß sein Film über die Politik der US-Regierung nach d…
Zerstörung des World Trade Center im Jahr 2001.
## Wähler ignoriert
Mit der Partei, die eigentlich mit der ersten Präsidentin der USA Trump
hätte verhindern sollen, springt Moore keinesfalls zimperlich um. Er
erinnert daran, dass die Demokraten 2016 bei den primaries in West Virginia
sogar so weit gingen, die Abstimmungsergebnisse der Wähler in sämtlichen
Counties des Staates zu ignorieren: Bernie Sanders hatte zunächst mit
großer Mehrheit gegen Hillary Clinton gewonnen. Die zuständigen Delegierten
der Demokraten stimmten am Ende dennoch für Clinton.
Einer der größten Skandale, die Moore anspricht, geht auf das Konto der
Republikaner, selbst wenn er auf den ersten Blick wenig mit Trump zu tun
hat. In Flint, Moores von Armut geprägter Geburtsstadt in Michigan, ließ
der republikanische Gouverneur Rick Snyder die Wasserversorgung aus dem
Huronsee, einem der größten Süßwasserreservoirs der Erde, einstellen.
Stattdessen baute er eine neue Pipeline, die Wasser aus dem Flint River
lieferte. Mit Industriegiften verseuchtes Wasser. Darauf erkrankten viele
der mehrheitlich afroamerikanischen Einwohner an Bleivergiftung. Zwei
starben an der Legionärskrankheit.
Moore ist in diesen Teilen inhaltlich mit am stärksten, obwohl er sich als
empörtes Kind der Stadt immer wieder selbst als Protagonist ins Spiel
bringt. Vor allem befragt er jedoch Mediziner oder eine ehemalige
Mitarbeiterin der Gesundheitsbehörde der Stadt, die nüchterne Zahlen
vortragen. Bleiwerte, die sie bei Kindern gemessen haben und die, im Fall
der Behördenmitarbeiterin, hinterher für den offiziellen Bericht nach unten
korrigiert wurden.
Sein Vorwurf: Wie ist so etwas in diesem Land möglich? Unter Trump, aber,
schlimmer noch, schon unter Barack Obama? In einer der haarsträubendsten
Szenen ist Obama auf Besuch in Flint, wo er die Wasserkrise der Stadt
herunterspielt und demonstrativ ein Glas Wasser an die Lippen hält. Als
Kritik an Trump dient das Moore, der seine Thesen gern ideologisch verengt,
kaum. Was bleibt, ist Fassungslosigkeit.
Hoffnungsvolle Signale sollen dafür Beispiele von jungen Demokratinnen wie
Alexandria Ocasio-Cortez setzen. Das steht etwas unvermittelt neben seiner
oft kunstvoll montierten Trump-Anschuldigungssuada. Den besten
Überraschungseffekt schafft er ohnehin mit Szenen aus Leni Riefenstahls
Propagandafilm „Triumph des Willens“. Man sieht Hitler beim
NSDAP-Reichsparteitag 1934 sprechen, hört aber, lippensynchron, eine Rede
Trumps. Wenn er dann jedoch Bilder des ausgebrannten Reichstags mit
Berichten über die Anschläge auf das World Trade Center von 2001
kombiniert, ist er wieder tief im Verschwörungstheorienreich. Moore bleibt
eben Moore.
16 Jan 2019
## AUTOREN
Tim Caspar Boehme
## TAGS
Michael Moore
Dokumentarfilm
Fahrenheit 11/9
Donald Trump
Hillary Clinton
Barack Obama
Schwerpunkt USA unter Donald Trump
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Schwerpunkt USA unter Donald Trump
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