Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Volkmar Wölk über Podiumsgäste der AfD: „Die Linie von Höcke …
> Volkmar Wölk, Rechtsextremismus-Experte und Buchautor, erklärt, wer so
> alles auf dem AfD-Ticket in der Bürgerschaft sprechen darf.
Bild: Hier gibt es am Donnerstagabend ein problematisches AfD-Podium und Gegenp…
taz: Herr Wölk, Sie haben die neue Rechte und neofaschistische Szene seit
Jahren im Blick und kennen die Strukturen der Neonazi-Szene in Sachsen. Wer
ist Benedikt Kaiser, der Podiumsgast der AfD in der Bremer Bürgerschaft?
Volkmar Wölk: [1][Benedikt Kaiser] kommt von der extremen Rechten und ist
dort heute noch immer aktiv. Zunächst war er in der regionalen
Kameradschaftsszene, dann im sogenannten „Freien Netz“, einem
Zusammenschluss von Neonazistrukturen vor allem in Sachsen, Thüringen und
Franken. Bekannt sind Kaisers enge Kontakte zu führenden Repräsentanten des
Chemnitzer Ablegers des „Freien Netzes“, der späteren „Nationalen
Sozialisten Chemnitz“.
Was sind das für Vereinigungen?
Es handelte sich um hochgefährliche, militante Strukturen. Nicht ohne Grund
sind die Nationalen Sozialisten Chemnitz 2014 durch den Sächsischen
Innenminister verboten worden. Über Jahre war dies der wichtigste regionale
Zusammenschluss von Neonazis, er verfügte auch über erheblichen Einfluss
innerhalb der NPD Sachsens. Gerade an der Gruppe in Chemnitz, in deren
engeren Umfeld sich Kaiser bewegte, lässt sich zeigen, dass trotz aller
Namenswechsel eine personelle Kontinuität in der Szene gewährleistet war,
die für Stabilität sorgte.
Was glauben Sie, könnte die Motivation der AfD für die Einladung Kaisers
sein?
Ein großer Vorteil hierzulande bestand bis heute darin, dass wir die
dämlichste extreme Rechte in ganz Europa haben. Kaiser und sein Umfeld
arbeiten intensiv daran, das zu ändern. Die von ihm angestrebte Lösung der
extremen Rechten vom Neoliberalismus könnte tatsächlich zu einem
neuerlichen Schub für die extreme Rechte, speziell die AfD, mindestens in
Ostdeutschland führen. Wenn die Partei die Auseinandersetzungen, die dieser
Versuch zwangsläufig nach sich ziehen würde, denn überlebt. Da Kaiser und
sein Umfeld allerdings strategisch denken gelernt haben, wissen sie, dass
ein solcher Plan nur mittelfristig zu realisieren ist. Aber: nichts
benötigt die extreme Rechte nötiger als frische Ideen. Kaiser ist
inzwischen einer der wichtigsten Lieferanten dieser seltenen Ware.
Überrascht Sie, dass die AfD ausgerechnet ihn in die Bürgerschaft einlädt?
Nein, das ist wenig überraschend und eher konsequent. Der Bremer
Landesverband gilt in der AfD als deutlicher Rechtsausleger. Die
Verbindungen zu den Identitären sind eng und notorisch – trotz
entsprechender Unvereinbarkeitsbeschlüsse. Er wird dort zum Thema „Ein Jahr
AfD im Bundestag“ die Rolle des sympathisierenden Kritikers übernehmen
sollen, der aufzeigt, in welchen Bereichen bei der AfD noch
Profilierungsbedarf besteht und wo sich inhaltliche Defizite finden. Ich
erwarte, dass er dort die Linie von Björn Höcke eines „sozialen
Patriotismus“ vertreten wird. Und genau die Stärkung dieses Kurses
beabsichtigt der Bremer Landesverband der AfD.
Es heißt, dass Kaiser auch Verbindungen ins NSU-Umfeld habe. Stimmt das?
Es lässt sich natürlich nicht nachweisen, dass Kaiser vom NSU vor dessen
Selbstenttarnung wusste. Aber es ist festzuhalten, dass wichtige Personen
des „Freien Netzes“ wie Ralf Wohlleben, Thomas Gerlach und andere in die
Taten des NSU verstrickt waren oder deutliche Verbindungen zu dessen
Unterstützerszene hatten. Ebenfalls in diesem Umfeld bewegte sich auch Eric
Fröhlich. Mit ihm gemeinsam hat Kaiser 2013 das Buch „Phänomen
Inselfaschismus“ verfasst, das die entsprechenden Bewegungen in Irland und
Großbritannien von 1918 bis 1945 porträtierte.
Der Band erschien im Regin Verlag. Was ist das für ein Verlag?
Er entstand im Umfeld der neurechten Vereinung „Europäische Synergien“ um
den belgischen Theoretiker Robert Steuckers, orientierte sich ideologisch
an den eurofaschistischen und identitären Arbeiten des französichen
Ideologen Guillaume Faye. In diese Richtung zielt auch Kaisers zweite
Buchveröffentlichung in diesem Verlag, die auf seiner Abschlussarbeit an
der TU Chemnitz basierte und den faschistischen Schriftsteller Pierre Drieu
La Rochelle zum Thema hatte. In dem Verlag erschien auch die Zeitschrift
„Hagal“, über Jahre eines der wichtigsten Publikationsorgane der Neuen
Rechten in Deutschland.
Wo ist Benedikt Kaiser heute politisch aktiv?
Kaiser kann inzwischen fraglos als einer der wichtigeren jüngeren
Theoretiker der Neuen Rechten in Deutschland bezeichnet werden. Und er
sitzt an Schnittstellen dieser Szene. Er arbeitet als Lektor beim
Antaios-Velrag von Götz Kubitschek, schreibt für dessen Zeitschrift
„Sezession“ und hat enge Verbindungen zu Philip Stein, dem Kopf der
neurechten Lobby-Gruppe „Ein Prozent“, und dessen Jungeuropa-Verlag. Sein
Schwerpunkt dabei sind rechte Europavorstellungen sowie vor allem die
Verknüpfung der „nationalen Frage“ mit der sozialen. Letzteres unter
intensiver Rezeption sowohl der Theoretiker der europäischen Konservativen
Revolution als auch der französischen Nouvelle Droite. Sein
Alleinstellungsmerkmal in der Szene besteht besonders darin, dass er die
linke Literatur zu seinem Thema intensiv rezipiert und auf für ihn
brauchbare Ideologiebausteine untersucht.
Das AfD-Podium („Ein Jahr AfD im Bundestag – ein Jahr populistische
Opposition im Bundestag?“) mit Benedikt Kaiser, Werner Patzelt und Marc
Jongen soll um 18 Uhr in der Bremer Bürgerschaft stattfinden. Eine
[2][Gegendemo direkt vor der Bürgerschaft] ist bereits angemeldet.
25 Oct 2018
## LINKS
[1] https://twitter.com/naziwatchemnitz/status/1019854008553439233
[2] https://www.facebook.com/events/514124369061708/
## AUTOREN
Sebastian Heidelberger
## TAGS
Rechtsextremismus
Bremen
Bremer Bürgerschaft
Schwerpunkt Neonazis
Bürgerschaft
Bremische Bürgerschaft
Bremische Bürgerschaft
Neue Rechte
AfD Bremen
AfD Bremen
Frank Magnitz
Landgericht Bremen
Landgericht Bremen
AfD Bremen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Bremer Bürgerschaft ändert Praxis: Neue Regeln nach AfD-Podium
Nach einer umstrittenen AfD-Diskussion dürfen nur noch
Bürgerschaftsfraktionen und der Präsident im Bremer Parlament
Veranstaltungen durchführen.
AfD-Podium in der Bremer Bürgerschaft: Rechte Türpolitik
Träume vom Nationalsozialismus: Eine Veranstaltung der AfD in der
Bürgerschaft Bremen zeigt, was passiert, wenn man Rechte gewähren lässt.
Kommentar über die klagefreudige AfD: Verdammter Rechtsstaat!
Die AfD streitet sich in sieben Verfahren am Landgericht Bremen. Das zeugt
von ihrer autoritären Grundausrichtung und verstopft die Justiz.
AfD Bremen verklagt Ex-Mitglied: Die AfD ist kein Opfer
Ohne Aussicht auf Erfolg klagt der AfD-Vorstand gegen ein Ex-Mitglied, das
Zusammenarbeit mit undemokratischen Organisationen kritisierte.
AfD Bremen verklagt sich selbst: Führerprinzip greift noch nicht
In Ungnade gefallene Mitglieder der AfD klagen gegen den Landesvorstand um
Frank Magnitz. Dabei treten Demokratiedefizite offen zutage.
AfD gegen Journalisten: „Verschwinden Sie, zack, zack, zack!“
In Bremen probt die AfD den Straßenkampf mit den Medien. In Hamburg werden
Journalisten von Parteitagen ausgeschlossen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.