Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Dokumentarfilm „Planet of the Humans“: Kapitalismuskritik mit F…
> Michael Moores neuer Film behauptet, erneuerbare Energie sei kein Ausweg
> und die Ökos hätten sich mit den Reichen gemeingemacht. Stimmt das?
Bild: Hatte auch schon in der taz-Redaktion einen Auftritt: Filmemacher Michael…
Die zentrale Aussage des Films spricht der Regisseur nach einer Stunde und
23 Minuten aus dem Off: „Die Übernahme der Umweltbewegung durch den
Kapitalismus ist nun komplett“, sagt Jeff Gibbs mit monotoner Stimme. Der
Film zeigt eine Luxusvilla, Jachten, lachende Superreiche. Dann geht es
weiter mit Bildern von Umweltschützern, die lächelnd Schecks von Firmen
annehmen und ihre Sponsoren preisen. Davor und danach: Sequenzen von
qualmenden Bioenergie-Fabriken, Naturzerstörung für Rohstoffe in
Solaranlagen, sterbenden Orang-Utans und Umweltschützern, die ahnungslos
sind oder kritischen Fragen ausweichen.
Der Film [1][„Planet of the Humans“] sorgt in der Umweltbewegung der USA
für Aufregung und bei ihren Gegnern für Freude. Regisseur Jeff Gibbs und
Produzent Michael Moore nehmen sich darin die „grüne Energie“ vor. Ihr
Fazit: Auch mit Ökostrom werden wir nicht die Welt retten. Denn die
Umweltschützer von einst hätten sich mit den Reichen gemeingemacht und
propagierten ein grün angestrichenes „Weiter so“, das die Ökosysteme
kollabieren lasse. Das Kapital habe „die Kontrolle über die Umweltbewegung
übernommen“, heißt es. „Es ist nicht das CO2, das den Planeten zerstört …
es sind wir Menschen.“
Gibbs und Moore haben den 100-Minuten-Film angelegt wie andere Streifen des
Oscar-Preisträgers wie „Bowling for Columbine“, „Roger and Me“ oder
„Fahrenheit 9/11“: Beeindruckende Bilder von Umweltzerstörungen, kurze
Interviews, die Verantwortliche schlecht aussehen lassen, AktivistInnen,
die sich beschweren, Fakten und Daten, die kaum zu überprüfen sind. Der
Streifen wurde am 21. April, dem in den USA groß gefeierten Umwelttag
„Earth Day“, für 30 Tage kostenlos auf Youtube gestellt. Bisherige Aufrufe:
5,6 Millionen.
Der Erzähler Gibbs begibt sich in dem Werk auf eine Reise zu den Standorten
von Ökoenergien – und staunt als selbst erklärter Umweltschützer darüber,
wie dreckig diese sind: Große Minen zerstören für Grundstoffe die
Landschaft, Solarparks müssen mit Gas angefeuert werden, Elektromobile
fahren mit Kohlestrom, große Waldflächen werden für Biomasse gerodet, die
Verbrennung von Holz verdreckt die Luft, fossile und nukleare Kraftwerke
sichern die Grundlast für Erneuerbare.
Und: „Ökoenergien“ sind ein großes Geschäft, an dem auch Konzerne wie
General Electric, Holzfirmen, Ölkonzerne und Banken verdienen, oft als
Sponsoren der US-Umweltverbände wie des Sierra Club, des Environmental
Defense Fund oder Nature Conservancy. „Erneuerbare ersetzen die fossilen
Brennstoffe nicht“, sagt ein Experte. „Es wäre besser, sie direkt zu
verbrennen. Wir werden hier mit einer Lüge gefüttert.“
## Rockkonzerte ohne Solarpanels
Diesem Vorwurf setzen sich aber auch die Filmemacher aus. Denn das Werk
hantiert häufig mit Halbwahrheiten, die die Fakten verkürzen und verdrehen
oder Skandale sehen, wo keine sind. Er erwähnt nicht, dass die Umweltbilanz
von E-Autos über ihren Lebenszyklus und mit immer mehr Ökostrom besser wird
als die der Verbrenner. Er regt sich darüber auf, dass eine Tesla-Fabrik
(Ziel: 100 Prozent Erneuerbare) doch noch einen Stromanschluss ans Netz
bekommt oder dass Rockkonzerte der Ökobewegung nicht mit Solarpanels
betrieben werden.
Er stellt Solarparks vor, die deutlich weniger Ertrag und deutlich höhere
Kosten haben als üblich. Er polemisiert, seit 2010 sei „der Einsatz
fossiler Energie in den USA gestiegen“ – und verschweigt, dass die
CO2-Emissionen trotzdem sinken, weil Gas Kohle ersetzt. Er führt
Deutschland als Beispiel an, dass auch hier die Erneuerbaren kaum zum
Energiemix beitrügen und sich dann vor allem auf die Verbrennung von Holz
konzentrierten – und operiert dabei mit alten und falschen Daten. Und er
präsentiert einen Autor und Dozenten als Hauptzeugen, Ozzie Zehner, der
sich im Abspann als Koproduzent zu erkennen gibt.
KlimawissenschaftlerInnen, unabhängige ForscherInnen oder die angegriffenen
Vertreter der Ökoverbände, allen voran Bill McKibben von 350.org, kommen zu
den Vorwürfen dagegen nicht zu Wort. Die Machart erinnert damit an die
Polemik der „Klimawandelleugner“, die Gegenargumente ausblendet und Fakten
nur anführt, wenn sie die eigene These stützen. Aus diesen Kreisen kommt
auch schon Lob für den Film, den „die Umweltbewegung fürchtet“, wie es
heißt.
## Umweltszene debattiert lange vor dem Film
Dabei sind viele der Fragen, die „Planet of the Humans“ anspricht, in der
Umweltszene der Vereinigten Staaten durchaus umstritten: Wie grün
„Bioenergie“ wirklich ist, wie sehr das Ökoengagement der Industrie im
„Greenwashing“ endet, ob sich die Verbände ihren Sponsoren von der Wall
Street zu sehr an den Hals werfen, wurde auch schon vor dem Film mit
Leidenschaft in der Umweltszene debattiert.
Trotzdem regt sich Kritik, die als kostenlose Werbung für den kostenlosen
Film wirkt: Die linke Webseite „Films For Action“, die ihn ursprünglich
bewarb, veröffentlichte einen [2][kritischen Faktencheck] der Filmemacher
Josh Fox („Gasland“). Und Klimawissenschaftler wie Michael Mann fordern in
einem [3][offenen Brief] von den Machern, den Film zurückzuziehen und sich
zu entschuldigen, weil er „auf Fehlinformationen und nicht auf Wahrheit“
beruhe.
Für Regisseur Gibbs geht die Rechnung auf: „Wir wollten diese Diskussionen
lostreten“, rechtfertigt sich in einem Interview mit dem US-Fernsehsender
Hill TV. „Wir haben auch nicht alle Antworten.“ Sein Kollege Michael Moore
meint im gleichen Interview, die Arbeit sei eine „Warnsirene“, sie seien
schließlich selbst Teil der Ökobewegung. „Aber wenn die Umweltbewegung mit
den Großkonzernen im Bett liegt, dann müssen gerade ihre Freunde ihr sagen:
Ihr verbockt es gerade.“
3 May 2020
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=Zk11vI-7czE
[2] https://www.filmsforaction.org/articles/skepticism-is-healthy-but-planet-of…
[3] https://twitter.com/joshfoxfilm/status/1253572812591247360/photo/2
## AUTOREN
Bernhard Pötter
## TAGS
Dokumentarfilm
Michael Moore
Schwerpunkt Klimaproteste
Schwerpunkt Klimagerechtigkeit
Verschwörungsmythen und Corona
Filmfestival
Dokumentarfilm
Michael Moore
## ARTIKEL ZUM THEMA
Klimaschutz und Kapitalismus: Wagen wir den Ausbruch!
Kritik an Konzernen und dem Staat greift zu kurz. Denn Klimaschutz
widerspricht der Logik des Kapitalismus.
Der Fake-Test: Wie Sie Online-Fälschungen erkennen
Manche Menschen belegen ihre fragwürdigen Aussagen im Internet mit Quellen.
Aber sind die auch echt?
Virtuelle Kurzfilmtage Oberhausen: Lächelnd in den nächsten Film
Die Internationalen Kurzfilmtage öffnen sich als online geschaltetes
„Blogfestival“ einem theoretisch unbegrenzten Publikum.
Dokumentarfilm über Noise-Band Swans: Monumente aus Schall
Heilige Ekstase: Der Dokumentarfilm „Swans – Where Does a Body End?“ feie…
die Geschichte der mutmaßlich lautesten Band der Welt.
„Fahrenheit 11/9“ von Michael Moore: Giftwasser für die Armen
Michael Moore rechnet in seinem jüngsten Dokumentarfilm mit US-Präsident
Donald Trump ab. Aber auch mit den Demokraten.
"Slacker uprising" umsonst im Netz: Michael Moore verschenkt Doku
Für Michael Moore ist offenbar der Zeitpunkt gekommen, sich in den
Präsidentschaftswahlkampf einzuschalten: Michael Moore bietet seine neue
Doku "Slacker Uprising" kostenlos zum Download an.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.