# taz.de -- Digitalisierung des Taxi-Markts: Eine Wette auf die Zukunft | |
> MyTaxi und andere App-Anbieter drängen die etablierten Taxi-Zentralen vom | |
> Markt. Dahinter stehen die Autokonzerne mit einem strategischen | |
> Interesse. | |
Bild: Per Klick bestellt, Preis im Voraus bekannt: Mytaxi in voller Fahrt | |
BREMEN taz | Taxifahren ist wieder hip. Eine Freundin sagt es eines Abends | |
spontan: „Bei dem Preis bin ich letztens auch einfach mal wieder Taxi | |
gefahren.“ An Feiertagen wie Silvester gehören Taxifahrten für viele dazu. | |
Im Alltag aber darauf umzusteigen, nur weil es bequemer ist, daran hätte | |
die Freundin bislang nicht gedacht. Doch das hat sich geändert – wegen | |
einer Taxi-App auf dem Smartphone. | |
Man könnte sagen, die Freundin ist damit Prototyp einer neuen | |
Taxi-Kundschaft, die über Smartphone-Apps angelockt werden soll. Auch wenn | |
sie es kaum merkt, ist sie auf der Konsumentenseite mittendrin in einer | |
historischen Umwälzung nicht nur des Taxi-, sondern des ganzen | |
Mobilitätsmarktes – einer Bewegung, bei der die großen Player mitmischen: | |
IT-Konzerne wie Google, Apple und auch Autohersteller wie Volkswagen, BMW | |
und Daimler. | |
An Großstädten wie Hamburg kann man sehen, wie stark die | |
Mobilitätsangebote sich in den letzten Jahren diversifiziert haben. Da | |
kooperiert die Deutsche Bahn mit dem Verkehrsverbund VHH und bietet einen | |
Dienst namens „Ioki“ an, bei dem sich Menschen in den äußeren Stadtteilen | |
Lurup und Osdorf per App einen kleinen Elektro-Shuttlebus rufen können. Da | |
ist Volkswagen unter dem Namen „Moia“ mit einem ähnlichen Konzept unterwegs | |
und kündigte an, dass die kleinen Sammelbusse in absehbarer Zeit autonom | |
fahren sollen . | |
Und da sind BMW und Daimler, denen nach der EU-Kommission auch die | |
US-Wettbewerbsbehörde kürzlich erlaubte, ihre Mobilitätsdienstleistungen | |
zusammenzulegen. Angebote wie deren sogenannte | |
„Free-Floating“-Carsharing-Dienste „Car2Go“ und „DriveNow“ zählen … | |
denen man sich ebenfalls über das Smartphone Autos leihen kann, die man | |
danach irgendwo wieder abstellt – aber auch die App „Mytaxi“. | |
## Anfahrt in Echtzeit | |
„Mytaxi“ wurde in Hamburg 2009 von einem Start-up in Altona gegründet und | |
hat seitdem den Taximarkt durchgerüttelt. 2014 übernahm der Autoriese | |
Daimler das komplette Programm. Nach eigenen Angaben ist das Unternehmen | |
mittlerweile weltweit in 100 Städten aktiv, mit mehr als 10 Millionen | |
Fahrgästen und 100.000 registrierten FahrerInnen. | |
Mit „Mytaxi“ oder dem Konkurrenzangebot „Taxi.eu“ bestellt man auf dem | |
Mobiltelefon ein Taxi per Fingerklick, kennt den Preis der Strecke im | |
Voraus, kann die Anfahrt des Wagens in Echtzeit über einen kleinen Punkt | |
auf einer Straßenkarte nachvollziehen und am Ende bargeldlos bezahlen. | |
Solche Apps bedeuten eine enge Kontrolle der Arbeit der Fahrer – was oft | |
kritisiert wird –, machen Taxifahrten andererseits aber noch bequemer, | |
berechenbarer, attraktiver. | |
Wer vorher weiß, dass eine Strecke etwa von Altona in die Hafencity 8 Euro | |
kosten soll, und mit Freunden unterwegs ist, mit denen man sich die | |
Fahrtkosten teilen kann, wechselt schneller mal zum Taxi. Zu dritt kostet | |
die Fahrt pro Person weniger als mit dem Bus. | |
## Werbung durch Rabattaktionen | |
Doch die Touren werden auch an sich günstiger: „Mytaxi“ machte mit | |
Rabattaktionen Werbung und bot beispielsweise Fahrten einen Monat lang für | |
50 Prozent an. Seit rund einem Jahr locken aber vor allem die | |
Sammeltaxi-Funktionen. Statt einer normalen Fahrt kann man nach 18 Uhr etwa | |
in der „Mytaxi“-App die sogenannte „Match“-Funktion auswählen und damit | |
signalisieren, dass man sich die Fahrt mit jemandem teilen würde, der in | |
die gleiche Richtung will. | |
Theoretisch berechnet die App dann einen solchen „Match“, einen passenden | |
Mitfahrer. In der Realität passiert das bisher noch selten, die Fahrt | |
kostet aber dennoch weniger. Zunächst nur die Hälfte, mittlerweile beträgt | |
der Preisnachlass 30 Prozent. Der Hamburger Konkurrent Hansa-Taxi hatte | |
eine entsprechende Erweiterung ebenfalls im Dezember 2017 in seiner eigenen | |
App als Erster eingeführt – gewährt den Preisnachlass aber nur, wenn die | |
Fahrt tatsächlich geteilt wird. | |
Bei der „Mytaxi“-App übernimmt Daimler im Zweifel die Differenz und nicht | |
die Fahrer. Ein deutlicher Vorteil, der in Deutschland allerdings anders | |
derzeit nicht möglich wäre. Denn der Taximarkt ist hierzulande über das | |
Personenbeförderungsgesetz stark reglementiert: Fahrer müssen sich | |
auskennen, die Wagen in Schuss sein und die Tarife werden von Städten und | |
Landkreisen festgelegt. | |
## Verbot von „Uber“ | |
Hamburger Gerichte verboten deshalb dem Fahrdienstleister „Uber“ im Jahr | |
2014, Personenfahrten zu vermitteln. Im Unterschied zur App des | |
US-Anbieters, der in anderen Ländern unausgebildete und Hobby-FahrerInnen | |
an Kunden vermittelt, Preise an die Nachfrage anpasst und für seine | |
arbeitnehmerfeindliche Unternehmenskultur in der Kritik steht, ersetzen | |
Taxi-Apps zunächst vor allem die Funktion von Taxizentralen. Doch auch sie | |
wollen letztendlich viel mehr sein als nur ein digitaler Taxi-Ruf. | |
Anders als bei den alteingesessenen Taxirufzentralen kommt das bei den | |
FahrerInnen erst mal gut an. Für eine Provision von aktuell 7 Prozent | |
können sie etwa in Hamburg über die App individuell Touren abgreifen. | |
Clemens Grün, der Vorsitzende des Hamburger Taxenverbandes, sagt, „Mytaxi“ | |
würde die FahrerInnen gut behandeln, es gebe wenige Vorschriften und keine | |
Probleme – auch nicht, wenn Fahrer sich mal kritisch äußerten. Bei den | |
alten Taxizentralen mit ihren Funktionären sei das anders: „Wenn man denen | |
auf den Schlips tritt, fliegt man raus“, sagt Grün. | |
Rabattaktionen wie die „Match“-Funktion sieht er kritisch. „In der Regel | |
fahren die Leute allein“, sagt Grün. Er glaubt auch nicht, dass viele neue | |
Kunden gewonnen werden. Letztendlich also ist es ein Preiskampf. | |
## Transparenz für alle | |
Experten wie Stefan Weigele sehen das ähnlich. Weigele ist Geograf und | |
Gründer der Unternehmensberatung „Civity“, die sich mit Mobilität | |
beschäftigt. „Der Effekt, dass man über die ‚Mytaxi‘-App tatsächlich n… | |
Kunden für Taxifahrten gewinnt, ist gering“, sagt er. „Er spielt sich nur | |
in einer bestimmten Bubble ab.“ Denn Taxifahren sei zwar die schnellste | |
Art, von A nach B zu kommen, aber immer noch „ein sehr hochpreisiges | |
Segment für eine bestimmte Klientel“. | |
Dennoch sei der Taximarkt heute noch zehnmal größer als etwa der | |
Free-Floating-Markt beim Car-Sharing. „Mytaxi“ habe vor allem die | |
alteingesessenen Taxirufzentralen obsolet gemacht und den Einzelunternehmer | |
digitalisiert. Der Taximarkt sei dadurch für NutzerInnen wie für die | |
Finanzämter transparenter. „Ich kann die Route verfolgen, kann sehen, ob | |
Umwege gefahren werden. Für das Finanzamt werden alle Fahrten erfasst und | |
abgerechnet. ‚Schwarzfahrten‘ werden verhindert“, sagt Weigele. | |
Doch warum investieren Firmen wie Daimler überhaupt Millionen in diesen | |
Markt? In Apps für die Taxivermittlung, in Carsharing-Angebote oder gar | |
digitale Lösungen wie die Parkraumbewirtschaftung? „Wir beobachten einen | |
starken Wandel im Mobilitätssektor“, sagt Weigele. Dabei fürchteten die | |
Automobilhersteller, von Anbietern wie Uber oder Apple überholt zu werden. | |
„Sie haben Angst davor, in Zeiten einer Plattform-Mobilität, die über Apps | |
organisiert wird, nur noch Zulieferer zu sein.“ | |
## Alternative zum Autobesitz | |
Die Automobilhersteller wollten den Mobilitätsmarkt aber auch zukünftig | |
besetzen: „Sie wollen Tickets verkaufen, Autos vermitteln und vermieten und | |
Autokunden Zusatzangebote machen – mit ihren eigenen Kundendaten.“ | |
Investitionen in die Plattform-Mobilität seien eine Wette auf die Zukunft, | |
die richtig Geld koste. Für die Unternehmen, die Milliardengewinne machten, | |
seien das aber „Peanuts im Verhältnis etwa zur Entwicklung eines neuen | |
Motors“, sagt Weigele. | |
Eine ganz eigene Sicht auf die Umwälzung des Mobilitätsmarktes hat Michael | |
Glotz-Richter. Er ist Referent für nachhaltige Mobilität beim Bremer | |
Verkehrssenator und auf diesem Gebiet international vernetzt. „In vielen | |
Ländern gehört das Taxi-Sharing zum normalen Angebot“, sagt er. Natürlich | |
würden sich sozialpolitische Fragen anschließen, etwa ob der Mindestlohn | |
bezahlt wird. Aber aus verkehrspolitischer Sicht sei es ein gutes Angebot, | |
das Sinn ergebe. | |
„Was wir als Stadt brauchen, ist eine Alternative zum Autobesitz, weil kein | |
Platz da ist“, sagt Glotz-Richter. Das Rückgrat seien der öffentliche | |
Personennahverkehr, das Fahrradfahren und das Zu-Fuß-Gehen. Aber in | |
bestimmten Situationen, etwa nachts, bei längeren Wegen oder wenn es etwas | |
zu transportieren gelte, reiche das nicht mehr: „Es muss viele Angebote | |
geben, und eine solche App für Taxen wie die ‚Mytaxi‘-App geht da in eine | |
richtige Richtung.“ | |
2 Jan 2019 | |
## AUTOREN | |
Jean-Philipp Baeck | |
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