# taz.de -- Trägerwohnungen droht Kündigung: Mehr Schutz für Schutzbedürfti… | |
> Wohnungen sozialer Träger sind Gewerbe und damit leicht kündbar. | |
> Tausenden, die nicht alleine leben können, droht der Rauswurf. Doch die | |
> Politik wacht auf. | |
Bild: Für mehr Rendite schmeißen manche Vermieter soziale Projekte mit Gewerb… | |
Verliert ein Mensch seine Wohnung, ist das in diesen Zeiten, wo günstiger | |
Wohnraum Mangelware ist, schlimm genug. Umso mehr gilt dies für Menschen, | |
die gar nicht in der Lage sind, alleine zu wohnen – weil sie kognitive | |
Einschränkungen haben, psychische oder physische Erkrankungen oder einfach, | |
weil sie noch minderjährig sind. | |
Doch genau das passiert seit einiger Zeit: Sogenannte Trägerwohnungen für | |
„betreutes Wohnen“ bekommen von ihren Vermietern reihenweise die Kündigung. | |
Für die Vermieter ist das lukrativ, weil sie bei Neuvermietung fast jeden | |
Preis verlangen können. Und es ist einfach: Denn Mietverträge mit sozialen | |
Trägern, die ihrerseits an Einzelpersonen untervermieten, gelten als | |
Gewerbemietverträge – und um die zu kündigen, braucht es in der Regel | |
keinen Grund. | |
Doch nun formiert sich Widerstand gegen diese Form der Verdrängung. Der | |
Paritätische Wohlfahrtsverband Berlin (PWB), ein Dachverband von rund 760 | |
gemeinnützigen Organisationen und Selbsthilfegruppen, unterstützt die Klage | |
eines Betroffenen beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. | |
„Wir wollen klären lassen, ob das soziale Mietrecht mit seinem besseren | |
Kündigungsschutz für Wohnungsmieter nicht auch für Untermieter gilt, wenn | |
es einen gewerblichen oder sozialen Hauptmieter gibt“, erklärt Gabriele | |
Schlimper, die Geschäftsführerin des Paritätischen der taz. Es sei | |
schließlich nicht einzusehen, warum ausgerechnet Menschen, die besonderen | |
Schutzes bedürften, weniger Rechte haben sollten als „normale“ Mieter. | |
## Kündigungsschutz vereinbaren | |
Kläger ist laut Schlimper ein Untermieter beim Träger Zuhause im Kiez | |
(ZiK). Der gemeinnützigen GmbH waren im Frühjahr 2016 vom Vermieter zehn | |
Wohnungen gekündigt worden. Eine Klage dagegen war zunächst erfolgreich. | |
Doch in zweiter Instanz bekam der Vermieter im August beim Kammergericht | |
Recht, bis Ende des Jahres müssen die Wohnungen geräumt werden. | |
Kern der Argumentation der Richter: Man könne zwar auch bei | |
Gewerbemietverträgen festlegen, dass der bessere Kündigungsschutz von | |
Wohnungsmietverträgen gilt – aber das müsse man ausdrücklich festhalten. | |
Allein, dass man einen Standardmietvertrag für Wohnraum benutzt habe, | |
reiche nicht. | |
Genau dies sei allerdings bei den meisten Verträgen von Trägerwohnungen der | |
Fall, erklärt Schlimper. „Ende der 90er bis Mitte der 2000er Jahre gab es | |
viel Leerstand in Berlin. Die Vermieter waren froh über jeden Mieter.“ Man | |
habe damals übliche Wohnungsmietverträge benutzt und nicht daran gedacht, | |
besondere Kündigungsklauseln zu vereinbaren. Inzwischen sei man natürlich | |
schlauer. | |
Doch 60 bis 70 Prozent der rund 2.500 Trägerwohnungen unter dem Dach des | |
Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, so Schlimper, hätten noch alte | |
Mietverträge – und nach einer Erhebung vom vorigen Jahr seien rund ein | |
Drittel aller Wohnungen von Kündigung bedroht. Viele Vermieter erwarteten | |
heutzutage hohe Renditen, hätten oft ganze Häuserzüge aufgekauft und keinen | |
Bezug zu ihrer Mieterschaft. | |
„Nach dem Urteil vom Kammergericht befürchten wir daher, dass sie endgültig | |
Morgenluft wittern“, so Schlimper. Insgesamt gibt es in Berlin nach | |
Schätzungen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes zwischen 6.000 und 7.000 | |
Trägerwohnungen für rund 10.000 Menschen. Zahlen vom Senat gibt es dazu | |
nicht. | |
## Zwei Lösungsansätze | |
Doch angesichts der Tragweite des Problems ist nun auch die Politik | |
aufgewacht. Von der Kündigungswelle bei Trägerwohnungen könnten womöglich | |
Tausende Menschen betroffen sein, erklärte Sozialsenatorin Elke Breitenbach | |
(Linke) kürzlich anlässlich der Strategiekonferenz gegen Wohnungslosigkeit. | |
Ihr Staatssekretär Alexander Fischer erklärte der taz, gesetzgeberisch gebe | |
es im Wesentlichen zwei Lösungsansätze. Entweder man verpflichte Vermieter, | |
im Falle der Kündigung eines sozialen Trägers als Hauptmieter dessen | |
Untermietverträge zu übernehmen. Das habe den Vorteil, betreutes Wohnen an | |
sich zu stärken. Eine Kündigung von Trägern wäre dann nämlich nicht mehr | |
attraktiv für Vermieter, weil „eine Neuvermietung der Wohnung zu höheren | |
Mieten dann nicht mehr möglich wäre“. Ähnliche Wirkung hätte laut Fischer | |
auch ein zweiter Ansatz: den sozialen Trägern als Hauptmietern einen | |
gesetzlichen Kündigungsschutz einzuräumen. | |
Am vergangenen Freitag stimmte der Bundesrat mehrheitlich für Berlins | |
Antrag zur Änderung des Gewerbemietrechts. Im nächsten Schritt kommt die | |
Initiative in den Bundestag | |
Auch auf lokaler Ebene tut sich gerade etwas: So beschloss die | |
Bezirksverordnetenversammlung von Friedrichshain-Kreuzberg vergangene Woche | |
auf Vorschlag der Linkspartei, bei Kündigungen von Trägerwohnungen solle | |
das Bezirksamt prüfen, ob nicht eine „ordnungsrechtliche Sicherstellung | |
solcher Wohnungen“ nach dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz | |
(ASOG) möglich sei. | |
Beim Paritätischen ist man dankbar für diese Initiative. Zwar sei „die | |
Beschlagnahme ein scharfes Schwert“, so Schlimper – und ob sie im | |
Einzelfall vor Gericht Bestand habe, müsse man sehen. „Aber schon die | |
Androhung kann politische Wirkung entfalten, und das würde ich begrüßen.“ | |
Vielleicht würden es sich Vermieter ja mit der Kündigung überlegen, wenn | |
der Zweck – mehr Rendite – damit nicht erreicht werde. | |
22 Oct 2018 | |
## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
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