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# taz.de -- Linksextremismus-Programm in NRW: Klimaschützer bekehren
> Mit dem Aussteigerprogramm „left“ will NRW-Innenminister Reul gegen
> Linksextreme vorgehen. Im Fokus stehen auch Umweltaktivisten.
Bild: „Wir sind friedlich, was seid ihr?“: Mit diesem Plakat will NRW für …
BOCHUM taz | Eine dunkle Gestalt, Steine werfend vor einer brennenden
Barrikade. Eine zersplitterte Fensterscheibe, darin ein rotes
Anarchy-Zeichen. Eine geballte Faust, darunter die Worte „So viel Wut?“ Mit
diesen, von Studierenden der Universität Aachen entworfenen Plakaten will
Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul ab Januar für sein
Aussteigerprogramm „left“ werben lassen. „Die autonome linksextremistische
Szene ist von zunehmender Bedeutung“, glaubt der Christdemokrat.
Besonders im Visier hat Reul dabei Klimaaktivisten und Umweltschützer: Der
Innenminister hat mit der Räumung des Hambacher Walds im September den
größten Polizeieinsatz in der Geschichte des bevölkerungsreichsten
Bundeslands zu verantworten. Dutzende Polizeihundertschaften leisteten rund
380.000 Einsatzstunden – die Kosten gehen in die Millionen.
Am 5. Oktober aber untersagte das Oberverwaltungsgericht Münster
schließlich zumindest vorläufig die Rodung des Walds, um die darunter
liegende Braunkohle durch den RWE-Tagebau Hambach abbaggern zu lassen –
Reuls Räumungsbefehl war damit schlicht sinnlos.
Verwunden zu haben scheint der Minister diesen Fehlschlag offenbar bis
heute nicht. Immer wieder warnt er wie etwa bei der Vorstellung des
Verfassungsschutzberichts, in NRW fokussiere sich „die Gewaltausübung durch
linksextremistisches Personenpotenzial auf die Auseinandersetzung um den
Tagebau Hambach“.
Dort agiere eine „gewaltorientierte linksextremistische Szene“, würden
„Straftaten als ‚ziviler Ungehorsam‘ verklärt“ – auch im Rahmen von
Massenaktionen des Klimaschutzbündnisses Ende Gelände. Diesen
Linksextremismus wolle er „sowohl repressiv als auch präventiv“ bekämpfen,
tönt der 66-Jährige.
## „Wir brauchen kein Aussteigerprogramm“
Präventiv wirken soll dabei besonders die „left“-Kampagne. Die orientiert
sich am für Rechtsextreme konzipierten Aussteigerprogramm „Spurwechsel“ –
ganz so, als würden Klimaschützer bei einem Ende ihres Engagements verfolgt
wie ehemalige Neonazis von ihren sogenannten Kameraden.
„Wir brauchen kein Aussteigerprogramm“, sagt deshalb der Sprecher von Ende
Gelände, Daniel Hofinger. „Wenn sich jemand bei uns weniger engagieren
will, sei es aus beruflichen oder familiären Gründen, dann finden wir das
natürlich schade – aber dann ist es eben so.“
Minister Reul versuche dagegen, die Klimabewegung mit seinen
Linksextremismus-Vorwürfen zu diskreditieren, glaubt Hofinger: „Nach dem
Räumungsdebakel hat die Landesregierung verstanden, dass wir ihr politisch
gefährlich werden – und seitdem erzählt der Law-and-Order-Mann Reul immer
wieder, wie schrecklich gewalttätig wir sind“, sagt der Sprecher von Ende
Gelände.
Der Konservative setze schlicht die falschen Schwerpunkte, finden auch
Politiker von Grünen und Linken. „In Nordrhein-Westfalen werden täglich
zehn rechte Straftaten verübt, ein Höchststand“, sagt der innenpolitische
Sprecher der Linkspartei, Jasper Prigge. „Der Innenminister hingegen
befasst sich mit einem Phantomproblem.“
## Rechtspopulismus ist „drängender“
Durch die starke Fokussierung auf den Linksextremismus würden
„gewaltbereite Rechtsextreme verharmlost“, warnt auch die Parlamentarische
Geschäftsführerin der Grünen im Landtag, Verena Schäffer: „Die
NSU-Verbrechen, aber auch der jüngste Verdacht einer rechten Gruppierung in
der Bundeswehr verdeutlichen doch die Gefahr durch den Rechtsextremismus.“
Auch der Aachener Professor Thomas Niehr, in dessen Seminar „Die Sprache
des Extremismus“ die Plakatentwürfe für die „left“-Kampagne entstanden
sind, steht der Sichtweise des Innenministers kritisch gegenüber. „Ich
halte den Rechtspopulismus für das drängendere und schlimmere Problem“,
sagt der Kommunikationswissenschaftler.
Seinen Studierenden habe er das Angebot von Reuls Ministerium, „nicht nur
für die Schublade“ tätig zu sein, nicht vorenthalten wollen. Allerdings:
Dass die Studierenden dann tatsächlich für den Verfassungsschutz arbeiten
wollten – das habe er auch nicht erwartet, sagte Niehr.
21 Dec 2018
## AUTOREN
Andreas Wyputta
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Nordrhein-Westfalen
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