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# taz.de -- Erntebilanz nach Super-Sommer: Vor 100 Jahren wären wir verhungert
> Viel weniger Getreide, kaum Tierfutter: Die Bilanz der Ernte sowohl in
> der biologischen wie der konventionellen Landwirtschaft in Brandenburg
> fällt mau aus.
Bild: Die Weizenernte fiel 2018 eher mau aus, auch in der Agrargenossenschaft T…
Mit der Kartoffelernte im eigenen Garten war nicht viel los: Die Ausbeute
blieb diesmal so mager wie viele Jahre nicht. Ach, man hätte mehr gießen
müssen. Aber angesichts der Kosten bekamen eher die Gurken (letztlich
dennoch eine sehr bescheidene Ernte), der Blattsalat (die alte Sorte wuchs
monatelang prächtig nach) und die Bohnen (super ertragreich) das teure
Wasser aus der Leitung ab.
Viele Gartennachbarn haben übrigens einen eigenen Brunnen und entnehmen
Grundwasser. Weil das nichts kostet, wird alles gesprengt. Sogar ihre
Rasenflächen blieben grün. Will heißen: Wer einen Garten betreibt, hat
hautnah miterlebt, welche Auswirkungen dieser Supersommer auf Gras,
Pflanzen und Bäume hatte.
Mit den Unbilden des Wetters hat die Landwirtschaft schon immer zu kämpfen.
Doch dieses Jahr war es extrem. Wie sieht die Lage in Brandenburg aus?
## Nur Kürbisse wachsen noch
Im [1][Ökodorf Brodowin] ist die Ernte 2018 im Wesentlichen abgeschlossen,
berichtet Geschäftsführer Ludolf von Maltzan der taz. „Im Ackerbau ist
alles abgeerntet, und die Kartoffeln sind raus. Nur noch beim Gemüse stehen
Möhren, Pastinaken, Porree auf dem Feld – und Hokkaidokürbisse.“
Die schlechte Nachricht vorweg: Ein „besonders negatives“ Ergebnis brachte
aufgrund der andauernden wie trockenen Dauerhitze die Ernte von Lupine und
Sommergerste. Beides dient als Kraftfutter für die Milchkühe. Die Lupine
ist ein Eiweiß-, die Sommergerste ein Energielieferant. „Wir haben bei
beiden über 40 Prozent weniger als im Durchschnitt der letzten Jahre
geerntet.“ Das sei ein Problem: Denn die Brodowiner müssen nun auf
Ersatzfuttersuche gehen. „Das ist schwer, weil alle anderen Erzeuger ja
auch eine schwache Ernte eingefahren haben.“
Kühe fressen gern Silage, das ist durch Milchsäuregärung konserviertes
Grundfutter, das aus Gras, Klee, Lupinen etc. besteht. Dank Silage kommen
Kühe über den Winter. „Der erste Schnitt im Frühjahr war noch gut, aber
dann ist einfach nichts mehr nachgewachsen“, erzählt von Maltzan. Weil die
Brodowiner vorausplanend denken, haben sie sich im vergangenen Jahr, als
das Grün viel besser immer wieder nachwuchs, eine Futterreserve angelegt.
Diese werden sie nun aufbrauchen müssen – und konnten keine Reserve
anlegen.
Die gute Nachricht: Bei Winterdinkel, Roggen und Winterweizen fallen die
Ausfälle mit 10 bis 15 Prozent „noch ganz okay aus für so einen trockenen
Sommer“, sagt von Maltzan. Die drei Getreidesorten werden jeweils im Herbst
gesät, im Juli geerntet und „profitierten im Frühjahr vom noch feuchten
Boden“. Zur Erinnerung: Das Jahr 2017 war ein sehr feuchtes – „und noch b…
Ostern hatten wir eine geschlossene Schneedecke“.
## Ein altbekanntes Problem
Mit anderen Worten: Es mangelte weder im letzten noch in diesem Jahr an
Grundwasser, erklärt von Maltzan den glücklichen Umstand, dass man die
Felder für den Gemüseanbau regelmäßig beregnen konnte. Die Gemüseernte fiel
also so gut wie in den anderen Jahren auch aus. Die Brodowiner verfügen
über Bohrlöcher, um ans Grundwasser zu kommen, und haben zudem die
Möglichkeit, aus einem See Wasser zu entnehmen. „Wir in Brandenburg sind
erfahren, was Trockenheit angeht“, fasst von Maltzan zusammen. „Die
Frühjahrstrockenheit zum Beispiel ist ein altbekanntes Problem.“
Letzteres gilt natürlich ebenso für die konventionelle Landwirtschaft in
Brandenburg, die rund 38.000 Menschen beschäftigt. Das Getreide ist vom
Feld, der Mais ebenso, die Kartoffelernte steht vor dem Abschluss, die
Zuckerrübenernte läuft noch. „Die Getreideernte war enttäuschend“,
resümiert Ulrich Böhm, Referent für allgemeine Agrarpolitik im
[2][Landesbauernverband Brandenburg e. V.] „Bei allen Getreidesorten
haben wir 30 bis 35 Prozent Verlust gegenüber dem langjährigen Mittel zu
beklagen. Das verregnete Jahr 2017 brachte schon eine schlechte
Getreideernte, aber 2018 mit der lang anhaltenden Hitze und Trockenheit
setzt dem Ganzen die Krone auf.“
Verluste überall: Bei der Lupine wurde nicht mal halb so viel geerntet wie
sonst im Durchschnitt der letzten Jahre, beim Raps fielen die Ernteerträge
um ein Drittel geringer aus. Das ist fatal, denn „Raps ist gewinnbringend“,
sagt Böhm, „und es gibt langfristige Lieferverträge“.
Damit fehlt auch in der konventionellen Tierhaltung Silage für den Winter.
Auf Grünflächen war ja auch nicht viel zu holen. „Für die Tierhaltung ist
die Lage schwierig“, erklärt Böhm, „man geht an die Futterreserven, kauft
teuer Futter hinzu oder reduziert die Tierbestände.“ Die schwierige
Futtersituation könnte „langfristige Auswirkungen“ zeigen. So sei es zum
Beispiel „schwierig, unter den gegeben Umständen die Milchleistung
aufrechtzuerhalten“.
## Macht „Erntedank“ denn Sinn?
Eine „gute Nachricht“ kann der Bauernverband aber auch vermelden: Der
Zuckergehalt der Zuckerrüben ist wegen der vielen Sonne besonders hoch –
dafür sind die Erträge gering. Und die Kartoffelernte fiel, je nachdem ob
die Felder beregnet wurden – was extra kostet – oder nicht, mau
beziehungsweise gut wie immer aus.
Macht ein [3][Erntedankfest] wie Anfang September das Brandenburger
Landeserntefest in Neuzelle unter diesen misslichen Umständen überhaupt
Sinn? „Wir sind dankbar“, sagt Ulrich Böhm, „denn in der Ernte, auch wenn
sie so gering ausfiel, steckt ja ein ganzes Jahr Arbeit.“ Man habe deshalb
„mit einem lachenden und einem weinenden Auge“ gefeiert.
Und überhaupt: „Vor 100 Jahren wäre bei einer so schlechten Ernte eine
Hungersnot ausgebrochen.“ Doch die heutigen höheren Produktionsstandards
und -mengen sowie der globale Lebensmittelhandel bewahren uns davor.
7 Oct 2018
## LINKS
[1] https://www.brodowin.de/
[2] http://www.lbv-brandenburg.de/
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Erntedankfest
## AUTOREN
Andreas Hergeth
## TAGS
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