Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Verfassungsschutz über Kohleproteste: Klimaschützer linksextrem?
> Der Bericht des NRW-Verfassungsschutzes rückt die Klimaproteste im
> rheinischen Braunkohlerevier 2018 in die Nähe des „Linksextremismus“.
Bild: Alles Extremisten? Ende Gelände-Protestmarsch 2018
Köln taz | NRW-Innenminister Herbert Reul sieht sich umgeben von
Extremisten: Die Zunahme rechtsextremer Gewalt besorge ihn, sagte der
CDU-Politiker bei der Vorstellung des [1][Verfassungsschutzberichts] des
Landes. Gestiegen sei allerdings auch die Gewalt von links. Unter
„Linksextremismus“ findet sich im Bericht unter anderem die
Großdemonstration am Hambacher Forst im Oktober 2018.
Im Rahmen dieser Demo feierten etwa 50.000 Menschen ein [2][Urteil des
Oberverwaltungsgerichtes Münster.] Das hatte am Vortag ein vorläufiges
Rodungsverbot für den durch den Braunkohletagebau bedrohten Wald
beschlossen. Im Bericht des Verfassungsschutzes heißt es, die Großdemo sei
„unter Beteiligung mehrheitlich demokratischer Gruppen und Einzelpersonen
sowie etlicher Familien am 6. Oktober 2018 überwiegend friedlich
verlaufen“.
Warum „überwiegend“? Dazu der Verfassungsschutz: „Dennoch suchten am Ran…
dieser Veranstaltung mehrere Tausend Protestierende trotz bestehender
Betretungsverbote den Wald auf.“ In NRW gilt das Waldbetretungsrecht für
alle. Auch im Hambacher Forst. Es war nicht verboten, den Wald zu betreten.
Betretungsverbote kann die Polizei für einen bestimmten Zeitraum gegen
Einzelne aussprechen. Dies war während der zuvor erfolgten wochenlangen
Baumhausräumungen tatsächlich passiert: 41-mal. Das schreibt die Polizei.
Der Verfassungsschutz allerdings behauptet, „mehrere Tausend“ hätten ein
Betretungsverbot erhalten, darunter auch die, die während der Demonstration
den Wald betraten und sich somit rechtswidrig verhalten hätten.
## Gleisbesetzungen linksextrem?
Neben den Ereignissen rund um den Großeinsatz im Hambacher Forst geht der
Verfassungsschutz auch auf die Aktion von Ende Gelände ein. Im Oktober 2018
besetzten Tausende Klimaschutz-Aktivist*innen die Gleise der Kohlebahn am
Hambacher Tagebau. Auch diesen Protest behandelt der Verfassungsschutz
unter „Linksextremismus“.
„Als ein Ergebnis der massenhaften Mobilisierung bürgerlicher Klimaschützer
im Anschluss an die Baumhausräumungen im Hambacher Forst ist es bei der
Großaktion gelungen, viele dieser Akteure zu radikalisieren und zu
rechtswidrigen Taten zu verleiten“, schreibt der Verfassungsschutz. „Ein
Beispiel ist die rund 36-stündige Gleisblockade der Hambachbahn durch mehr
als 1.500 Personen.“
Tatsächlich war die Gleisblockade durch Ende Gelände keine rechtswidrige
Tat, sondern eine Versammlung. So sieht es zumindest die Polizei Aachen.
Sie schrieb per Pressemitteilung: „Nach rechtlicher Würdigung der
Gesamtumstände durch die Staatsanwaltschaft Aachen stellte das Besetzen der
Gleise keine Straftat dar. Unlängst meldete der Versammlungsleiter die
Personengruppe als Spontanversammlung an. Die Polizei Aachen bestätigte die
Versammlung.“
Der Verfassungsschutz widmet sich auch der Vollsperrung der Autobahn 4, die
die Polizei während Ende Gelände durchführte. „Im Vorfeld der Besetzung
musste die Bundesautobahn 4 […] für mehrere Stunden voll gesperrt werden,
nachdem Demonstranten zunächst Polizeiabsperrungen durchbrochen hatten und
auf die Fahrbahn getreten waren.“
Tatsächlich hatte die Polizei die Autobahn aus Sicherheitsgründen
gesperrt, Ende Gelände durfte jedoch abseits davon demonstrieren. Als sie
die ersten Aktivisten betraten, war sie bereits gesperrt.
Auch auf die von Ende Gelände vertretene Aktionsform des gewaltfreien
Ungehorsams geht der Verfassungsschutz ein. „Faktisch kam es im Rahmen der
sogenannten 'Aktionen zivilen Ungehorsams’ wie bereits in den Vorjahren zu
einer Vielzahl von Straftaten“. Tatsächlich hat es bei Ende Gelände in den
letzten Jahren keine Verurteilung gegeben. Was eine Straftat ist und was
nicht, stellt ein Gericht fest, nicht der Verfassungsschutz.
5 Jul 2019
## LINKS
[1] https://www.im.nrw/system/files/media/document/file/VS_Bericht_2018.pdf
[2] /Juristische-Hintergruende-zu-Hambach/!5541869
## AUTOREN
Anett Selle
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Hambacher Forst
Schwerpunkt Ende Gelände!
Schwerpunkt Atomkraft
Klima
RWE
Schwerpunkt Ende Gelände!
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Linksextremismus
Polizeigesetz
## ARTIKEL ZUM THEMA
AKW-Gegner starb 2004: Gedenken an Sébastien Briat
Vor 15 Jahren starb der französische Anti-AKW-Aktivist Sébastien Briat bei
einem Unfall. In Hitzacker wird nun ein Gedenkstein für ihn aufgestellt.
Zur Räumung im Hambacher Forst 2018: Gutachten zum Großeinsatz
Vor der Räumungsaktion im Hambacher Forst gaben NRW-Ministerien zwei
Untersuchungen in Auftrag. Am Ende bleiben viele Unstimmigkeiten.
Waldspaziergang im Hambacher Forst: Bagger kappen Wasser
Hunderte Menschen sind zum Spaziergang ins Braunkohlerevier gekommen. Der
Veranstalter warnt, dass RWE den Wald zerstört, ohne ihn zu roden.
Polizeigewalt bei Ende Gelände: „Natürlich kommt es zu Fehlern“
Felix K. sagt, ein Polizist habe ihm bei den Protesten von Ende Gelände den
Schädel gebrochen. Die Aachener Polizei erklärt, jede Anzeige werde
geprüft.
Polizeibilanz nach Ende Gelände: Kreislauf vs. Knochenbrüche
Bei Ende Gelände wurden laut Polizei 16 Beamte verletzt, vier konnten den
Einsatz nicht fortsetzen. Fünf Aktivisten mussten ins Krankenhaus.
Linksextremismus-Programm in NRW: Klimaschützer bekehren
Mit dem Aussteigerprogramm „left“ will NRW-Innenminister Reul gegen
Linksextreme vorgehen. Im Fokus stehen auch Umweltaktivisten.
NRW verschärft Polizeigesetz: Koalition für mehr Repression
Im NRW-Landtag stimmen CDU, FDP und SPD für ein schärferes Polizeigesetz.
KlimaschützerInnen wollen mit zivilem Ungehorsam dagegenhalten.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.